Schwarzmarkt-Analyse

Zu viel Viagra bei die Fische

Stuttgart - 31.07.2014, 17:30 Uhr


Im Abwasser findet sich deutlich mehr Sildenafil als durch die ärztlich verordnete Menge zu erklären wäre. Mindestens 60 Prozent des im Abwasser gefundenen Sildenafils ist niemals verschrieben und daher, so folgerten niederländische Forscher, die das Abwasser auf Rückstände des PDE-5-Inhibitors und seine Metabolite untersucht hatten, vermutlich ohne Rezept auf dem Schwarzmarkt erworben worden.

Die ursprüngliche Idee hinter der Studie war, dass die Wissenschaftler einen Einblick bekommen wollten, welcher Schaden durch illegalen Handel mit Arzneimitteln entsteht. Um den Umfang des Schwarzmarktes abschätzen zu können, wählten sie Sildenafil als Beispiel. Mit Abwasser-epidemiologischen Methoden, mit denen sich der Verbrauch von Substanzen mithilfe von Abwasser-Analysen bestimmen lässt, bestimmten sie Sildenafil-Rückstände sowie die von zwei Metaboliten aus Kläranlagen. Aus diesen Messwerten kann dann auf die ursprünglich ins Wasser gelangte Dosis rückgeschlossen werden. Die Verordnungsdaten wurden mithilfe der nationalen niederländischen Apothekendatenbank geschätzt. Etwa ein Viertel der rezeptierten Menge entfiel auf die  Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie, das meiste war aber für die Indikation „erektile Dysfunktion“ verordnet worden.

Die immensen Abweichungen zwischen verordneter und nachgewiesener Menge halten die Forscher für alarmierend. Offenbar gelangen große Mengen des PDE-5-Inhibitors auf dunklen Kanälen wie dubiosen Internetanbietern, die zum Teil auf den ersten Blick wie legale Apotheken wirken, in den Umlauf. Als Konsequenz fordern sie eine bessere Aufklärung über die Risiken des kriminellen Online-Handels mit Arzneimitteln.

Da im Fall der PDE-5-Inhibitoren viele aus Scham den Gang zum Arzt scheuen, sind die Voraussetzungen für einen florierenden Schwarzhandel übers Internet trotz des Patentablaufs von Viagra® und der Verfügbarkeit günstiger Generika  ideal. Während allerdings  Viagra® und Co. früher den größten Anteil am Markt für gefälschte Arzneimittel hatten, hat sich Bandbreite der Indikationsgebiete bei den Präparaten, die beschlagnahmt werden, mittlerweile erweitert. So spielen beispielsweise onkologische Präparate eine immer größere Rolle.

Generell ist Arzneimittelfälschen nach wie vor ein lukratives Geschäft. So kostet laut Informationen der ABDA ein Kilogramm an gefälschtem Sildenafil auf dem Schwarzmarkt im Durchschnitt 90.000 Euro. Kokain, das nur etwa 65.000 Euro einbringt, ist dagegen vergleichsweise günstig.

Quelle: Venhuis BJ, et al. BMJ 2014;249:g4317; dx.doi.org/10.1136/bmj.g4317


Julia Borsch


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