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Ärztlich begleiteter Suizid
Hochschullehrer für mehr Rechtssicherheit
In der Politik ist eine gesetzliche Regelung der Beihilfe zum Suizid schon lange in der Diskussion: Darf schwer Kranken geholfen werden, wenn sie freiwillig aus dem Leben scheiden möchten – und in welcher Weise? Das derzeitige Fehlen einer klaren gesetzlichen Regelung sorgt für viel Unsicherheit. Vier Hochschullehrer haben nun einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, nach dem die Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe gestellt wird. Allerdings soll es zwei wichtige Ausnahmen geben: für Angehörige und Ärzte. Die Kritik an dem Vorschlag ließ nicht lange auf sich warten.
Grundsätzlich ist die Beihilfe zum Selbstmord in Deutschland nicht strafbar – schon weil der Suizid an sich nicht strafbewehrt ist. Dennoch gibt es eine kritische Grauzone: Verboten ist die Tötung auf Verlangen, die aktive Sterbehilfe. Und Vereine, die ihre Hilfe explizit für die Selbsttötung anbieten, gar hierfür werben, werden hierzulande sehr kritisch gesehen.
Nun haben sich Professoren aus den Bereichen Recht, Ethik und Palliativmedizin zusammengetan, um der Politik einen Vorschlag zu unterbreiten. In einem neuen Paragrafen des Strafgesetzbuches soll die Beihilfe zum Suizid ausdrücklich für strafbar erklärt werden (Haftstrafe bis drei Jahre oder Geldstrafe). Aber: Ein Arzt soll nach Einhaltung strenger Sorgfaltspflichten und ausschließlich bei unheilbar Erkrankten mit begrenzter Lebenserwartung Suizidhilfe leisten dürfen. Dafür muss er zuvor die Freiwilligkeit des Suizidwunsches geprüft und den Patienten „umfassend und lebensorientiert“ über andere, insbesondere palliativmedizinische Möglichkeiten aufgeklärt haben. Zudem muss ein zweiter unabhängiger Arzt hinzugezogen werden. Jede Form der Werbung für Suizidbeihilfe soll verboten werden.
Mit ihrem Gesetzesvorschlag wollen die Hochschul-Professoren Rechtssicherheit schaffen, Freiräume für ein selbstbestimmtes Sterben belassen und zugleich den Lebensschutz stärken. Einer von ihnen ist der Palliativmediziner Prof. Dr. med. Gian Domenico Borasio von der Universität Lausanne. Er erklärt: „Es ist wissenschaftlich längst belegt, dass es auch bei bester Palliativversorgung Menschen gibt, die mit Berechtigung sagen: ‚Das, was mir noch bevorsteht, möchte ich nicht erleben‘.“ Außerdem zeigten internationalen Daten einen deutlichen Anstieg der Sterbehilfefälle dort, wo die Tötung auf Verlangen erlaubt ist (Holland und Belgien). Anders sei es, wo nur der assistierte Suizid zugelassen ist (Schweiz und Oregon).
Der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, verweist angesichts des Vorschlages auf die Berufsordnung der Ärztinnen und Ärzte. Aufgabe der Mediziner sei, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern sowie Sterbenden Beistand zu leisten. „Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung ist hingegen keine ärztliche Aufgabe“, so Montgomery.
Ähnlich argumentiert Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml: „Eine Regelung, die dazu führen kann, dass Mediziner bei schwerstkranken Menschen Beihilfe zum Selbstmord leisten, lehne ich auch als Ärztin entschieden ab. Sie wäre mit der ärztlichen Ethik und dem ärztlichen Berufsrecht nicht vereinbar.“ Auch wenn es extreme Lebenssituation geben mag, in denen der Wunsch zu sterben größer ist als der Lebenswille, sei es nicht richtig, für diese Einzelfälle das Gesamtsystem aufzubrechen und den ärztlich assistierten Suizid als eine Möglichkeit anzubieten.
Noch kritischer äußerte sich der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch: „Wenn der Gesetzentwurf Realität würde, dann wird die Suizidbeihilfe zum Regelangebot des Arztes. Damit hätten wir den zertifizierten Mediziner für Selbsttötung.“ Dies könne nicht die Vision der Ärzte in Deutschland sein. Zwar werde die Suizidbeihilfe auf unheilbar kranke Menschen mit begrenzter Lebenserwartung beschränkt – doch die Kriterien sind Brysch zu unbestimmt: „Entscheidungen über Leben und Tod dürfen aber nicht beliebig sein.“
Berlin - 26.08.2014, 17:12 Uhr