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Die letzte Woche
Mein liebes Tagebuch
Zukunft: Drohnen beliefern Apotheken, das E-Health-Gesetz bringt den Medikationsplan auf die elektronische Gesundheitskarte. Gegenwart: Arzneimittel werden immer teurer und noch weiß keiner, wie wir das in Zukunft bezahlen können, während die Krankenkassen stur auf Preisangebote der Industrie verzichten und lieber für teuer Geld die Patienten auf andere Arzneimittel umstellen lassen. Die Politik streitet sich immer noch über die Pille danach und glaubt, mit Importarzneimitteln noch die letzten Cents holen zu müssen.
22. September 2014
Ein kleiner Nachtrag fürs Tagebuch: Am 18. September hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die ersten Arzneimittel der Substitutionsausschlussliste festgelegt, also Arzneimittel, die von den Apotheken künftig nicht durch ein wirkstoffgleiches Produkt ersetzt werden dürfen. Darunter sind die Stoffe Betaacetyldigoxin, Digitoxin und Digoxin, Tacrolimus und Ciclosporin, Levothyroxin und Phenytoin. Wenn das Bundesgesundheitsministerium dem zustimmt, wird dieser Beschluss in Kürze in Kraft treten. Und was heißt das nun genau für die Apotheke? Der Arzt weiß ja in den meisten Fällen gar nicht, welches Präparat sein Patient aufgrund der Rabattverträge beim letzten Apothekenbesuch erhalten hat. Muss die Apotheke daher das Präparat, das der Patient bei seinem letzten Besuch erhalten hat, abgeben? Oder muss sie exakt das Präparat abgeben, das der Arzt namentlich verordnet – wie bei einer Neueinstellung? Pharmazeutische Bedenken sind bei diesen Präparaten nicht erlaubt. Mein liebes Tagebuch, da braucht die Apotheke noch konkrete Handlungsanweisungen, sonst ist sie schneller retaxiert, als sie abgeben kann.
Der Apothekertag hat Nachwehen. Die Apothekerkammer Nordrhein ist sauer auf die ABDA-Führung. Sechs von sieben selbst gestellten Anträgen wurden durch das Plenum „abgebügelt“ – so sieht es jedenfalls Kammerpräsident Lutz Engelen. Den Nordrhein-Antrag, den ABDA-Präsidenten künftig durch die Delegierten wählen zu lassen, zog er daraufhin frustriert zurück. Der Frust geht sogar so weit, dass man, wie es aus den nordrheinischen Kammerkreisen zu hören war, über einen Austritt der Kammer Nordrhein aus dem ABDA-Verbund zumindest mal nachdenken will. Mein liebes Tagebuch, da sitzt der Ärger in der Tat sehr tief. Und man kann es irgendwie nachvollziehen. Der Wille bei der ABDA, mehr Transparenz und Offenheit zu zeigen, die Mitgliedsorganisationen besser zu informieren (z. B. eine Liste ins Netz zu stellen, aus der der Stand der Antragsbearbeitung ersichtlich wird, wie Thüringen es forderte), hat noch – sagen wir es mal so – eine Menge Entwicklungspotenzial.
Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn: Arzneimittelfälschungen waren das Thema auf der ABDA-Pressekonferenz zum Apothekertag – und am Sonntag sahen 13,13 Mio. Menschen im Tatort-Krimi, welche Auswirkungen Arzneimittelfälschungen haben können. Besser hätt’s nicht laufen können. Auch wenn die ABDA und der Tatort nichts voneinander wussten – das Thema hat gut gepasst.
23. September 2014
Die Arzneimittelsicherheit soll verbessert werden – das sieht auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe. Mit seinem geplanten E-Health-Gesetz soll ein einheitlicher Medikationsplan eingeführt werden. Dann sollen Patienten, die mindestens fünf verordnete Arzneimittel anwenden, eine Übersicht über die von ihnen angewendeten Arzneimittel mit patientenverständlichen Anwendungshinweisen erhalten – und zwar in Papierform: den Medikationsplan. Auch OTC-Arzneimittel sollen, wenn der Patient es wünscht, hier dokumentiert werden. Arzt und Apotheker werden auf den Medikationsplan zugreifen müssen. Gespeichert werden soll die Datei des Medikationsplans auf der elektronischen Gesundheitskarte eGK. Mein liebes Tagebuch, das ist ein erster Schritt hin zu mehr Arzneimittelsicherheit. Die Daten zu interpretieren und erforderliche Rückschlüsse daraus zu ziehen, der nächste. Jetzt wollen wir mal hoffen, dass von Apothekerseite so rasch, wie es nur geht, die Fort- und Weiterbildungskurse angeboten werden, damit jede Apotheke, die mit einsteigen möchte, professionell mit Medikationsplan und Medikationsanalyse umgehen kann. Sonst kommen andere, die uns das Geschäft wegnehmen wollen. Der Medikationsplan kommt, das geht schneller, als wir glauben.
Alle Jahre wieder: Im Herbst erscheint der Arzneiverordnungsreport. Alle Jahre wieder die gleichen Sätze: Es gibt noch erhebliche Einsparpotenziale bei Arzneimitteln, schreiben die Autoren Schwabe und Paffrath. Fünf Milliarden Euro sollen es angeblich noch sein, vor allem durch den Austausch von Analogpräparaten durch vergleichbare günstigere Präparate. Alle Jahre wieder: Der AVR ist ein Aufreger für die Pharmaindustrie. Waren es früher die Forderungen der Kritiker nach mehr Generika, so sind es heute eher die Biosimilars und die patentgeschützten Arzneimittel, bei denen der AVR Einsparpotenziale sieht. Festbeträge, Rabattverträge, Preismoratorium auf der einen Seite, Lieferengpässe, Qualitätsprobleme auf der anderen Seite – wir werden sehen, wie weit die Industrie ausquetschbar ist. Dennoch, es wird weiter eingespart werden müssen. Und, mein liebes Tagebuch, angesichts superteurer Arzneimittel beginnt die Diskussion, was Krankenkassen, unsere Gesellschaft und damit wir alle bereit sind, für bahnbrechende Innovationen zu bezahlen.
24. September 2014
Der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gefällt die Forderung des Apothekertags nicht, ein einheitliches Entlassrezept einzuführen. Nach Auffassung der Apotheker wäre es das Beste für Krankenhauspatienten, wenn sie bei ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus ein Rezept auf Wirkstoffbasis erhalten, ausgestellt von einem Klinikarzt. Stimmt, mein liebes Tagebuch. Aber da sind die Kassenärzte dagegen: Nicht praktikabel, heißt es da, es sei eine Übergangsmedikation erforderlich. Das Krankenhaus sollte den Patienten die Medikamente für mindestens drei Tage mitgeben und dem behandelnden Hausarzt die verschriebenen Wirkstoffe übermitteln. Mein liebes Tagebuch, das wird so nicht funktionieren. Der Vorschlag der Apotheker ist da eindeutig der bessere. Ärzte, denkt mal an eure Patienten! Jetzt wollen ABDA und KBV, wie es so schön heißt, den Gesprächsfaden zu diesem Thema aufnehmen. Wer umgarnt dann wen?
Vor Kurzem haben wir sie noch belächelt, jetzt fliegen sie: DHL-Drohnen, die Arzneimittel ausliefern. In diesem Fall macht’s sogar Sinn: Eine Apotheke auf der Nordseeinsel Juist wird per „Paketkopter“ vom 12 km entfernten Festland aus mit Arzneimitteln beliefert. Noch ist es ein Forschungs- und Testprojekt. Ob sich die Zustellung per Drohne für die Routinebelieferung eignen wird oder gar für Versandapotheken – mein liebes Tagebuch, was das Internet mit uns macht, konnte sich vor 30 Jahren auch keiner vorstellen...
25. September 2014
Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, greift in seinem Blog den GKV-Spitzenverband (GKV-SV) an. Er wirft ihm starrköpfiges und kurzsichtiges Verhalten vor. Eines von drei konkreten Beispielen: die Verhandlungen zwischen Spitzenverband und Novartis über den Preis des neuen Präparats Vildagliptin. Der GKV-SV wollte einen Preis auf Generikaniveau, Novartis wollte da nicht mit. Nachdem auch die Schiedsstelle keine Einigung brachte, nahm Novartis sein Präparat aus dem Markt. Die Folge: Über 300.000 Patienten müssen, wie Spahn in seinem Blog schreibt, auf Behandlungsalternativen umgestellt werden, mit Kosten für die Kassen von 40 bis 60 Mio. Euro pro Jahr. Spahn kreidet dem GKV-SV nun an, bei den Verhandlungen nicht auf „das deutlich günstigere Angebot von Novartis, das sogar im europäischen Vergleich äußerst günstig gewesen wäre“, eingegangen zu sein. Hart verhandeln sei in Ordnung, meint Spahn, aber es gebe immer mehr Berichte, wonach der GKV-SV auf Maximalpositionen beharre. Spahns Fazit: Die AMNOG-Preisverhandlungen dürfen keine Pokerpartie sein, bei denen gezockt wird, weil man vermeintlich am längeren Hebel sitzt. Denn das schadet auf Dauer den Beitragszahlern und den Patienten. Und für beide sind Krankenkassen eigentlich da.“ Mein liebes Tagebuch, das geht uns doch runter wie Öl. Die Starrköpfigkeit des GKV-SV in Verhandlungen und die Einstellung, am längeren Hebel zu sitzen, kommt uns Apothekerinnen und Apothekern irgendwie bekannt vor. Nur, ein Gegendruckmittel haben wir in den Verhandlungen mit Kassen, wenn’s zum Beispiel um Nullretax geht, leider nicht...
Die Bezahlbarkeit teurer Arzneimittel war auch auf der Jahresversammlung des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller ein Thema, Beispiel Sovaldi. Der Vorsitzende des GKV-SV macht klar, dass für die Krankenkassen da nur Preisverhandlungen mit der Industrie infrage kommen, und zwar vor dem Markteintritt und nicht wie derzeit vorgeschrieben erst ein Jahr danach. Der CDU-Gesundheitspolitiker Hennrich riet da eher zur Besonnenheit, man sollte erst mal beobachten, wie sich das entwickelt. Mein liebes Tagebuch, das wird ein großes Thema werden. Mit Sicherheit werden in Zukunft weitere hochpreisige Arzneimittel auf den Markt kommen, auf die die Gesellschaft nicht verzichten will. Wie wollen wir die finanzieren? Die Diskussion darüber muss geführt werden.
26. September 2014
Die Pidana-Story geht weiter. Die Mehrheit der Koalitionsfraktionen hat den vierten Antrag der Opposition zur „Pille danach“ in den Gesundheitsausschuss verwiesen. Die SPD machte eigenen Beratungsbedarf im Hinblick auf die Entlassung des Wirkstoffs Levonorgestrel aus der Rezeptpflicht geltend, was die Opposition scharf kritisierte. Gesundheitsexpertinnen der Opposition warfen der SPD vor, in einem „Koalitionsgefängnis“ zu stecken und nur deshalb nicht auch für die Freigabe zu votieren, obwohl sie eigentlich möchte. Die „Pille danach“ dreht sich weiter.
Geplänkel zwischen den Importeuren Orifarm und Kohlpharma: Angesichts aufgetauchter Fälschungen muss es um Sicherheit vor wettbewerblichen Interessen gehen, werfen sie sich gegenseitig vor. Mein liebes Tagebuch, statt sich zu zanken, sollten Importeure ihre Energie lieber darauf verwenden, wie sie ihren Einkauf sicherer machen. Es steht schon die Forderung im Raum, dass die eingekauften Chargen chemisch-analytisch überprüft werden müssen. Und da gibt es noch die Forderung des Apothekertags, die gesetzliche Verpflichtung zur Abgabe von Importen abzuschaffen. Hhmm, Importe und Reimporte, Arzneimittel aus anderen Ländern aufkaufen und nach Deutschland karren – irgendwie passt das alles nicht mehr in die heutige Landschaft. Und das Bundesgesundheitsministerium hält eisern an der Importabgabeverpflichtung fest. Irgendwie anachronistisch, oder?
28.09.2014, 08:00 Uhr