Mondpreise für Sovaldi®?

Entwicklung macht Regierung nachdenklich

Berlin - 29.09.2014, 13:40 Uhr


Der Fall Sovaldi® gibt der Bundesregierung zu denken: Grundsätzlich habe sich das mit dem AMNOG eingeführte Zusammenspiel von Nutzenbewertung und anschließenden Preisverhandlungen bewährt, erklärt Gesundheits-Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz. Die aktuelle Ausgabenentwicklung von Sovaldi® sei bislang auch einzigartig – „bietet jedoch Anlass, die Entwicklungen auf dem Arzneimittelmarkt und insbesondere die Ausgabenentwicklung von Arzneimitteln im ersten Jahr auch weiterhin aufmerksam zu beobachten“.

Bis zu 99.900 Patienten kommen hierzulande für die Behandlung mit dem Hepatitis-C-Medikament infrage, schreibt die Staatssekretärin. Die Behandlung koste – je nach erforderlicher Therapiedauer – zwischen 60.000 und 120.000 Euro. Der Apothekenverkaufspreis einer 28-Tabletten-Packung betrage 19.999,46 Euro. Weil Sovaldi® aber ausschließlich in Kombination mit anderen Arzneimitteln zugelassen sei, hänge das konkrete Therapieregime vom Einzelfall ab. Welche Kosten die Regierung für die Finanzierung mit Sovaldi® in den nächsten Jahren erwarte, wollte Widmann-Mauz nicht erklären: Zur Ausgabenentwicklung einzelner Arzneimittel gebe man keine Prognose ab.

Wie viele Menschen in Deutschland an einer unerkannten Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) leiden, könne nur geschätzt werden, erklärt sie weiter. Eine aktuelle Schätzung habe eine Zahl von 410.000 Anti-HCV-positiven Personen im Jahr 2012 ermittelt. Von ihnen seien etwa zwei Drittel virämisch. Der Schätzung zufolge seien insgesamt 160.000 Personen diagnostiziert und 250.000 HCV-Antikörper-positive Personen nicht-diagnostiziert. Zur Frage, wie hoch vor diesem Hintergrund das theoretische Umsatzpotenzial sei, gebe die Regierung keine Prognose ab. Im ersten Halbjahr 2014 wurden laut Widmann-Mauz in Deutschland jedenfalls rund 8.700 Packungen Sovaldi® verordnet.

Die Linke wollte zudem wissen, ob die Kosten für Forschung und Entwicklung bei der Festlegung des Erstattungspreises neuer Arzneimittel berücksichtigt werden sollten. Es sei sinnvoll, dass der Preis dem Nutzen folge, den das Arzneimittel im Hinblick auf die Versorgung der Patienten habe, erklärt die Staatssekretärin. Diesem Ansatz folgend sei mit dem AMNOG auch die Preisbildung für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen zum 1. Januar 2011 neu geregelt worden. „Dieses Prinzip sollte grundsätzlich beibehalten werden.“

Widmann-Mauz berichtet darüber hinaus, dass sich die Zahl der Patienten, denen Sovaldi® einen „beträchtlichen“ Zusatznutzen bringt, auf rund 4.600 belaufen dürfte (5%). Einen „geringen“ Zusatznutzen gebe es für 17.300 Patienten (17%), nicht belegt sei der Zusatznutzen hingegen für rund 51.300 Patienten (51%). Angesichts fehlender Belege für einen möglichen Zusatznutzen habe der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) seinen Beschluss zu Sofosbuvir bis zum 15. Juli 2016 befristet und weiteres wissenschaftliches Erkenntnismaterial gefordert.

Zur Frage, wie die Regierung zur Forderung der Krankenkassen, den ausgehandelten Erstattungsbetrag rückwirkend auch auf das erste Vermarktungsjahr anzuwenden, stehe, erklärt die Staatssekretärin, das Verfahren der Nutzenbewertung sei „von Anfang an als lernendes System konzipiert“ gewesen, das „bei Bedarf weiterentwickelt und angepasst werden kann“. Der Vorschlag sei allerdings „am Grundrecht der Berufsfreiheit der pharmazeutischen Unternehmer und gegebenenfalls am verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot zu messen“. Sollte die Regierung zu dem Schluss kommen, dass gesetzliche Änderungen erforderlich seien, werde sie dem Bundestag einen entsprechenden Vorschlag übermitteln.

Zufrieden ist die Linksfraktion mit diesen Antworten nicht. „Es hat einfach keinen Sinn, auf eine Art gesellschaftlicher Verantwortung von der Pharmaindustrie zu hoffen“, erklärte Kathrin Vogler, Fraktionssprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte. Mondpreise gehörten gesetzlich abgeschafft – sofort und auch für das erste Vermarktungsjahr. „Die überzogene Profitgier der Hersteller bedeutet für die gesetzlichen Krankenkassen eine tickende Zeitbombe. Und leider tut die Bundesregierung nichts, obwohl ihr das Problem bekannt ist.“


Juliane Ziegler