Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

09.11.2014, 08:00 Uhr


Das ist schon so ein Völkchen, die Apotheker. Manch Außenstehender meint, es sind Supermarktverkäufer mit Hochschulabschluss. Sie selbst wollen es bis 2030 schaffen, die Medikation für Patienten zu managen, sagt ihr Präsident, ohne zu wissen, ob das überhaupt honoriert wird und ob man‘s vermeiden kann, sich mit den Ärzten zu verkrachen. Und während Apothekers mit dem GKV-VSG kämpfen und mehr Lohn einfordern, verschenken sie auch schon mal Dienstleistungen wie Verblistern und man muss sie mit Verboten davon abhalten. Über alledem vergessen sie fast ihre kaufmännischen Mitarbeiterinnen, die PKAs. Mein liebes Tagebuch, was musst du da aushalten!

3. November 2014

Die „Apotheken-Umschau“ interviewt den ABDA-Präsidenten zum Perspektivpapier. Wie sieht die Apotheke 2030 aus? Also in 15 Jahren? Was Friedemann Schmidt so antwortet, ist alles richtig und wichtig. Aber, mein liebes Tagebuch, wenn der Apotheken-Umschau-Leser das so verinnerlicht, dann wird er sich fragen: Ob das die Apothekers alles schaffen, was sie da wollen? So viele Wenns und Abers. Sie wollen: Therapiebegleiter sein, wenn‘s der Patient will; Netzwerken mit anderen Heilberufen, die nicht so recht wollen; eine elektronische Medikationsdatei aufbauen, wenn der Patient mitmacht; die Medikation managen, wenn die Ärzte es erlauben; konsiliarischer Arztberater sein, aber ob man Gehör findet? Und jetzt fragen wir uns: Gibt es eigentlich schon eine Strategie, wie wir das alles erreichen wollen? Punkt 1: wie bekommen wir das nötige Wissen? Punkt 2: wie bekommen wir die Ärzte? Punkt 3: Wie bekommen wir das nötige Geld? Vielleicht macht die „Neue Apotheken-Illustrierte“ ja mal ein Interview mit dem Präsidenten: „Was die Apotheke heute schon leistet“.

Verblistern geht nicht zu Dumpingpreisen und schon gar nicht umsonst – sagt die Apothekerkammer Saarland und hat ein entsprechendes Verbot in die Berufsordnung aufgenommen. Verblistern muss kosten, es ist eine Dienstleistung. Als ein marktgerechter Preis wird 1,50 Euro angesehen. Gut so. Mein liebes Tagebuch, wenn wir Apothekers schon selbst alles für lau und gratis anbieten, dann werden wir es nie schaffen, Dienstleistungen wie Beratung und Medikationspläne gegen Honorar durchzusetzen. Ja, ja, alles kann unterlaufen werden und umgangen werden, aber Verblistern nur gegen Bezahlung ist wenigstens ein Zeichen. Nur, was nützt das Verbot, wenn es bisher nur die Kammern von Saarland und Baden-Württemberg eingeführt haben? Warum ziehen die anderen Kammern da nicht nach?

4. November 2014

Na, bei der Apothekerkammer Westfalen-Lippe läuft’s richtig rund mit dem Konzept zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS). In vier Durchgängen wurden bisher 330 AMTS-Manager ausgebildet und 164 Apotheken eigens für die Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit qualifiziert. Das sind echte Arzneimittelspezialisten. Glückwunsch! Könnte das nicht auch ein Weg und Vorbild sein fürs ganze Land? Warum überträgt man das „Apo-AMTS-Konzept“ der Apothekerkammer Westfalen-Lippe nicht auf andere Kammern? Was allerdings noch aussteht, mein liebes Tagebuch, ist die Honorierung. Wir machen AMTS „für umme“ und kriegen von den Ärzten eins auf die Rübe. Wär schön, wenn wir wüssten, wie wir das lösen. Trotzdem: Wissen schadet nicht und wer AMTS-Manager ist, hat einen Vorsprung.

Niedersachsens Kammerpräsidentin Magdalene Linz im Interview mit der Apothekengewerkschaft Adexa: PKAs ausbilden! Ja, ist ja richtig. Nur, mein liebes Tagebuch: Wird eine PKA heute wirklich schon so ausgebildet, wie sie für die Apotheke von heute sinnvoll ist? Die PKA-Ausbildung wurde zwar gerade novelliert, aber ob das reicht? Ist die Zukunft nicht eher ein kleines p wie pharmazeutisch und ein ganz großes K für kaufmännisch? In den Händen einer zeitgemäß ausgebildeten PKA sollten beispielsweise QM, Datenschutz, Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und Warenwirtschaft liegen – oder noch weiter gedacht: die PKA als MBA light, als kleiner Master of Business Administration, das wär’s. Aber das gibt’s halt nicht fürs Helferinnengehalt. Wie wär’s denn damit: gleiches Gehalt für PTA und PKA?

5. November 2014

Also, die Kunden in Belgien sind doch wirklich das allerletzte. Kommen die doch einfach in den heiligen Notdienst der Apotheke und kaufen Sonnencreme, Duschgel und Rasierschaum. Nachts! Die Notdienst-Apotheke ist doch kein Nacht-Shop! Nix da mit so neumodischen Öffnungszeiten wie 24/7 und so. Jetzt wollen die belgischen Apothekerinnen und Apotheker mit dieser irrigen Vorstellung der Kunden über den Notdienst aufräumen und machen ihrem Ärger auf ihrer Internetseite Luft. Hach, mein liebes Tagebuch, zum Glück denken unsere Kunden ganz anders über den Nachtdienst, gell? Die wollen doch gar keine Apotheke, die ständig offen hat. Die gehen dann lieber in den Dromarkt…

6. November 2014

Und für manche unserer Kunden sind wir schon „Supermarktverkäufer mit Hochschulabschluss“. Zum Beispiel für den Journalisten Werner von der „Wirtschaftswoche“ in seiner „knallharten“ Kolumne. Er wirft den Apothekern vor, zu wenig über Arzneimittel zu wissen – oder wenn sie schon so wenig wissen und alles vom Display ihres Kassencomputers ablesen, dann sollten sie auch weniger verdienen. Selbst das letzte unumstößliche Argument der Apotheker, nämlich originale Präparate am sichersten in der Apotheke zu kaufen und nicht im Pfui-Bäh-Internet, so Werner, geht flöten: Einzelne Apotheken ließen sich versehentlich von organisierten Kriminellen gefälschte Medizin andrehen, die sie ahnungslos an ihre Kunden weiterverkaufen. Werners Fazit: Warum nicht gleich in einer Internet-Apotheke einkaufen, solange sie seriös ist? Mein Gott, Werner! Irgendwie daneben, oder? Mein liebes Tagebuch, da haut er schon ein bisschen arg grob drauf und macht es sich zu einfach. Nur bei einem Satz kommt man ernsthaft ins Nachdenken: „Da lernen die Apotheker an der Uni jahrelang vor sich hin. Aber an den Bedürfnissen vieler Kunden vorbei.“ Hmm.

7. November 2014

Der Präsident des Apothekerverbands von North Dakota kann zufrieden sein. In diesem US-Bundesstaat dürfen die großen Drugstoreketten auch weiterhin keine Arzneimittel abgeben und eine Apotheke muss mehrheitlich im Besitz eines Apothekers sein. Die Wähler haben darüber abgestimmt, sie wollen es so. Der Verbandspräsident macht auch deutlich, dass North Dakota mit die günstigsten Arzneipreise im Land habe – Gesetzesänderungen seien unnötig. Na also, geht doch!

Die ABDA hat sich den Gesetzentwurf zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) vorgeknöpft – und einiges dran auszusetzen. So fehlt zum Beispiel ein Passus, die Importförderklausel zu streichen und bei der Zytostatika-Versorgung keine Ausschreibungen vorzunehmen. Es fehlt, dass es bei Rezepturarzneimitteln einen Aufschlag von 8,35 Euro geben und die Gebühr für die BtM-Abgabe auf 2,91 Euro angehoben werden soll. Mein liebes Tagebuch, brave Forderungen. Außerdem sollte, so die ABDA in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf, der Betrag, mit dem der Notdienstfonds gefüllt wird, von 16 auf 20 Cent angehoben werden, damit endlich die zugesagten 120 Mio. Euro zusammenkommen. In der Stellungnahme erinnert die ABDA auch an die notwendige Dynamisierung des Apothekerhonorars. Mein liebes Tagebuch, alle Forderungen in Gröhes Ohr. Aus den bisherigen Äußerungen von Gesundheitspolitikern war bisher allerdings überhaupt keine Bereitschaft zu erkennen, den Apothekern auch nur eine Idee entgegen zu kommen. Schon klar, wie das ausgeht, oder?

9. November 2014

Wir sind das Volk – vor 25 Jahren fiel die Mauer. Friedlich. Und wir Apothekerinnen und Apotheker haben eine flächendeckende bundesweite Arzneimittelversorgung aufgebaut – vom Feinsten. Darauf dürfen wir auch mal anstoßen.


Peter Ditzel