Secretagogin

„Starter“ für Stress-Prozesse im Gehirn identifiziert

Remagen - 01.12.2014, 08:57 Uhr


Das Kalzium bindende Protein Secretagogin ist ein wichtiger Faktor für das Auslösen von Stress-Reaktionen im Gehirn. Dies haben österreichische Wissenschaftler am Zentrum für Hirnforschung der Medizinischen Universität Wien in Zusammenarbeit mit dem renommierten schwedischen Karolinska Institutet in Stockholm herausgefunden. Secretagogin wurde bereits vor fünfzehn Jahren ebenfalls an der MedUni Wien entdeckt, und zwar im Zusammenhang mit Forschungen an der Bauchspeicheldrüse.

Nun hat sich gezeigt, dass Secretagogin maßgeblich an der Freisetzung des Stresshormons Corticotropin Releasing Hormone (CRH) beteiligt ist. Mit Hilfe von CRH regt der Hypothalamus wiederum die Produktion und Ausschüttung des Adrenocorticotropen Hormons (ACTH) durch Zellen in der Hypophyse ins Blut an. ACTH gelangt auf diese Weise zur Nebennierenrinde und stimuliert dort die Produktion und Freisetzung von weiteren Hormonen, unter anderem des lebenswichtigen Stress-Hormons Cortisol.

„Wird die Bildung von Secretagogin unterdrückt, dann kann im Hypothalamus des Gehirns kein CRH freigesetzt werden. Damit wird verhindert, dass im Körper Stress-Prozesse gestartet werden“, erklärt Tibor Harkany von der Abteilung für Molekulare Neurowissenschaften der MedUni Wien.

„Wir können damit jetzt besser verstehen, wie Stress generiert wird. Man könnte also in einem nächsten Schritt bei Secretagogin ansetzen, um chronischen Stress zu therapieren, etwa bei Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Burn-Out, aber auch bei chronischem Stress, der durch Schmerzen verursacht wird“, mutmaßt Tomas Hökfelt vom Karolinska Institutet. Denn nur chronischer Stress sei schädlich. Folge einer Stressphase eine rasche Erholungsphase, so liefen Körper und Psyche schnell wieder „auf Normalbetrieb“ ohne vermehrte Ausschüttung von Stress-Hormonen.

Als mannigfache Folgen von chronischem Stress führen die Neuroforscher in diesem Zusammenhang eine erhöhte Infektanfälligkeit, Bluthochdruck, Diabetes und ein höheres Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen bis hin zu chronischen Kopfschmerzen, Tinnitus oder Osteoporose an. Internationale Studien zeigten, dass in Europa über 50 Prozent der Krankenstände auf eine Form von Stress zurückzuführen seien.


Romanov RA et al.
A secretagogin locus of the mammalian hypothalamus controls stress hormone release. EMBO J. 2014 Nov 27. pii: e201488977. [Epub ahead of print]


Dr. Helga Blasius