Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

01.02.2015, 08:00 Uhr


Der Apotheker ist Heilberufler und Kaufmann. Wirklich? Auch Kaufmann? Darf er überhaupt noch kaufmännisch handeln? Oder wird ihm jedes Promille an Rabatt und Skonto genau vorgeschrieben werden? Wg. Korruptionsverdacht? Und mit dem Heilberuf, wie sieht’s da aus? Mit der Pharm-CHF-Studie lief’s nicht so gut, jetzt kommt Armin, und alles Prima? Aber zunächst zittert die Welt vor dem 16. März, wenn Ella, the one and only, frei wird. Allerdings, das CDU-Drehbuch zur „Pille danach“ war keine Glanzleistung, wie ein CDU-Mensch bekannte. Endlich abgehakt, freute er sich, „wir sind wieder sprachfähig“. Aber leider nicht zum Thema Anpassung des Apothekenhonorars, da stellt sich die Politik taub. Es sei denn, Apothekers brächten mehr Beratungsleistungen ins Spiel. Mein liebes Tagebuch, welch grausames Spiel!

26. Januar 2015

Importe sind out. Und erst recht die gesetzliche Importförderung. Apotheker, Patienten, Arzneimittelhersteller und sogar die Kassen, die früher immer scharf auf Importe waren, aber seit den Rabattverträgen ein besseres Sparinstrument haben, halten die Arzneiimporte für überholt. Das Einsparvolumen ist relativ gering, die Gefahr, dass Arzneimittelfälschungen in den deutschen Markt eingeschleust werden, relativ groß. Nur die Arzneiimporteure selbst glauben noch daran – na, das müssen sie auch – und haben eine Auftragsstudie neu aufgelegt, die zeigen soll, wie viel dank Importen eingespart wird. Danach sollen es 222 Mio. Euro im vergangenen Jahr gewesen sein. Mein liebes Tagebuch, egal, was davon zu halten ist: Angesichts von GKV-Arzneimittelausgaben von weit über 30 Milliarden Euro verpufft der Importspareffekt – und bringt mehr Risiken als Nutzen.

Der Skonti-Prozess, den die Wettbewerbszentrale gegen den Pharmagroßhändler AEP angestrengt hat, wird das Rabatt- und Skonto-Gefüge vermutlich noch kräftig beuteln. Was ist großhandelsüblich? Wie viel Skonto darf’s denn nun sein? Wird’s in Zukunft überhaupt noch Skonto geben? AEP zeigt sich erst mal sicher, dass sie den Prozess gewinnen werden. In vier bis fünf Jahren wissen wir mehr, mein liebes Tagebuch. Und bis dahin – gibt’s Skonto.

27. Januar 2015

Das Versandhandelsverbot hat lange gehalten in Österreich, aber ab Juni werden sich unsere Kolleginnen und Kollegen im Alpenland auch mit der Versandhandelskonkurrenz herumschlagen müssen. Dann wird es auch im einst glücklichen Austria OTCs im Online-Handel geben – und zu ruinösen Niedrigpreisen. Aber die österreichischen Apotheker haben vorgebaut und schon vor knapp einem Jahr ein Click&Collect-System installiert: Unter Apodirekt können die Kunden Arzneimittel im Internet vorbestellen und in ihrer Apotheke, sofern sie mitmacht, abholen – ein bisschen Internet und online, aber nicht wirklich. Soll aber angeblich zufriedenstellend angenommen worden sein. Hhm, mein liebes Tagebuch, ob dieses System aber gegen die bequeme Nach-Hause-Lieferung der Versandapos bestehen wird? Putziger ist da schon, dass die österreichischen Apotheker von ihrer Regierung verschärfte Regeln für den liberalisierten OTC-Onlinehandel erwarten und sich vorstellen, dass Webshop-Betreiber z. B. in einen „Nachtdienstausgleichsfonds“ einzahlen sollen. In der Vergangenheit war das österreichische Gesundheitsministerium seinen Pharmazeuten in aller Regel sehr gewogen, aber dieses Mal?

28. Januar 2015

Längst überfällig: ein Antikorruptionsgesetz im Gesundheitswesen. Jetzt liegt ein Referentenentwurf vor. Es war ja wirklich zum Teil abenteuerlich, welche Geldbeträge, Sachgeschenke und Vergünstigungen von Big Pharma geflossen sind – meist an Ärzte, aber auch an Apotheken. Und schon wird darüber diskutiert, ob auch die an Apotheken gewährten Skonti unter das Antikorruptionsgesetz fallen. In der Begründung zum Gesetzentwurf finden sich Hinweise, dass Preisnachlässe zwar zulässig sind, aber nicht, wenn damit die gesetzlichen Preisvorschriften umgangen werden. Tja, und ab welcher Skonti-Höhe wird es dann „unlauter“ und strafbar für Apotheken sein? Angeblich wollen die Ministerien die maximale Skonto-Grenze definieren, bis zu der es ungefährlich ist. Wird sich damit womöglich auch der AEP-Streit mit der Wettbewerbszentrale erledigt haben? Mein liebes Tagebuch, Korruptionsbekämpfung ist gut, aber mal von einer Metaebene betrachtet: Der Apothekerberuf wird immer seltsamer. Soll, nein, kann der Apotheker überhaupt noch Kaufmann sein? Welche Bedeutung haben die beiden vorgeschriebenen Buchstaben „e.K.“ hinter seinem Namen überhaupt noch? Was macht ein Kaufmann, der nicht kaufmännisch handeln kann? Wenn das so weitergeht, dann wird alles bis ins Detail vorgeschrieben sein: Wann und wieviel Rabatt es gibt, wie hoch das Skonto sein darf, wieviel die Kassen bekommen.

Nochmal zum Skonti-Streit. Unsere beiden Ministerien, das für Wirtschaft und das für Gesundheit, spielen Radio Eriwan: „Skonti sind im Prinzip erlaubt, aber…“,  heißt es von dort. Ist doch super, oder? Jetzt wissen wir genau Bescheid. Rechtlich verbindliche Auskünfte gibt es nicht. Mein liebes Tagebuch, dass das Skonto-Thema mal so schwierig werden würde, hätte man sich nie träumen lassen. Brauchen wir im Pharmaziestudium bald noch zwei Semester Betriebswirtschaftslehre? 

Prima, Armin! Mein liebes Tagebuch, ob ARMIN wirklich so prima läuft, wissen wir nicht. Aber PRIMA soll ein neues Projekt unter Federführung der ABDA werden und ARMIN unterstützen. Denn PRIMA steht ganz einfach für „Primärsystem-Integration des Medikationsplans mit Akzeptanzuntersuchung“. Alles klar? Mit dem Projekt, an dem auch die Apothekerverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen von Sachsen und Thüringen, die Krankenkassen AOK Plus, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die FU Berlin beteiligt sind (ob das was werden kann, wenn so viele mitreden?), soll untersucht werden, wie der Medikationsplan bei Patienten, Ärzten und Apothekern akzeptiert wird. Vorab wird die ABDA noch untersuchen, ob die Patienten den Medikationsplan überhaupt lesen und verstehen können. Mein liebes Tagebuch, klar können das die Patienten, oder? Aber egal, man kann’s ja mal untersuchen. Das Schönste daran: Die ABDA bekommt Fördergelder vom Bundesgesundheitsministerium für Vor- und Hauptuntersuchung. Also, dann mal los. Der Medikationsplan entwickelt sich zum Jahrhundertwerk.

29. Januar 2015

Aufgepasst, mein liebes Tagebuch, am 16. März 2105 geht die Welt unter! Denn dann gibt’s ellaOne, eine „Pille danach“, auch in deutschen Apotheken ohne Rezept. Die Frauenärzte werden wehklagen, die Apotheken zittern vor ihrer ersten Beratung. Und das Bundesgesundheitsministerium wird vermutlich noch an der Änderung der Verschreibungsverordnung arbeiten, damit auch die zweite „Pille danach“, die mit Levonorgestrel, rezeptfrei abgegeben werden darf. Und dann sollte das Ministerium bis dahin noch regeln, dass Mädchen und Frauen unter 20 die Präparate von der Kasse erstattet bekommen – wenn sie zuvor beim Arzt waren und ein Rezept bekommen haben. Und damit auch bei Apothekers alles geordnet abläuft, hat die Bundesapothekerkammer ihre zwölfseitige „Handlungsempfehlung für die rezeptfreie Abgabe von Notfallkontrazeptiva“ vorgelegt. Puh, das war gerade noch rechtzeitig. Na, dann ist die Welt doch wieder in Ordnung. Von wegen, meint Kammerpräsident Lutz Engelen, denn das suggeriert, dass es OTC-Arzneimittel erster und zweiter Ordnung gibt, solche mit Handlungsempfehlungen und solche ohne. Und die ohne könnten eines Tages in den Supermarkt wandern.

30. Januar 2015

Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet: ABDAs Vorzeigeprojekt-Herzinsuffizienzstudie Pharm-CHF. An 2060 Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz wollte man zeigen, was es bringt, wenn sie an einem Programm teilnehmen, mit dem die Einnahmetreue verbessert und Arzneimittelrisiken vermindert werden. Man wollte wissen, ob sich Krankenhausaufenthalte und Sterblichkeit reduzieren lassen, wenn die Patienten intensiv in Apotheken und Arztpraxen begleitet werden. Eigentlich kein schlechter Ansatz, außerdem gab’s für die teilnehmenden Apotheken und Arztpraxen ein kleines Extrahonorar. Im März 2015 hätte die Studie abgeschlossen werden sollen. Jetzt wird die Reißleine gezogen, denn: Viel zu wenige Patienten, viel zu wenige Ärzte, viel zu wenige Apotheken machten mit. Die Studie wird nun auf kleiner Flamme bis Dezember 2016 zu Ende gekocht und die Ergebnisse kommen 2017 auf den Tisch. Na ja, ein wenig günstiger wird die Rechnung dann auch, statt 3,25 Mio. soll die Studie nur 2,6 Mio. Euro kosten (die ABDA hatte 1,8 Mio. beigesteuert). Mein liebes Tagebuch, im Prinzip ist so eine Studie wirklich nicht schlecht, wenn man mal zeigen könnte, ob und wie sich die Arbeit in Apotheken auf die Gesundheit der Patienten auswirkt. Aber es hätt‘ halt auch was rauskommen sollen. Na, dann halten wir’s mit dem ABDA-Präsidenten, der sagte: Es wäre falsch, die beiden Projekte als schicksalhaft für die Apotheker zu bezeichnen. Ich glaube an den Erfolg, würde mich aber auch von Misserfolgen nicht vom Kurs abbringen lassen.“ Also, dann volle Kraft voraus – oder?

Richtig, Herr Becker: Das Apothekenhonorar ist nicht schuld am Anstieg der GKV-Ausgaben 2014. Gut, dass Sie das mal laut und deutlich gesagt haben. Jetzt, wo die KKH Alarm schlägt wegen gestiegener Arzneimittelausgaben. Im Gegenteil, nur mithilfe der Apotheken konnten die Krankenkassen auch im letzten Jahr Rekordeinsparungen durch Rabattverträge realisieren, wobei diese Einsparungen noch nicht in die Schlussrechnung mit eingeflossen sind. Und was man auch wieder mal sagen sollte: Die Apotheken haben für ihre Rabattvertragsunterstützung keinen Cent extra bekommen, aber eine Menge Mehrarbeit geleistet. So sieht die Rechnung aus.

Jahrelang tat sich nichts in Sachen Korruptionsbekämpfung, jetzt gibt’s gleich zwei Gesetzentwürfe dazu: der eine aus dem Justizministerium, der andere kommt aus Bayern. Mit ihm befasst sich der Bundesrat bereits am 6. Februar, noch bevor das Bundeskabinett dem vor wenigen Tagen vorgelegten Entwurf des Bundesjustizministers Heiko Maas (SPD) zugestimmt haben wird. Der bayerische Entwurf ist in einigen Punkten ein wenig anders gestrickt. So sollen im Zuge von Ermittlungen wegen des Verdachts auf Korruption Apotheker und Ärzte nicht von der Polizei abgehört werden dürfen. Zur Skonti-Problematik findet man dagegen in der Begründung des bayerischen Entwurfs nichts. Mein liebes Tagebuch, ein Gesetz wird kommen.

31. Januar 2015

Nichts Rosiges aus der Gesundheitspolitik auf dem 7. Zukunftskongress des Apothekerverbands Nordrhein im alten Plenarsaal des Bundestags in Bonn. Oder im Klartext des CDU-Politikers Rüddel: Es gibt nicht mehr Honorar für Apotheker, auch keine jährliche Überprüfung oder Anpassung. Es sei denn, man könnte vielleicht eine gestiegene Beratungsleistung, einen gestiegenen Beratungsbedarf nachweisen. Aber keine Sorge, Ihr Apothekers, Eure Zeit wird kommen, denn der Beratungsbedarf steigt und steigt. Ha, ha, mein liebes Tagebuch, bei so viel politischem Verständnis kommt einem doch das Frühstück wieder hoch. Immerhin das Eingeständnis des CDU-Politikers zum Schlingerkurs bei der „Pille danach“: „Das war keine Glanzleistung der CDU. Aber das Thema ist jetzt abgehakt, wir sind wieder sprachfähig.“ Und wann finden die CDUler die Sprache beim Apothekenhonorar wieder?


Peter Ditzel