Neue Vorgaben der EU

Rückrufe: Nicht über das Ziel hinausschießen

Remagen - 06.02.2015, 15:25 Uhr


Rückrufaktionen von Arzneimitteln sind ein heikles Thema. Zum einen müssen die Patienten und Verbraucher vor Präparaten, deren Qualität nicht einwandfrei ist, geschützt werden. Zum anderen rechtfertigt nicht jede Beanstandung gleich einen Rückruf. Der Problemkreis hat in letzter Zeit unter dem Aspekt der zunehmenden Lieferverknappungen eine zusätzliche Dimension erhalten. Nicht immer gibt es bei einem Rückruf eine adäquate Alternative für die Patienten. Dem wurde unlängst auf EU-Ebene Rechnung getragen. In Zukunft sollen Entscheidungen über Rückrufe noch stärker risikobasiert getroffen werden.

Wie die Inverkehrbringer von Arzneimitteln mit Beanstandungen und Rückrufen umgehen sollen, ist im GMP-Leitfaden der EU geregelt, genauer gesagt in dessen Kapitel 8. Dieses Kapitel wurde erheblich erweitert, zudem wurden umfangreiche Änderungen vorgenommen. Ziel ist ein gründliches und zügiges, aber trotzdem besonnenes Vorgehen bei solchen Fällen.

De facto sollen bei der Untersuchung der Validität und des Ausmaßes von Qualitätsmängeln oder Beanstandungen die Grundsätze des Qualitäts-Risikomanagements angewandt werden. Neben einer angemessenen  Ursachenforschung werden klare Entscheidungsprozesse gefordert. Sie sollen sich an dem Risikograd orientieren, der von dem Qualitätsmangel ausgeht, sowie an dem Ausmaß der Abweichung von der Zulassung oder von den GMP-Regeln. „Nicht gleich über das Ziel hinaus schießen“ heißt demnach die Devise. Maßnahmen sollen einen Fehler nicht nur korrigieren, sondern auch vorbeugen, damit ein Problem nicht wieder auftritt. Die Effektivität dieser Maßnahmen sollte überprüft und bewertet werden.

Außerdem sollen die Hersteller und Zulassungsinhaber die Kontinuität der Lieferung kritischer Arzneimittel gewährleisten, zu denen es eventuell keine Alternative gibt. Jede Entscheidung, eine risikomindernde Maßnahme nicht auszuführen, die normalerweise erforderlich wäre, sollte aber im Voraus mit der zuständigen Behörde vereinbart werden.

Der EU-GMP-Leitfaden ist in der Europäischen Union das maßgebliche Dokument für die Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln. Er beschreibt die GMP-Anforderungen für Fertigarzneimittel und Wirkstoffe und hat derzeit 19 Anhänge, die sich auf bestimmte Verfahren oder spezielle Arzneimittelgruppen, wie pflanzliche Arzneimittel oder Radiopharmazeutika beziehen. Die Europäische Kommission macht den Leitfaden in englischer Sprache bekannt. Auf Basis der nationalen Arzneimittel-und Wirkstoffherstellungsverordung (AMWHV) veröffentlicht das Bundesministerium für Gesundheit offizielle deutsche Übersetzungen und implementiert diese damit in Form einer Rechtsverordnung. Das neue Kapitel ist ab dem 1. März 2015 anzuwenden.


Dr. Helga Blasius