Frühe Nutzenbewertung

G-BA setzt Beschluss zu Glybera aus

16.04.2015, 17:35 Uhr

Der G-BA überschreitet Frist - um die Patientensicherheit zu schützen. (Foto: G-BA)

Der G-BA überschreitet Frist - um die Patientensicherheit zu schützen. (Foto: G-BA)


Berlin - Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat die Beschlussfassung für das Nutzenbewertungsverfahren für erste Gentherapiemedikament Glybera® (Wirkstoff: Alipogentiparvovec) vorläufig ausgesetzt. Erstmalig seit Beginn der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln wurde in diesem Fall eine gesetzlich vorgesehene Bewertungsfrist überschritten. Grund sind erst jetzt bekannt gewordene mögliche Risiken des Arzneimittels.

Bei Orphan Drugs gilt der Zusatznutzen bis zum Erreichen einer Umsatzgrenze von 50 Millionen Euro durch die Zulassung als belegt. Der G-BA entscheidet im Rahmen der Nutzenbewertung lediglich über das Ausmaß des gesetzlich bereits angenommenen Zusatznutzens. Für Glybera®, einem Orphan Drug zur Behandlung der Stoffwechselerkrankung Lipoproteinlipasedefizienz (LPLD), das von einem niederländischen Biotech-Start-up-Unternehmen entwickelt wurde, hätte der G-BA heute den entsprechenden Nutzenbewertungsbeschluss fassen müssen.

Dass es jetzt zu der ungewöhnlichen Aussetzungsentscheidung gekommen ist, begründet der G-BA damit, dass ihm erst am 14. April 2015 bekannt wurde, dass der zuständige Rapporteur der europäischen Zulassungsbehörde EMA in einem Bericht vom 8. April 2015 mitgeteilt hat, dass er nach Auswertung der Follow-Up-Daten 2014 ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis für den Wirkstoff sieht. Das zuständige Beschlussgremium der EMA (CHMP) befasst sich kommende Woche mit möglichen Folgerungen aus dem Rapporteursbericht.

Josef Hecken, Vorsitzender des G-BA und des G-BA-Unterausschusses Arzneimittel, erklärte: „Auch wenn wir mit der Aussetzung des Verfahrens die gesetzliche Verfahrensfrist verletzen, ist die Entscheidung aus meiner Sicht richtig und alternativlos. Der Schutz der Sicherheit von schwerkranken Patientinnen und Patienten hat absoluten Vorrang“. Offenbar seien die Feststellungen des Rapporteursberichts „gravierend“. Auch wenn es sich nur um ein Bewertungsergebnis handele, wäre es unverantwortlich, dem Wirkstoff aufgrund der Privilegierung für Orphan Drugs vor der anstehenden Empfehlung des CHMP einen Zusatznutzen auszusprechen, so Hecken. Damit würde ein möglicherweise falsches Signal an Patienten und Verordner gesendet, die sich an den Beschlüssen des G-BA orientierten.

Befremdet zeigte sich Hecken über den Umstand, dass der G-BA über die für die Nutzenbewertung wichtigen Umstände erst einige Tage nach der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC unterrichtet wurde. Bereits in der 15. Kalenderwoche hatte der amerikanische Zulassungsinhaber in einer ad-hoc-Meldung die Börsenaufsicht mit Blick auf mögliche Geschäftsrisiken unterrichtet. Doch erst am 14. April sei eine Meldung an den G-BA erfolgt: „Ich hätte erwartet, dass angesichts des Wissens um das beim G-BA laufende Bewertungsverfahren zumindest eine zeitgleiche Unterrichtung von Börsenaufsicht und G-BA erfolgt, denn der Patientenschutz ist für mich in solchen Fällen wichtiger als mögliche geschäftspolitische Imponderabilien“, so Hecken.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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