Alternativer Drogen- und Suchtbericht

BtMG: Mehr Schaden als Nutzen

18.05.2015, 14:15 Uhr

Der Alternative Drogen- und Suchtbericht stellt der Drogenpolitik kein gutes Zeugnis aus. (Bild: Heiko Küverling/Fotolia)

Der Alternative Drogen- und Suchtbericht stellt der Drogenpolitik kein gutes Zeugnis aus. (Bild: Heiko Küverling/Fotolia)


Berlin - Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) ist dringend reformbedürftig: Es verfehlt sein Ziel, Menschen und die Gesellschaft vor den Folgen von Sucht zu schützen, und richtet massive Schäden an. Zu diesem Ergebnis kommt der 2. Alternativen Drogen- und Suchtbericht, der heute in Berlin vorgestellt wurde.

Hinter dem Alternativen Drogen- und Suchtbericht stehen drei Verbände: der akzept e.V. - Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik, die Deutsche AIDS-Hilfe und das Selbsthilfe-Netzwerk JES Bundesverband. Die Herausgeber wollen das Thema in dem Bericht breit darstellen – von Alkohol und Tabak über Cannabis bis Heroin – und damit nach ihren eigenen Worten dazu beitragen, Irrtümer in der Drogenpolitik zu korrigieren und Erkenntnisse der Sucht- und Präventionsforschung in dauerhaft erfolgreiche Maßnahmen zu übersetzen.

Dazu hält der Bericht eine Reihe von Aufsätzen unterschiedlicher Fachleute zu drei großen Themenkreisen bereit. Im Kapitel „Das Betäubungsmittelgesetz gehört auf den Prüfstand“ kommt beispielsweise der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir zu Wort. Ein anderer wohlbekannter Autor ist Prof. Dr. Gerd Glaeske. Sein Thema: „Ritalin und Co. ohne Rezept – Gefahren aus dem Internet“.

Bisherige Drogenpolitik ist gescheitert

Von welcher Seite man sich nun nähert – für die Herausgeber des Berichts ist klar: Verbotspolitik und Repression sind im Bereich der Drogen gescheitert. „Es fehlt der Drogenpolitik der Bundesregierung an strategischen, innovativen und substanzübergreifenden Konzepten sowie konsistenten Aktionsplänen“, heißt es im Vorwort von Prof. Dr. Heino Stöver, Vorstandsvorsitzender von akzept e.V. und Direktor des Instituts für Suchtforschung der Frankfurt University of Applied Sciences, und Dirk Schäffer von der Deutschen Aids-Hilfe. Des Weiteren betonte Stöver: „Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel. Wir brauchen jetzt den Schritt vom erfolglosen Verbot zu einer wirkungsvollen Regulierung.“ Es sei längst bekannt, welche Maßnahmen wirken. Viele Probleme ließen sich etwa mit einer staatlich kontrollierten Abgabe von Drogen lösen.

Drogenverbote verhinderten Drogenkonsum und -handel hingegen nicht. Sie verdrängten das Geschehen lediglich ins Verborgene, wo es schwer ist, einzuwirken und Hilfe anzubieten. Die Strafverfolgung, die im BtMG verankert ist, habe weitere massive schädliche Auswirkungen: So zögen organisierte Kriminalität und horrende Schwarzmarktpreise Beschaffungskriminalität nach sich. Zudem steige in Haft die Wahrscheinlichkeit, sich mit HIV oder HCV zu infizieren – unter anderem weil keine sauberen Spritzen zur Verfügung stehen. Nicht zuletzt verschwende die aufwändige Strafverfolgung von Konsumierenden enorme Summen Steuergelder. Diese könnte man aus Sicht der Verbände wirkungsvoller einsetzen.

Neue Ansätze

Eine zeitgemäße Drogenpolitik muss aus Sicht der BtMG-Kritiker das Ziel haben, das Leben der Abhängigen und ihre Gesundheit zu schützen (Prinzip der Schadensminimierung). Dafür gelte es zu akzeptieren, dass manche Menschen Drogen konsumieren. Entsprechende Ergänzungen des BtMG seien bislang nur Stückwerk, weil Strafe das leitende Prinzip geblieben sei. Es werden verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen, wie es anders gehen könnte.

So sollte es eine staatlich kontrollierte Produktion und Distribution von Cannabis-Produkten geben. Weiterhin sollte der Zugang zu Diamorphin (pharmazeutisch erzeugtem Heroin) ausgebaut werden – nach dem Vorbild der Schweiz. Auch sollten bundesweit einheitliche Drogenmengen zum straffreien Eigenbedarf festgelegt werden. Plädiert wird ferner für Drug-Checking-Angebote zur Untersuchung der Zusammensetzung von Drogen.

In Justizvollzugsanstalten sollten Abhängige Zugang zu Konsumutensilien wie sterilen Spritzen und Zubehör erhalten. Überdies sollten die rechtlichen Rahmenbedingungen für Substitutionsärzte verbessert werden. Substitutionsbehandlungen müssten im Modell „Therapie statt Strafe“ bundesweit zuverlässig als Therapie anerkannt werden. Nicht zuletzt könnten auch Drogenkonsumräume helfen – wenn sie bundesweit zur Verfügung stünden.

Den 2. Alternativen Drogen- und Suchbericht finden Sie hier als pdf zum Herunterladen.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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