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Wir müssen draußen bleiben – beim Medikationsplan auf Papier. Klingt nicht gut. ABDA-Schlappe. Andererseits, mein liebes Tagebuch, lass sie doch, die Ärzte, sich mit den Papierausdrucken rumärgern. Noch ist nichts verloren. Vielleicht kommen sie alle reumütig auf uns Apothekers zurück. Aber dann! Andererseits: So richtig überzeugt mit all dem Medi-Gedöns hat unsere Berufsvertretung die Politik wohl doch nicht. Auch kein Wunder: Wir Apotheker sind ja erst 2030 (fix und) fertig, die Ärzte können Medikationspläne schon jetzt. Das muss honoriert werden.
26. Mai 2015
Der Dämpfer der Woche: Laut eHealth-Gesetz werden die Apotheker beim Medikationsplan erst mal so gut wie keine Rolle spielen. Wenn ab Herbst 2016 den Patienten mit drei und mehr regelmäßig einzunehmenden Arzneimitteln ein Medikationsplan zusteht, dann machen das die Ärzte. Basta. Und sie bekommen dafür sogar ein Honorar. Nochmal basta. Allenfalls später, bei Aktualisierungen des Medikationsplans, können auch Apotheker mitwirken, „soweit Veranlassung dazu besteht“. Und natürlich ohne Honorar, versteht sich. Ha, ha, ha, mein liebes Tagebuch, jetzt sind wir endgültig die Deppen der Nation. Muss man es jetzt so sehen: Wenn es um die Arzneimitteltherapie der Patienten geht, sind Apotheker für die Politiker keine Heilberufler, sondern Logistiker, die nur dafür zu sorgen haben, dass die flächendeckende Versorgung geregelt ist. Für alles andere gibt es die Ärzte. Vor diesem Hintergrund können wir unser hart errungenes Positionspapier 2030 gleich in die Tonne kloppen. Und mit ihm alle Träume, Wunschvorstellungen und Höhenflüge in Richtung Medikationsanalyse, Medikationsmanagement und Arzneimitteltherapiesicherheit. Wir bleiben die ewigen Handlanger und Lageristen, die nur Anweisungen von Kassen und Ärzten auszuführen haben. Und falls wir doch mal was dokumentieren dürfen, ist alles schon im Honorar enthalten. Mein liebes Tagebuch, es bleibt für mich unverständlich, dass die Politik den Sachverstand von Arzneimittelspezialisten so ignoriert und mit Füßen tritt.
Die Kammer Hessen erinnert in einem Newsletter daran, im Kundengespräch auf Diskretion zu achten. Ist nicht verkehrt, ab und an daran zu erinnern. In der einen oder anderen Apotheke fehlt’s da sicher noch. Oft sind es Kleinigkeiten, mit denen man einem Kunden ein Mehr an Diskretion bieten kann. Mein liebes Tagebuch, auch wenn einem das angesichts aller Posts auf Facebook, Twitter und Google Plus, die manchmal das gesamte Privatleben nachvollziehen lassen, angesichts aller Gesundheits-Apps und Wearables, die Dritten alle Krankheitsdaten frei Haus liefern, schon manchmal schizophren vorkommen muss: Der Einzelne entscheidet darüber, was er veröffentlicht und was nicht. Und wenn er nach dem diskreten Beratungsgespräch in der Apotheke seine Krankheitsgeschichte auf Facebook öffentlich macht, dann ist das seine Sache – nicht die des Apothekers.
27. Mai 2015
Es lässt mir keine Ruhe, mein liebes Tagebuch, nochmal eHealth-Gesetz und Medikationsplan-Desaster: Warum bürdet die Politik den Ärzten, die heute schon überlastet sind, die keine Fünf-Minuten-Medizin, sondern mittlerweile nur noch eine Zwei-Minuten-Medizin praktizieren, warum bürdet sie also den zeitlich arg gebeutelten Ärzten nun auch noch das Ausstellen von Medikationsplänen auf? Pläne, die sie zudem noch auf dem Laufenden halten müssen, indem sie die von den Facharztkollegen gemeldete Medikation nachtragen müssen. Immerhin ist das nicht ohne, so ein Medikationsplan, es ist auch eine Art Therapieanweisung für den Patienten, die aktuell sein muss, die die gesamte Medikation enthalten muss. Daraus können sich sogar rechtliche Konsequenzen ergeben, wenn die Dokumentation fehler- und mangelhaft ist. Und da Patienten nun bereits ab drei Arzneimitteln einen Anspruch auf einen Plan haben, wird das eine schöne große Zahl an Patienten sein. Und mal so nebenbei gefragt: Wie kommen jetzt eigentlich die Selbstmedikationsarzneimittel in den Plan? Vielleicht sollten die Patienten ihren Arzt bitten (da kommt sicher Freude auf!), die in der Apotheke gekauften Arzneimittel in den Plan zu tippen – wir Apothekers haben ja vorerst keinen Zugang dazu, allenfalls wenn der Plan in die elektronische Gesundheitskarte übernommen ist. Mein liebes Tagebuch, aber vielleicht hat das alles auch was Positives: Lass die Ärzte mal ihre Erfahrungen mit dem Plan machen – die Stiftung testet mit Sicherheit mal ein paar Pläne...
Auf einmal ging alles ruckzuck und das Bundeskabinett hat das eHealth-Gesetz beschlossen. Dem Bundesgesundheitsminister ging das ganze Gedöns um die elektronische Gesundheitskarte (eGK) zu langsam voran. Was man verstehen kann. Über zehn Jahre lang sind Bedenkenträger und Verhinderer samt Datenschützer am Werk und bremsen den Einzug neuer Übertragungswege und Medien im Gesundheitswesen. Neben dem Medikationsplan, der auch in die eGK aufgenommen werden soll, wird es also bald die elektronische Patientenakte geben. Die Notfalldaten sollen auf die eGK, und Arztbriefe nicht mehr per Post, sondern elektronisch per neuer Telematikinfrastruktur, so sie denn mal steht, übermittelt werden. Und, Achtung, jetzt kommt’s Schmankerl: Die Arztbriefversendung auf dem Telematikweg wird den Ärzten nicht von oben herab einfach so angeordnet, wie man es bei uns Apothekers mit neuen Gesetzen so machen würde. Nein, die lieben Ärzte werden doch freundlichst gebeten, mitzumachen und nach Möglichkeit die neuen elektronischen Strukturen zu nutzen und als Dankeschön dafür, dass sie mitmachen, erhalten sie eine Vergütung von 55 Cent für jeden verschickten Arztbrief. Einfach so, für einen Klick, mit dem auch noch das Porto gespart wird. Ist doch nett von unserem Minister. Und wir Apothekers bitten seit Jahren darum, die viel zu niedrige Gebühr für die Verlust bringende Dokumentation von BtM-Rezepten von 26 Cent auf einen vernünftigen Betrag anzuheben – aber es tut sich nichts. Irgendwas machen wir falsch.
Mal abgesehen davon, ob es gut oder schlecht ist, dass wir beim Medikationsplan nicht dabei sind – entlarvend ist da die Begründung einer Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums, warum die Ärzte eine Extra-Vergütung für den Medikationsplan erhalten: Die Erstellung des Medikationsplans sei für die Ärzte eine neue Aufgabe, die entweder handschriftlich oder per Computer erfolgen müsse. Dafür sei ein Extra-Honorar gerechtfertigt. Die von den Apothekern zu erbringenden möglichen Ergänzungen zum Medikationsplan erfolgten im Rahmen der ohnehin zu leistenden Beratungstätigkeit bei der Arzneimittelabgabe und sind somit bereits mit dem Apothekenhonorar abgegolten. Für die Ärzte also neu und dafür gibt’s Geld, für uns Apothekers kalter Kaffee und dafür gibt’s – nix. Mein liebes Tagebuch, wenn man bisher noch einen kleinen Rest an Hoffnung hatte, dass die Arbeit eines Apothekers irgendwie gewürdigt werde und etwas wert sei – mit solchen Begründungen geht auch der letzte Hoffnungsrest den Bach hinunter.
28. Mai 2015
Dringenden Handlungsbedarf beim Apothekenhonorar hat der Chef des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis, angemahnt. Weitere zehn Jahre könne man nicht warten. Stimmt, Herr Preis. Aber, sieht es nicht ganz danach aus? Ein flüchtiger Blick auf das Elend mit dem eHealth-Gesetz und das Ignorieren der Apotheker lässt nichts Gutes hoffen. Was tun?
Mein liebes Tagebuch, jetzt meldet sich auch noch der Blisterverband zu Wort. Die Blister-Apotheker möchten ein Honorar fürs Verblistern. Tja, das ist vor dem Hintergrund des eHealth-Gesetzes und Medikationsplans so eine Sache. Der Blisterverband begründet die Honorarforderung mit dem Hinweis, dass die Blisterapotheker einen „erwünschten und nachweislichen Mehrwert bei der Versorgungsqualität“ liefern. Mag ja sein, dass es in dem einen oder anderen Fall tatsächlich einen kleinen Mehrwert gibt. Das Dumme dabei ist nur: Sie haben das Verblistern selbst eingeführt – die Politik hat’s nicht verlangt, es gab nie eine Honorarzusage. Die Blisterapotheker bieten ihre Dienste aus Wettbewerbsgründen an. Jetzt nehmen die Heime die Annehmlichkeiten gerne wahr, aber keiner will’s bezahlen. Schief gelaufen.
29. Mai 2015
Zum Wochenende hat die ABDA ihre Meinung zum eHealth-Gesetz fertig. Und wir lernen: Ein Medikationsplan ohne Medikationsanalyse macht keinen Sinn, meint die ABDA-Stoßrichtung. Da aber so eine Medikationsanalyse eine aufwendige pharmazeutische Leistung sei, die nicht kostenfrei erbracht werden könne, sei sie nicht in den Regierungsentwurf gekommen. Vermutet die ABDA. Eine gravierende Lücke, die, so hofft die ABDA, im Lauf des parlamentarischen Verfahrens noch geschlossen wird. Ach ja, ABDA, damit wird’s wohl nicht getan sein.
Mein liebes Tagebuch, unsere Berufsvertretung wird sich eingestehen müssen: So wie es derzeit aussieht, hat sie mit ihrem Konzept aus Medikationsplan, -analyse und -management nicht überzeugt. Jedenfalls nicht so, wie sie es angegangen ist. Will das ganze Medi-Gedöns die Politik, die Gesellschaft, wollen das alles die Patienten vom Apotheker? Oder haben das alles nur wir Apothekers gewollt und glauben nur wir, die Gesellschaft will es? Sind die Konzepte, mit dem die ABDA die Patienten beglücken will, viel zu kompliziert und abgehoben? Zu unausgegoren? Und überhaupt: Wenn wir Apothekers erst noch Curricula absolvieren müssen, um das alles zu leisten, laut eigenem Positionspapier erst bis 2030 die Marktreife haben, die Ärzte dagegen aus dem Stand die Medikationspläne erstellen können – tja, was soll man davon halten?
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