Europäische Bürgerinitiative „Stop Vivisection“

Tierversuche nach wie vor unverzichtbar

05.06.2015, 13:35 Uhr

Versuchstiere - ganz lässt sich noch nicht auf sie verzichten, sagt die EU-Kommission. (Foto: vfa)

Versuchstiere - ganz lässt sich noch nicht auf sie verzichten, sagt die EU-Kommission. (Foto: vfa)


Remagen - Auch wenn es noch so wünschenswert wäre, in der präklinischen Forschung ganz ohne Tierversuche auszukommen – noch ist die Zeit nicht reif dafür. Zu diesem Schluss kommt die Europäische Kommission in ihrer Reaktion auf eine Vorlage der Europäischen Bürgerinitiative „Stop Vivisection“ (ECI). ECI hatte gefordert, die europäische Richtlinie 2010/63/EU zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere außer Kraft zu setzen. Stattdessen sollte ein neuer Vorschlag unterbreitet werden, der auf der Abschaffung von Tierversuchen beruht. Für Tiermodelle sei wissenschaftlich nicht einwandfrei nachgewiesen, dass die Ergebnisse tatsächlich für den Menschen relevant sind, so die Begründung. Außerdem wurden erhebliche ethische Einwände geltend gemacht.

In einer aktuellen Mitteilung gibt sich die Kommission zwar auch überzeugt, dass Tierversuche in Europa eingestellt werden sollten – aber den von der Bürgerinitiative verfolgten Ansatz hält sie nicht für geeignet, um dieses Ziel zu erreichen. Der für Arbeitsplätze, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit zuständige Kommissions-Vizepräsident Jyrki Katainen erklärte: „Die Bürgerinitiative ‚Stop Vivisection‘ wurde in einer Umbruchphase ins Leben gerufen. Dank bedeutender technischer Fortschritte geht die Zahl der Tierversuche in Europa nach und nach zurück. Ein vollständiges Verbot von Forschungsarbeiten mit Tieren in der EU wäre jedoch verfrüht und birgt die Gefahr, dass die biomedizinische Forschung in Länder außerhalb der EU verlagert wird."

Fortschritte bei Alternativmethoden reduzieren Tierversuche

In den letzten zehn Jahren hätten technologische Fortschritte die biomedizinische Forschung revolutioniert. Als bahnbrechende Entwicklungen werden alternative Tests, bei denen vor allem Zell- oder Gewebekulturen eingesetzt werden, aber auch computergestützte Verfahren angeführt, die den Bedarf an Tierversuchen verringern. Viele komplexe physiologische und toxikologische Abläufe und Wirkungen ließen sich jedoch in Modellen nach wie vor nicht adäquat darstellen oder durch Alternativen bewerten, so beschreibt die Kommission die derzeitige Sachlage.

Sie ist im Übrigen der Auffassung, dass die Richtlinie zum Schutz der Versuchstiere den Zielen der Initiative nicht im Wege steht. Sie sei vielmehr das richtige Instrument, um diese zu verwirklichen, denn sie gewährleiste ein hohes Schutzniveau für die Tiere. Außer Kraft gesetzt werden soll sie deshalb nach dem Willen der Kommission nicht, aber man werde ihre Wirksamkeit überprüfen, sobald sie lange genug in Kraft war, so die Zusage. Außerdem nennt die Kommission weitere Maßnahmen, mit denen das gemeinsame Ziel weiter verfolgt werden soll. 2016 soll dann eine Konferenz mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft und einschlägigen Interessenvertretern stattfinden, um die Fortschritte zu analysieren.

Hintergrund: Die Europäische Bürgerinitiative

Die im April 2012 eingeführte Europäische Bürgerinitiative (EBI) ist ein wichtiges Instrument, mit dem EU-Bürger die Kommission direkt zum Handeln in Bereichen auffordern können, in denen sie zuständig ist. Für ein entsprechendes Quorum sind allerdings mindestens eine Million Unterschriften aus mindestens einem Viertel der EU-Mitgliedstaaten erforderlich. „Stop Vivisection“ ist seit der Einführung der EBI die dritte Bürgerinitiative, die diese Hürde genommen hat. Die von 1,17 Millionen Bürgern unterzeichnete Initiative war der Europäischen Kommission am 3. März 2015 vorgelegt worden, und sie hat hierzu nun fristgerecht innerhalb von drei Monaten Stellung genommen.


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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