"Tatort" Wien

Tod durch Flusssäure

08.06.2015, 12:30 Uhr

Die Wiener Tatort-Kommissare Moritz Eisner und Bibi Fellner ermitteln nach einem Unfall in einer Chemiefabrik. (Foto: ARD)

Die Wiener Tatort-Kommissare Moritz Eisner und Bibi Fellner ermitteln nach einem Unfall in einer Chemiefabrik. (Foto: ARD)


Stuttgart - Gestern im Wiener "Tatort" stirbt eine junge Frau an den Folgen einer Flusssäureverätzung. Die Säure konnte aufgrund eines Materialfehlers beim Schutzanzug auf die Haut gelangen. Bei der Produktion in Indien wurde geschlampt. Aber kann eine derartige Verätzung tatsächlich tödlich sein?

Flusssäure oder auch Fluorwasserstoffsäure ist im Gegensatz zu anderen Halogenwasserstoffsäuren eine relativ schwache Säure (pKs=3,14). Ihre Tücke liegt darin, dass sie aufgrund ihrer guten Lipidlöslichkeit schnell resorbiert wird und das Gewebe auflöst. Andere Säuren denaturieren schnell die zellulären Proteine. Diese „Eiweißklumpen“ verhindern, dass die Verätzung tiefer ins Gewebe und in die Blutzirkulation vordringt. Bei Flusssäure ist das  – ebenso wie bei Verätzungen mit Lauge – nicht der Fall. Sie dringt schnell tief ins Gewebe ein. So können äußerlich relative kleine Verätzungen tiefere Gewebsschichten bis hin zum Knochen nachhaltig schädigen. Zu der ätzenden Wirkung stört Flusssäure massiv den Elektrolythaushalt, da es unter anderem mit dem körpereigenen Calcium reagiert und es so dem Körper entzieht. In der Folge kommt es zu Herz-Rhythmus-Störungen bis hin zum Kreislaufzusammenbruch mit Leber- und Nierenversagen. Letzteres führte letztendlich auch zum Tod der jungen Frau. Eine handtellergroße Verätzung mit Flusssäure ist in der Regel tödlich.

Wie reagiert man?

Die Kleidung vom Leib reißen und sich unter die Notdusche stellen, wie es im Tatort gezeigt wurde, ist die richtige Reaktion. Das Wasser verdünnt die Säure und spült sie vom Körper. Es gibt, was es im Tatort allerdings nicht thematisiert wurde, auch ein Antidot. Durch schnelles Unterspritzen mit Calciumionen – in der Regel kommt hier Calciumgluconat zum Einsatz – kann dem Eindringen der Flusssäure in tiefere Gewebeschichten entgegen gewirkt werden. Hier macht man sich die Calcium-bindenden Eigenschaften der Fluoridionen zunutze. Diese reagieren mit den Calciumionen zum unlöslichen Calciumfluorid (CaFl2) So wird die Flusssäure neutralisiert. Zudem normalisiert das Calciumgluconat den Calciumspiegel im Blut wieder und beugt so auch den Folgeschäden vor. Für Erste-Hilfe-Maßnahmen vor Ort ist auch ein Calciumgluconatgel verfügbar, alternativ können auch nasse Umschläge mit 20%iger Calciumgluconatlösung aufgelegt werden.

Was nützt die Schutzkleidung?

Nach Recherchen von „Spiegel-online“ hält ein Einmalschutzanzug aus Polypropylen, der für die Arbeit mit Flusssäure geeignet ist, Konzentrationen von 37 Prozent etwa acht Stunden Stand, bei hochkonzentrierter 73-prozentiger Säure sind es etwa zwei Stunden. Allerdings heben schon kleine Abweichungen beim Material oder der Stoffdicke die Schutzwirkung auf. Ein vorschriftsmäßiger Schutzanzug hätte also das Leben der jungen Frau gerettet.

Die Flusssäureverätzung und ihre Folgen, wie sie im Wiener Tatort dargestellt wurden, scheinen also durchaus der Realität zu entsprechen. Fragwürdig ist allerdings der Umstand, dass eine junge Frau, die in der zehnten Woche schwanger ist und von dieser Schwangerschaft weiß, bereit ist, mit hochgefährlichen Chemikalien zu arbeiten.


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