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Kassen fordern AMNOG-Reform
Pharma geht's (in Deutschland) zu gut
Im Vergleich mit 15 anderen europäischen Gesundheitssystemen finden Pharmaunternehmen in Deutschland hervorragende Rahmenbedingungen für Innovationen vor – so lautet das Fazit einer Studie, die Prof. Dr. Reinhard Busse von der Technischen Universität Berlin mit Kollegen im Auftrag des GKV-Spitzenverbands erarbeitet hat. Deutschland hat in der Folge überdurchschnittlich hohe Arzneimittelausgaben. Der Kassenverband sieht Reformbedarf beim AMNOG-Verfahren zur frühen Nutzenbewertung neuer Arzneimittel.
Ziel der Studie war es, die Arzneimittelversorgung auf Grundlage eines systematischen Ländervergleichs anhand ausgewählter Kriterien darzustellen und ein umfassendes Bild der regulatorischen Mechanismen aufzuzeigen, die die Arzneiversorgung prägen. Sie basiert auf Stichproben von 16 europäischen Gesundheitssystemen: Belgien, Dänemark, Deutschland, England, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal, Schottland, Schweden, Spanien und Polen. Als Informationsbasis dienten OECD-Daten, landesspezifische regulatorische Dokumente, publizierte und graue Literatur.
Schneller Marktzugang, hohe Arzneiausgaben
Der Studie zufolge weist die Arzneiversorgung in der deutschen GKV im Vergleich zu den anderen Ländern auch seit der AMNOG-Ära eine nur sehr geringe Verzögerung zwischen Marktzulassung eines neuen Arzneimittels und der tatsächlichen, öffentlich finanzierten Nutzung eines Präparats aus. Die Erstattungsfähigkeit bestehe für praktisch alle Präparate und je Produkt für alle zugelassenen Indikationen, erklärte Busse bei der heutigen Vorstellung in Berlin – während in anderen Ländern häufig Einschränkungen auf bestimmte Indikationen, Patientengruppen oder Facharztgruppen existierten.
Diese vergleichsweise „großzügige“ Erstattungsfähigkeit rezeptpflichtiger Arzneimittel sowie die verhältnismäßig mäßigen Zuzahlungen spiegeln sich laut Busse in sehr hohen öffentlich finanzierten Arzneimittelausgaben wider: Deutschland belege im europäischen Vergleich bei den Ausgaben eine Spitzenposition – selbst unter Einbeziehung der privaten Gesundheitsausgaben. Weil der Anteil an Generika hierzulande auf verhältnismäßig hohem Niveau liegt (75 % der Verordnungen mit 37 % Ausgabenanteil), ist diese Spitzenposition aus Sicht des Studienautors auf das überdurchschnittliche Preisniveau und die Nutzung neuer und teurerer Arzneimittel zurückzuführen.
Subgruppen differenzieren und rückwirkender Erstattungsbetrag
Sowohl Busse als auch Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbands, plädieren daher für eine gezieltere Nutzungssteuerung bei neuen Arzneimitteln. Die Forderung der Kassen: In Deutschland sollte künftig die Erstattungsfähigkeit in einzelnen Patientengruppen vom festgestellten Zusatznutzen abhängen. Da die Nutzenbewertung bereits auf der Ebene von Subgruppen stattfinde, erklärte Busse, lägen die hierfür notwendigen Informationen bereits vor und könnten bei der Entscheidung nicht nur über den Erstattungspreis, sondern auch über die Erstattungsfähigkeit genutzt werden.
Darüber hinaus, kritisierte von Stackelberg, dass Pharmaunternehmen in Deutschland in den ersten zwölf Monaten nach der Zulassung eines neuen Arzneimittels den Preis selbst bestimmen können. Der zwischen GKV-Spitzenverband und Herstellern ausgehandelte Preis müsse künftig rückwirkend vom ersten Tag der Zulassung an gelten, forderte der GKV-Vorstandsvize – zumindest aber ab dem 7. Monat, bei vorliegendem Beschluss zur Nutzenbewertung. „Mit einem rückwirkenden Erstattungsbetrag gäbe es weiterhin Spitzenpreise für Spitzenprodukte, aber keine Mondpreise mehr für Medikamente ohne Zusatznutzen“, so von Stackelberg. Jetzt müsse die Politik den Startschuss geben.
Zur Studie gelangen Sie auf www.gkv-spitzenverband.de.
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