Selbstmedikation in Europa

Deutschland volumenmäßig Platz zwei

Remagen - 09.07.2015, 08:50 Uhr

Selbstmedikation - andere Länder, andere Sitten. (Foto: Schelbert)

Selbstmedikation - andere Länder, andere Sitten. (Foto: Schelbert)


Unter dem Strich stagnierte der Selbstmedikationsmarkt im Jahr 2014 in wichtigen europäischen Ländern. Aber die Situation ist sehr heterogen. Das zeigt die dritte Auflage des „Observatoire Européen sur l'automédication“, die der französische Verband der pharmazeutischen Industrie für eine verantwortliche Selbstbehandlung (Afipa) vorgelegt hat. Die von Celtipharm durchgeführte Studie vergleicht die Situation in acht Ländern (Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Schweden und Spanien) anhand der Analyse verschiedener Kriterien und Indikatoren.

Spitzenreiter bezüglich des Anteils der Selbstmedikation am Gesamtmarkt nach Volumen ist nach der neuen Erhebung Großbritannien mit knapp 58 Prozent, gefolgt von Deutschland mit rund 45 Prozent und Schweden (ca. 41%). Länder wie Frankreich, Italien und Spanien hinken hier mit etwa 15 Prozent oder darunter noch weit hinterher. Nach der Anzahl der selbst gekauften Packungen befindet sich Deutschland mit rund acht in guter Gesellschaft mit Belgien, den Niederlanden und Schweden. Die Briten kauften im letzten Jahr annähernd doppelt so viele Packungen zur Selbsttherapie.

Interessant ist auch ein Blick auf die Durchschnitts-Endverbraucherpreise eines OTC-Medikamentes. Hier liegt Deutschland mit 9,40 Euro (inklusive USt.) an der Spitze, dicht gefolgt von Belgien (8,91 Euro), während Großbritannien (2,69 Euro) und Frankreich (4,58 Euro) das „Tabellenende“ von unten anführen. Zum Vergleich: Eine Einzeldosis Dulcolax 5 mg kostet hierzulande 17 Cent, in Schweden nur 12 Cent, eine Einzeldosis Nurofen 200 mg in Deutschland 37 Cent, in Frankreich nur 10 Cent.

Afipa zieht ernüchterte Bilanz

Aus der Sicht der Afipa fällt die neue Bilanz für das eigene Land wie in den Vorjahren ernüchternd aus: Gerade mal 15,4 Prozent des heimischen Marktes entfallen nach Volumen auf die Selbstmedikation gegenüber einem Schnitt von 32,3 Prozent über alle acht Länder. 32,10 Euro investiert ein Franzose pro Jahr in die Selbstmedikation, eine geringe Summe im Vergleich zu den 45,80 Euro im Durchschnitt der sieben anderen Länder (Deutschland: 79,90 Euro pro Kopf). Dabei wären die Bedingungen für eine positive Entwicklung des Sektors günstig, meint die Afipa – nicht zuletzt wegen des niedrigen Preisniveaus (4,58 Euro im Schnitt pro OTC-Packung im Vergleich zu 6,16 Euro in anderen europäischen Ländern). 

Als leuchtendes Gegenbeispiel wird Spanien angeführt. Trotz wirtschaftlicher Bedingungen, die die Selbstmedikation nicht gerade begünstigen, wächst das Segment dort beständig (11,7% Marktanteil nach Volumen im Jahr 2014; +3% gegenüber 2013). Dieses Ergebnis rechnet die Afipa den politischen und administrativen Maßnahmen zu, die Spanien ab 2012 zur Stützung der Selbstmedikation ergriffen hat.

Schuld ist politische Trägheit

Politische Trägheit verhindere eine solche Entwicklung in Frankreich, glaubt der Präsident der Afipa, Pascal Brossard. „Frankreich bleibt das einzige Land mit einer uneingeschränkten Kostenerstattung“, stellt er kritisch fest. „Unser Modell gefährdet die Nachhaltigkeit des Gesundheitssystems. Obwohl OTC-Arzneimittel erschwinglich sind, begünstigt das System die Kostenerstattung. Dies steht in einem krassen Gegensatz zu den Veränderungen in unserer Gesellschaft und dem zunehmenden Wunsch der Franzosen, ihre Gesundheit mehr selbst in die Hand zu nehmen. Überdies zeigt das Beispiel Spanien, dass ein solcher Umschwung nicht nur möglich, sondern auch unverzichtbar ist.“ Nach Schätzung der Afipa könnten in Frankreich durch die OTC-Freigabe von Arzneimitteln, die in anderen europäischen Ländern bereits ohne Rezept erhältlich sind, rund 535 Millionen Euro eingespart werden.

Das „3ème Observatoire Européen sur l'automédication“ können Sie über diesen Link abrufen.

 


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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