Geänderte AMVV

„Offensichtliches kasseninduziertes Systemversagen“

Stuttgart - 16.07.2015, 09:55 Uhr

Geänderte AMVV: Für Retaxierungen der Krankenkassen gibt es eigentlich keinen Grund. (Foto: contrastwerkstatt/Fotolia)

Geänderte AMVV: Für Retaxierungen der Krankenkassen gibt es eigentlich keinen Grund. (Foto: contrastwerkstatt/Fotolia)


Die jüngsten Änderungen der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) bewegen weiterhin die Gemüter. Seit 1. Juli müssen Rezepte auch den Vornamen sowie die Telefonnummer der verschreibenden Person enthalten. Da zahlreichen Rezepten diese Angaben fehlen, fürchten viele Apotheker Retaxationen der Krankenkassen. Der Geschäftsführer des Apothekerverbands Schleswig-Holstein und des Apothekervereins Hamburg, Dr. Thomas Friedrich, erläutert in der aktuellen DAZ die Neuerung. Für Retaxationen sieht er keinerlei Veranlassung – gleichwohl sieht er durchaus die Gefahr, dass sie kommen könnten.

Bei den nun neu geforderten Angaben handle es sich um Informationen, „die dazu dienen, die verschreibende Person leichter kontaktieren zu können. Nicht mehr und nicht weniger“, so Friedrich. Die Ergänzungen zielten auf die verbesserte Kommunikation zwischen Arzneimittel-verschreibender und Arzneimittel-abgebender Person, was auch eine langgehegte Forderung der Apothekerschaft war.

Friedrich betont, dass die AMVV „den Inhalt eines Rezepts als Legitimationsgrundlage“ definiert, die in der Regel vor Abgabe des Arzneimittels in der Apotheke vorliegen muss. Ob diese Inhalte auf das Rezept geschrieben, gedruckt oder gestempelt werden müssen oder dürfen, darüber macht die Verordnung keinerlei Angaben.

Solche Formvorschriften regeln die Arzneimittellieferverträge zwischen Krankenkassenverbänden und Apothekerverbänden bzw. die sogenannten Gesamtverträge zwischen den Kassenärztlichen (Landes-)Vereinigungen und den Landesverbänden der Krankenkassen. Dort steht auch, welche Angaben der Arztstempel enthalten muss. Diese Vorgaben seien aber wegen fehlender Anpassung an die AMVV unvollständig und untereinander uneinheitlich, so Friedrich.

Kassen kommen ihrer Aufgabe nicht nach

Friedrich verweist in diesem Zusammenhang auf die zweite Funktion, die ein Rezept neben der Legitimation zur Abgabe haben kann: Im System der GKV dient es zugleich als geldwerter Gutschein. Problematisch ist laut Friedrich nun, dass die Kassen mit den Beteiligten jeweils nur bilaterale Verträge schließen, in denen aber durchaus Vorgaben zulasten Dritter geregelt werden. Da die gesetzlichen Krankenkassen beziehungsweise ihre Verbände ihrer „Scharnierfunktion“ zwischen Ärzten und Apothekern nicht gerecht würden, spricht Friedrich von einem offensichtlichen „kasseninduzierten Systemversagen“.

Dass Krankenkassen trotzdem ein Fehlen von Vorname oder Telefonnummer zum Anlass für Retaxationen nehmen könnten, will Friedrich aufgrund des aktuellen Retaxgebahrens einzelner Kassen nicht ausschließen. Seine Meinung dazu ist aber eindeutig: „Angesichts der Versäumnisse der Krankenkassen bei der Umsetzung der AMVV im GKV-System sollten sich Retaxationen durch die Krankenkassen grundsätzlich verbieten.“

Was kann die Apotheke tun?

Friedrich sieht drei Optionen für die Apotheke, wenn ein unvollständiges Rezept vorgelegt wird:

  1. Die Apotheke kann das Rezept zurückweisen, da es formal ungültig ist.
  2. Die Apotheke kann das Rezept als unklare Verordnung behandeln, die Unklarheiten mit dem Arzt klären und das Rezept ergänzen. Diese Ergänzungen müssen dann von der Apotheke abgezeichnet werden. Friedrich weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Einschränkung der Heilungsmöglichkeiten des Apothekers in der AMVV ausdrücklich nur für den Fall gilt, dass der Arzt nicht erreichbar ist.
  3. Die Apotheke kann das Rezept natürlich an die Arztpraxis zurückreichen. Dann kann die Praxis das Rezept ergänzen (diese Ergänzung sollte vom Arzt abgezeichnet werden) oder ein neues, vollständiges Rezept ausstellen.

Lesen Sie den vollständigen Beitrag von Dr. Thomas Friedrich in der DAZ 2015, Nr. 29, S. 24.


Dr. Benjamin Wessinger (wes), Apotheker / Herausgeber / Geschäftsführer
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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