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Neue AMVV-Vorgaben
Retax-Verzicht der Kassen überhaupt möglich?
Gestern saßen GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband (DAV) wieder an einem Tisch, um eine umfassende Regelung der Retax-Problematik zu finden. Über den Inhalt der Gespräche ist bislang nichts zu erfahren: Man habe sich darauf geeinigt, heißt es von der ABDA-Pressestelle, Inhalt und Fortgang der Gespräche vertraulich zu behandeln. Angesichts der zunehmenden Bereitschaft verschiedener Kassen, bei Rezepten, die nicht den neuen Vorgaben der AMVV entsprechen, vorerst auf Retaxierungen zu verzichten, stellt sich jedoch die Frage, ob ein solcher Verzicht überhaupt möglich ist.
Immer mehr Kassen erklären, bis Ende September auf Retaxierungen zu verzichten, wenn ein Rezept nicht den neuen Anforderungen des § 2 AMVV genügt. Nach Meinung der mit Retaxfragen vertrauten Kölner Rechtsanwältin Dr. Sabine Wesser entsteht dadurch allerdings ein völlig falsches Bild. Ihre Argumentation: Entweder bei den neuen Vorgaben handelt es sich um zwingende Vorgaben, so dass die Abgabe eines Rx-Arzneimittels bei einem Rezept, das diese Vorgaben nicht erfüllt, einen Verstoß gegen § 48 AMG und damit einen Verstoß gegen eine gesetzliche Abgabebestimmung darstellt. Dann kann aber eine Kasse nicht auf die Einhaltung dieser Vorgaben verzichten, denn eine Arzneimittelversorgung, die gegen das Gesetz verstößt, ist weder zweckmäßig oder notwendig noch wirtschaftlich und darf daher von den Kassen nicht vergütet werden (§ 12 Abs. 1 SGB V).
Entweder zwingend oder nicht
Oder die neuen Angaben sind nicht zwingend, um vom Vorliegen einer ärztlichen Verschreibung im Sinne des § 48 Abs. 1 AMG ausgehen zu können – wofür nach Auffassung von Wesser Sinn und Zweck der Verschreibungspflicht sowie der neuen Erfordernisse sprechen. Dann wiederum würde die Abgabe eines Rx-Arzneimittels aufgrund einer vertragsärztlichen Verordnung ohne Vorname des Arztes und/oder Telefonnummer der Praxis bzw. der Organisationseinheit des Krankenhauses oder Versorgungszentrums zur Kontaktaufnahme nicht gegen eine gesetzliche Abgabebestimmung verstoßen. In diesem Fall dürfte die Kasse nur retaxieren, wenn die Apotheke mit der Belieferung einer solchen Verordnung gegen eine vertraglich vereinbarte Abgabebestimmung verstoßen hätte.
Das ist jedoch laut Wesser ebenfalls nicht der Fall: Vertraglich vereinbart ist in den verschiedenen Arzneilieferverträgen, dass das Verordnungsblatt mit dem Aufdruck des Vertragsarztstempels versehen sein muss. Dieses Erfordernis resultiert daraus, dass den Vertragsärzten die Verwendung des Vertragsarztstempels bei der Verordnung von Arzneimitteln zulasten der GKV durch die Bundesmantelverträge vorgeschrieben ist, es sei denn, der Inhalt des Stempels ist auf dem Vordruck an der vorgesehenen Stelle aufgedruckt. Welchen Inhalt der Vertragsarztstempel aufzuweisen hat, ergibt sich nicht aus der AMVV, sondern allein aus den Gesamtverträgen, die die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) mit den Krankenkassen abgeschlossen haben. Die Gesamtverträge wiederum sehen zum Teil die Angabe von Vorname bzw. Telefonnummer im Stempel vor, zum Teil aber auch nicht.
Apotheker haben keine Vornamen-Prüfpflicht
Laut Wesser hat der Apotheker, der gesetzlich Versicherte mit vertragsärztlich verordneten Arzneimitteln versorgt, in Bezug auf das im Arzneiliefervertrag vereinbarte Erfordernis „Vertragsarztstempel“ nur zu prüfen, ob dieser Stempel auf der Verordnung aufgebracht hat. Nicht prüfen muss er, ob der Stempelaufdruck den von der jeweiligen KV vereinbarten Inhalt aufweist. Nur dann, wenn die Gestaltung des Vertragsarztstempels den Verdacht einer Rezeptfälschung aufkommen lässt (weil etwa die im Vertragsarztstempel angegebene Arzt-Nummer nicht übereinstimmt mit der im Personalienfeld des Verordnungsblattes angegebenen Arzt-Nummer), muss der Apotheker handeln und den Verdacht durch Rücksprache mit dem auf dem Verordnungsblatt als Aussteller der Verordnung angegebenen Vertragsarzt ausräumen. Denn gefälschte Verordnungen dürfen nicht beliefert werden, wenn der Apotheker die Fälschung erkennt oder hätte erkennen müssen.
Die Kölner Rechtsanwältin gelangt daher zu dem Ergebnis, dass keine Krankenkasse berechtigt ist, einem Apotheker die Vergütung für von ihm aufgrund vertragsärztlicher Verordnung abgegebenen Arzneimitteln nur deswegen zu versagen, weil auf dem Rezept der Vorname des Vertragsarztes und/oder die Telefonnummer seiner Praxis nicht angegeben waren. Insoweit stellt sich die Frage nach Sinn oder Unsinn des Retax-Verzichts der Kassen. Abzuwarten bleibt, ob und worauf sich Kassen- und Apothekervertreter bei ihren Retax-Gesprächen einigen. Denn jedenfalls in den AMVV-Fällen auf Retaxierungen verzichten wollen die Kassen nach eigenen Angaben schließlich nur bis Ende September.
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