Klinische Forschung

Immer weniger positive Ergebnisse?

Remagen - 12.08.2015, 09:00 Uhr

Wie wirken sich Transparenzpflichten auf Studienergebnisse aus? (Foto: Dreaming Andy/Fotolia)

Wie wirken sich Transparenzpflichten auf Studienergebnisse aus? (Foto: Dreaming Andy/Fotolia)


Die transparenten Standards für die Berichterstattung über klinische Studien könnten dazu führen, dass Studien mit positiven Ergebnissen signifikant abnehmen. Dies haben Forscher der Oregon State University und der US-amerikanischen Bundesagentur für Gesundheitsforschung und Qualität nach einer Sichtung von großen klinischen Studien im Bereich Herz-Kreislauf ermittelt. Ihre Befunde und deren interessante Analyse wurden in der Zeitschrift PLOS ONE vorgestellt.

Die Autoren Professor Veronica Irvin und Dr. Robert M. Kaplan wählten für ihre Erhebung Studien mit einem großen Budget aus, die Mittel vom National Heart, Lung and Blood Institute erhalten hatten. Für diese war die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Ergebnisse tatsächlich publiziert wurden, auch wenn sie vielleicht nicht den Erwartungen entsprachen, so ihre Annahme. Insgesamt nahmen sie 55 Studien unter die Lupe.

Das Ergebnis: Insgesamt 57 Prozent der Untersuchungen zur Bewertung von Medikamenten oder Nahrungsergänzungsmitteln für die Behandlung oder Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen, die zwischen 1970 und 1999 veröffentlicht  wurden, berichteten positive Ergebnisse. Zwischen 2000 und 2012 waren es nur noch acht Prozent.

Seit 2000 ist Schluss mit Rosinen-Pickerei

Das Jahr 2000 markiert deswegen einen Einschnitt, weil von da an neue Berichtsstandards für die klinische Forschung eingeführt wurden. Seither müssen entsprechende Studien an Menschen vor ihrem Beginn in der Datenbank „ClinicalTrials.gov“ registriert werden, und zwar mit einer genauen Angabe der primären und sekundären Ergebnisvariablen. Vorher gab es eine solche prospektive Registrierungspflicht nicht. Das heißt, die Forscher hatten eine größere Chance, eine Reihe von Variablen zu messen und nachher die erfolgreichsten Ergebnisse für die Publikation auszuwählen.  Eine solche „Rosinen-Pickerei“ ist nun nicht mehr so einfach möglich.

Positive Ergebnisse außerhalb des Hauptzielkriteriums

Nach außen hin scheint die klinische Forschung durch die neuen Transparenzpflichten zwar methodisch „besser“ geworden zu sein, aber ist sie deswegen – wie die Zahlen glauben machen – tatsächlich erfolgloser geworden? Dieser Frage sind die Autoren noch genauer auf den Grund gegangen und haben heraus gefunden: Unter den 25 vorangemeldeten Studien mit einer Publikation nach 2000 berichteten zwölf wichtige, positive Effekte für Herz-Kreislauf-bezogene Variablen außerhalb des Hauptzielkriteriums. Fast die Hälfte der Studien hätte ein positives Ergebnis melden können, wenn sie den primären Outcome nicht im Voraus hätte deklarieren müssen. Wäre die prospektive Angabe nicht erforderlich gewesen, so wäre die Anzahl der positiven Studien vor und nach dem Jahr 2000 eventuell sehr ähnlich gewesen, mutmaßen die Autoren.

Sie suchten im Übrigen auch nach anderen Faktoren, die für den scheinbaren Abwärtstrend bei den KliFo-Erfolgen eine Rolle gespielt haben könnten, wie etwa Unterschiede in der Verwendung von Vergleichsmedikation, das heißt Placebo oder etablierte Therapeutika. Hier gab es jedoch keine Unterschiede. Auch Co-Sponsorship seitens der Industrie scheint für positive Ergebnisberichte keine Rolle zu spielen. Vor 2000 wurden solche Beziehungen nach der Analyse nur in einer von 30 Studien offen gelegt, nachher steuerte die Industrie laut Angaben in den Publikationen in 23 von 25 Studien Geld oder auch die Studienmedikation bei. Trotzdem berichteten alle bis auf zwei Null-Ergebnisse.

„Wir wissen nicht, ob die Abnahme an  positiven Ergebnissen auch auf Arzneimittelstudien zur Prävention und Behandlung von Krebs, Diabetes oder anderen Krankheiten zutrifft“, kommentiert die Co-Autorin der Analyse Professor Veronica Irvin  auf der Webseite der Oregon State University, „aber es wäre nicht verwunderlich, da sie die gleichen Berichtsanforderungen haben.“  

Quelle: Kaplan RM, Irvin VL (2015) Likelihood of Null Effects of Large NHLBI Clinical Trials Has Increased over Time. PLoS ONE 10(8): e0132382. doi:10.1371/journal.pone.0132382


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.