Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

30.08.2015, 08:00 Uhr

Rückblick auf die letzte Woche (Foto: imagesab - Fotolia.com)

Rückblick auf die letzte Woche (Foto: imagesab - Fotolia.com)


Sommertheater im Apothekerhaus. Die Laienspielgruppe gibt ihr Stück „Einblick“ zum Besten – eine Tragödie in zwei Akten: Es handelt von heißen Kartoffeln und Rallyefahrten und hat den Untertitel (frei nach Shakespeare): „Was ihr wollt – kriegt ihr nicht“. Mein liebes Tagebuch, die Premiere war nicht berauschend. Egal, es gab noch mehr Theater im Apothekerkino. Mit dabei waren Poltergeist Weigeldt, Sommerlochfüller Glaeske und Karlchen Fliege, ein Gesundheitsminister in spe, der hofft ein Buch zu verkaufen. Und als der Vorhang fiel, gab’s noch einen neuen Preis. Wirklich, mein Tagebuch, ist alles irgendwie verrücktes Kino.

24. August 2015

Frauenärzte, mal hergehört: „Es sind keinerlei, wirklich keinerlei Sicherheitsprobleme aufgetaucht“ – hat er gesagt, unser Präsident, zum Thema Pille danach ohne Rezept aus der Apotheke. Und die Apothekers können das, verantwortungsvoll damit umgehen. Na also, mein liebes Tagebuch, das haben wir doch gleich gewusst. Und was war das im Vorfeld für ein Gerangel! Für ein Zaudern und Zögern. Also, jetzt ist mal gut mit diesem Thema.

 

Huhuhu, da zittern wir alle schon: Dr. Poltergeist Ulrich Weigeldt, Deutschlands Oberhausarzt, droht mit der Forderung nach einem Dispensierrecht für Ärzte nach Schweizer Vorbild – weil unser ABDA-Präsident die von den Hausärzten übernommene Lotsenfunktion der Schweizer Apotheker lobte und als Vorbild für Deutschland nannte. Hach, mein liebes Tagebuch, es gibt sie also noch, die Haudrauf-Berufspolitiker der Ärzte, die Altvorderen, die eine kollegiale Zusammenarbeit mit den Apothekern scheuen wie der Teufel das Weihwasser. So poltert Weigeldt nach alter Manier, dass er es nicht für nötig halte, Apotheken stärker in das Medikationsmanagement einzubinden als es der E-Health-Gesetzentwurf derzeit vorsieht. Mein lieber Herr Hausarzt, wir leben im Jahr 2015, die Aufgaben des Apothekers haben sich ein bisschen verändert, Apotheker können Euch, die lieben Hausärzte, sogar entlasten und unterstützen, unsere Patienten möchten, dass wir beide, Doktors und Apothekers, besser zusammenarbeiten in der Arzneitherapie und: Auch wir haben das Neuland entdeckt, das Internet! Also, vielleicht mal ein bisschen umdenken, gell? Ihre junge Generation kennt das schon!

25. August 2015

Apropos Umdenken. Eine repräsentative Befragung, vom Bundesforschungsministerium in Auftrag gegeben, ergab, dass viele Bürger für moderne Technologien aufgeschlossen sind, wenn es um Gesundheit und Pflege geht. 55 Prozent der Befragten sehen tragbare Minicomputer wie Wearables (z. B. Fitnessarmbänder) und ähnliche neue Medizintechnologien überwiegend positiv. Mein liebes Tagebuch, da bin ich überzeugt, dass diese Zahlen noch wachsen werden – wenn man sieht, wie die junge Generation mit Smartphones als zweites Ich lebt. Es wird selbstverständlich werden, dass eine Apotheke auch eine App anbietet, über die man mit der Apotheke kommunizieren kann. Dabei muss es nicht gleich eine selbst programmierte sein, auch die von den Apotheken-Softwarehäusern und von den Verlagen angebotenen Apps leisten da gute Dienste.

Schon kritischer sehen die Bundesbürger die Telemedizin, bei der sich Arzt und Patient via Internet über Computer mit Webcam austauschen. Aber, mein liebes Tagebuch, auch das wird zunehmen – Ärztemangel auf dem Land, lange Wartezeiten für Sprechstunden werden das antreiben. Die TK erprobt eine Online-Sprechstunde zwischen Arztpraxis und Patient. Gedacht sind die Video-Sprechstunden vor allem für Folgekonsultationen, nachdem Diagnose und Therapie einmal persönlich besprochen wurden. Ist ja auch eine feine Sache, für beide Seiten, wenn ich von zuhause oder von unterwegs zu einem bestimmten Termin mit meinem Arzt „skypen“ und noch offene Fragen klären kann, diskret, ohne Wartezeiten, ohne Fahrzeiten. Die TK belohnt die Ärzte, die mitmachen, mit einem Extra-Honorar (aufgepasst, Herr Weigeldt!). Und DocMorris versucht mit seinem Live-Berater die Apotheke ins Wohnzimmer der Patienten zu bringen. Ob dafür Bedarf ist – man wird sehen. Mein liebes Tagebuch, und was tut sich von offizieller Apothekerseite in Sachen eHealth und neuen Technologien? Außer der Gründung einer putzigen Möchtegern -Network-Group aus ABDA-Mädels und -Jungs mit Smartphone-Pflicht hört man nicht viel.

26. August 2015

Sommer.Loch.Thema: Der Stern hat sein beliebtes Sommer-Sandkasten-Fragespiel mit dem Pharmazieprofessor Glaeske neu aufgelegt: Welche Arzneimittel soll man sich vom Apotheker nicht aufschwatzen lassen? Und, wie schön, der Herr Professor setzt sich in seinen Sandkasten und wirft mit bekannten Förmchen um sich, die ja mittlerweile sicher schon Staatsexamensstoff sind und jeder Apotheker im Schlaf herunterbeten kann: ThomapyrinNeuralginGrippostadWickmedinaitDulcolaxusw. Mein liebes Tagebuch, der Glaeske-Merksatz: Kombis – ganz böse, gell! Und überhaupt, oh Eminenz, wo bleibt die Evidenz? Was bleibt: Olle Kamellen werden nicht besser, wenn sie lang liegen, erst recht nicht im Sommer.

 

Und noch ein Spielgefährte im Sommerloch-Sandkasten: Der Junge mit der Fliege, Karl Lauterbach, ist zurück. Nach einer gewissen Zeit des Insichgehens knöpft er sich jetzt die „Krebsindustrie“ vor und hat seine Anmerkungen zu den steigenden Kosten von Krebstherapien in ein Buch gepackt (Politiker müsste man sein, da hätte man Zeit zum Bücherschreiben!), für das er jetzt die Werbetrommel rührt. Die Thesen, die er aufstellt, überraschen nicht: Profitgier der Hersteller, Verteilungskämpfe, Forschungskosten sind eigentlich viel niedriger, da die Grundlagenforschung an Hochschulen läuft, und: Die Beitragssätze der Krankenkassen werden steigen. Ui, mein liebes Tagebuch, wer hätte das gedacht. Ob man dafür Lauterbach durch den Kauf seines Buches unterstützen sollte?

 

Kein Sommerloch-Thema, dafür ein Kommunikations-GAU erster Sahne: Die ABDA verzichtet momentan auf die Forderung nach höherem Fixum – hieß es sinngemäß im ABDA-Newsletter „Einblick“. Wie, hat die ABDA im Einblick den Durchblick verloren? War das nicht seit den letzten Monaten, was sag ich, seit Jahren das ABDA-Mantra schlechthin: Wir fordern die Überprüfung unseres Fixums! Und dann plötzlich der Stopp. Wie kommt das denn in der Politik an? Wollen die Apotheker jetzt keine Anpassung des Fixums mehr?

Falsch, mein liebes Tagebuch, bitte genau hinhören: Klar wollen sie, aber nicht „momentan“. Also nicht jetzt und heute. Denn: „Die ABDA hat gute Gründe, warum sie die Forderung nach einem höheren Fixum momentan nicht erhebt“, orakelt sibyllinisch ABDA-Wiso-Frau Claudia Korf im Einblick als Ausblick. Die Arzneimittelpreisverordnung gelte nämlich als „heiße Kartoffel“. Aha, mein liebes Tagebuch, man lernt ja täglich hinzu. Und dann erklärt uns Frau Korf, warum die Änderung der heißen Kartoffel, also der AMpreisV, eine politische Rallyefahrt ist (auch das noch, eine Kartoffel-Rallye), für die man günstige politische Konstellationen brauche, sprich noch ein zustimmungspflichtiges Gesetz o. ä. Aber ist es nicht so, dass bei der Änderung des Festzuschlags der Bundesrat gar nicht zustimmen muss? Ist da bei der ABDA was durcheinander gekommen?

Egal, der entscheidende Grund für die Zurückhaltung liege vor allem in der Methodik, nach der das Bundeswirtschaftsministerium das Fixum errechnet: Anpassungsbedarf ist gleich Kostensteigerungen minus Rohertragsanstieg. Und mit dieser Berechnung hätten die Apotheken derzeit gaaaanz schlechte Karten: Das Apotheken-Fixum müsste sogar sinken. Frau Korf weiß: „Wir würden uns schaden.“ Puh, schwitz – gut, dass unsere liebe ABDA das gerade noch erkannt hat und Halt ruft. Nicht auszudenken, wenn wir weiter eine Änderung der Kartoffel, äh, der AMpreisV gefordert hätten. Also, mein liebes Tagebuch, bevor wir weiter die Gebetsmühlen drehen und die Überprüfung des Fixums fordern, muss die Rechenmethode im BMG geändert werden. Ja, okay, soweit haben wir das jetzt verstanden. Und was wird dafür getan, dass das Ministerium endlich anders rechnet? Auf den fixierten Kassenabschlag haben wir uns nämlich im vorauseilenden Gehorsam schon eingelassen mit der Aussicht, dass das Honorar jährlich überprüft wird. Dumm gelaufen, oder?

27. August 2015

Die ABDA wäre nicht die ABDA, wenn sich nicht schon kurz nach der Korfschen Einblick-Lehrstunde  Verbands-Chef Becker zu Wort gemeldet hätte mit der Parole: „Eines ist ganz klar: Unsere erste Forderung bleibt eine Honorarerhöhung.“ Ups. Mein liebes Tagebuch, wie wir unsere Berliner Laienspielgruppe für diese Klarheit in den Aussagen, für diese zielführende Strategie des Hü und Hott doch lieben! Also, zur Interpretation des Einblick-Stückes ließ Becker wissen: „Unsere Forderung ist schon lange, dass diese Berechnungsmethode geändert werden muss.“ (Zwischenfrage: wann passiert das?) Der Entschluss, keine Anpassung auf Basis der aktuellen Berechnungsmethodik zu fordern, bedeute aber keineswegs, dass die ABDA die Forderung nach der dringend erforderlichen Erhöhung fallen lasse. Aha, dann wär‘ das ja au g’schwätzt.

Und damit nicht der Verdacht auf kommt, die ABDA drückt sich vor Arbeit: Korf und Becker bekräftigten, dass die ABDA nicht locker lasse, die Anpassung für den Nacht- und Notdienst, für die Dokumentationsgebühr zu fordern und das Fixum für Rezepturen. Mein liebes Tagebuch, dann hoffen wir mal, dass sich diese Anpassungsforderungen nicht auch über Nacht als heiße Kartoffeln, vielleicht sogar als glühende Kohlen oder politische Rallyefahrten entpuppen, von denen man „momentan“besser die Finger lässt. Und um es vorweg zu nehmen: Rohe Eier, die man vorsichtig behandeln muss, sind diese Forderungen schon gleich gar nicht.

 

Nach dem Einblick der Ausblick: Keine Erhöhung des Fixhonorars heißt: keine Tariferhöhung für Apothekenmitarbeiter – auf die einfache Formel bringt es der Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken ADA. Mein liebes Tagebuch, wenn denn die Welt so einfach wäre. Auch wenn das jüngste Tarif-Spitzengespräch mit der Apothekengewerkschaft Adexa noch keine Einigung brachte: Man wird den Fortgang der Tarifgespräche nicht von etwaigen Änderungen des Fixums abhängig machen können – denn diese politische Rallye kann dauern. Derweil liegen die Hoffnungen auf mögliche Änderungen des Rezepturpreises und der Dokugebühren. „Wir sind bereit, ab dem ersten freigesetzten Euro die Angestellten an den Zuwächsen zu beteiligen“, meinte ADA-Chef Hasse. Ist ja wirklich lieb gemeint, aber, mal Hand aufs Herz, mein liebes Tagebuch: Ein Fixum für Rezepturen und höhere Dokugebühren werden den Durchbruch nicht bringen. Die freigesetzten Euro sehe ich noch nicht. Aber: Wenn die ABDA jetzt die nicht so stark gestiegenen Kosten und die ansteigenden Umsätze als Argument nimmt, die Fixumsüberprüfungs auf Eis zu legen, dann dürften doch auch ein paar Euro für die Angestellten drin sein (würde auch die Kosten erhöhen!). Wie auch immer, Adexa ist da nicht zu beneiden, das wird mehr als eine Rallyefahrt.

28. August 2015

Der Skonti-Streit – der Prozessauftakt ging rasch über die Bühne. Nach nur 25 Minuten mündlicher Verhandlung vertagte die Richterin des Landgerichts Aschaffenburg die Verhandlung, bei der sich die Wettbewerbszentrale und der Arzneimittelgroßhändler AEP darum streiten, ob Skonti auch Rabatte sind. Die Richterin ließ schon durchblicken, dass dies nicht so sei und meinte: Eigentlich könnte auch der 70-Cent-Fixzuschlag des Großhandels rabattfähig sein. Wohl ganz im Sinne von AEP. Deshalb kündigt die Wettbewerbszentrale schon mal an, dass sie in die nächste Instanz gehen wird, falls das Landgericht in diese Richtung entscheiden sollte. Weiter geht’s am 22. Oktober, vermutlich wird dann ein rasches Urteil gefällt. Mein liebes Tagebuch, wir werden uns noch gedulden müssen, bis wir endgültig wissen, was Rabatte und Skonti sind.

 

Nochmal SPD-Lauterbach: Seine Buch-Promotion-Tour katapultierte ihn in die Talkshow von Markus Lanz. Man erfuhr, dass Lauterbach mal in der CDU war, aber seit er ausgetreten ist, „ist alles nur schlechter geworden“. Und er ließ die Zuschauer wissen, dass er nach wie vor darauf hofft, eines Tages Gesundheitsminister zu werden. Mein liebes Tagebuch, eigentlich sollte zum Wochenausklang eine frohe Botschaft stehen, oder?

 Ja, die kommt in Form des „Deutschen Apotheken-Award“! Hurra, der Deutsche Apothekerverband schreibt einen Preis aus. Ausgezeichnet werden sollen Apotheken, die sich vor Ort besonders engagieren und sich auf die Versorgung der Patienten und Kunden einstellen. Drei Kategorien gibt es: „Gesunde Lebensführung“, „Moderne Apotheke“ und „Soziales Engagement“. Den Gewinnern winken jeweils 2.000 Euro. Mein liebes Tagebuch, nett, aber kommt relativ spät. Der Apothekerverein Nordrhein vergibt bereits den Zukunftspreis mit ähnlichem Anspruch, die Avie GmbH lobt den Deutschen Apothekenpreis aus und das WIPIG einen Präventionspreis. Aber macht nichts, noch ein Preis schad‘ ja nichts.


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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