Influenzasaison 2015/16

Zweiter Mismatch beim Grippeimpfstoff?

Berlin - 14.09.2015, 14:40 Uhr

FAS-Bericht: Möglicherweise hilft der Grippe-Impfstoff auch in der Saison 2015/16 nur eingeschränkt. (Foto: Alexander Raths/Fotolia)

FAS-Bericht: Möglicherweise hilft der Grippe-Impfstoff auch in der Saison 2015/16 nur eingeschränkt. (Foto: Alexander Raths/Fotolia)


In der vergangenen Saison wirkte der Grippeimpfstoff in Deutschland nur eingeschränkt – das könnte sich in diesem Jahr wiederholen: In Australien, wo derzeit Winter ist, fällt die Grippewelle in diesem Jahr besonders heftig aus. Man hatte sich bei der Impfung dort auf die üblichen Influenza-A-Stämme und ein weiteres Virus-Familienmitglied, den Influenza-B-Erreger Yamagata, eingestellt. Yamagata kam jedoch in Begleitung des Schwesterstamms B-Victoria, wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) berichtet – mit der Folge, dass der Impfstoff kaum wirkt. Ein solcher „Mismatch“, eine Nichtübereinstimmung, könnte nun Deutschland bevorstehen.

Wie die FAS unter Verweis auf die Fachzeitschrift Eurosurveillance berichtet, ist auch der hiesige Impfstoff nicht auf B-Victoria eingestellt. Daher solle man sich am besten schon jetzt auf ähnliche Schwierigkeiten einstellen. „Man muss aber abwarten, ob B-Victoria bei uns wirklich eine so große Rolle spielen wird“, wird Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), zitiert. Noch seien die Ereignisse in Australien nicht mehr als ein Hinweis darauf, dass der Erreger auch in Deutschland vor der Tür stehen könne.

WHO-Prozedere in der Kritik

Doch es gibt Optimierungsbedarf an der Vorhersagequote der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die in 151 nationalen Grippezentren ganzjährig die zirkulierenden Grippestämme einsammelt, nach genetischen Veränderungen absucht und die Daten in sechs Zentren zusammenträgt, um nach wirksamen Impfstoffen gegen die gemeldeten Varianten zu suchen. Zweimal im Jahr tagen die Fachleute und entscheiden, welche Impfstoffe am aussichtsreichsten sind – im September für die südliche Halbkugel, im Februar für die nördliche. Notwendig seien diese frühen Vorausplanungen wegen der langwierigen Herstellungsprozesse, zitiert die FAS eine WHO-Sprecherin. Ausgeliefert werden die Impfstoffe in Europa erst sechs bis acht Monate später.

Dabei bleiben verschiedene Informationen unberücksichtigt, konstatiert etwa Trevor Bedford vom Fred Hutchinson Cancer Research Center im amerikanischen Seattle: Er beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, was das Virus treibt, wenn es gerade keine Epidemie auslöst, und wohin es sich zurückzieht. Sein Ziel ist es auch, die fehleranfälligen Vorhersagequoten der WHO zu verbessern. So sei zum Beispiel der gefährliche Erreger des letzten Winters schon ein Jahr zuvor in Südostasien unterwegs gewesen, berichtet die FAS. „Hätte die WHO die Region damals intensiver überwacht, hätten wir ihn womöglich früher gefunden und uns vorbereiten können.“

17 Millionen Impfdosen freigegeben

Das PEI hat nach eigenen Angaben bereits mehr als 17 Millionen Impfdosen freigegeben. PEI-Präsident Cichutek verweist darauf, dass sich die Impfstoffe für die neue Saison 2015/16 in zwei der drei Komponenten gegenüber der vorangegangenen Saison unterscheiden. Ausgetauscht worden sei gemäß der WHO-Empfehlung der zum Influenzatyp A gehörende H3N2-Stamm und der Influenzatyp B-Stamm. Die H1N1-Komponente sei seit der Influenzasaison 2010/11 hingegen unverändert. Neben den trivalenten Impfstoffen seien auch zwei tetravalente Impfstoffe zugelassen, die einen zweiten B-Stamm als vierte Komponente enthalten. Eine Übersicht der Influenza-Impfstoffe mit den Angaben zu der zugelassenen Altersgruppe steht auf den PEI-Internetseiten zur Verfügung.

Cichutek erklärt darüber hinaus, dass sich der zirkulierende H3N2-Stamm vor der vergangenen Grippesaison genetisch veränderte, nachdem die Impfstoffproduktion bereits begonnen hatte. Daher habe die H3N2-Impfstoffkomponente nicht optimal gepasst. Nach Daten des Nationalen Referenzzentrums für Influenza sei ausgerechnet dieser abweichende Stamm bei 62 Prozent der Influenzavirusnachweise – und damit am häufigsten – nachgewiesen worden. Die Impfeffektivität gegen eine laborbestätigte Influenza insgesamt habe daher nach Berechnungen des RKI in der Saison 2014/15 nur 27 Prozent betragen – gegenüber 40 bis 60 Prozent in anderen Saisons.


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