Apotheker-Dilemma im Radio

Glaeske plädiert für Beratungshonorar

Berlin - 15.09.2015, 10:30 Uhr

Gerd Glaeske plädiert für ein Beratungs- statt eines Verkaufshonorars für Apotheker. (Foto: Schelbert)

Gerd Glaeske plädiert für ein Beratungs- statt eines Verkaufshonorars für Apotheker. (Foto: Schelbert)


Auf lange Sicht sollten Apotheker nicht mehr für den Verkauf eines Präparats, sondern für die Beratung honoriert werden – damit sie wirklich unabhängig be- und im Zweifel auch vom Kauf eines Produkts abraten können. So sieht es Professor Gerd Glaeske von der Universität Bremen in einem Radiobeitrag des rbb-Ratgebers „rbb PRAXIS“, der sich mit dem Dilemma der Apotheker – Ethik oder Monetik? – befasst. Er wurde am gestrigen Montag ausgestrahlt.

Immer montags bis freitags um 14.25 Uhr knöpft sich der rbb-Ratgeber in kurzen Radiobeiträgen von wenigen Minuten Themen rund um die Gesundheit vor. Gestern ging es um den Spagat, den Apotheker täglich meistern müssen: „Sie sollen Patienten nach bestem Wissen beraten, handeln aber zugleich mit der Ware Medizin“, erklärt die Sprecherin. Ein Apotheker bestätigt, dass ihm die Abwägung Umsatz oder tatsächliche Hilfe für Menschen „gegen den Strich“ gehe. Der Verkaufsdruck in Apotheken sei heute so hoch, dass viele Apotheken leider eher ihren Umsatz im Blick hätten.

Als klassisches Beispiel wird im Beitrag auf rezeptfreie Erkältungspräparate verwiesen: Ein Schmerzmittel und vielleicht ein Nasenspray reiche in den meisten Fällen aus – „aber so billig kommt der Kunde selten weg“. Häufig würden zusätzliche Produkte oder Kombipräparate empfohlen, von denen Experten eigentlich abrieten – auch Glaeske: „Wir nennen sowas auch Schrotschusstherapie, weil es letzten Endes nicht genau das trifft, was ich möchte, sondern ich gebe von allem ein wenig“, erklärt er. Nicht gut, konstatiert die rbb-Sprecherin. Das sage auch Stiftung Warentest. Und doch seien solche Kombimittel Kassenschlager. Im Vergleich zu anderen Arzneimitteln gegen Grippe seien Kombinationspräparate „relativ teuer“, erklärt Glaeske – „das lohnt sich für den Apotheker“.

Es geht nicht um Käse und Nudeln

Allerdings gibt er eine Mitschuld auch der Werbung, die diese Produkte in den Mittelpunkt setze. Es folgt der kritische Hinweis der Sprecherin, dass Apotheker die von der Pharmaindustrie angebotenen Mengenrabatte annehmen, dafür dass sie Produkte im Regal auf Augenhöhe der Kunden platzieren. Das seien Marketingstrategien, die auch bei Supermarktware gängig seien – allerdings gehe es in Apotheken eben nicht um Käse oder Nudeln, sondern um Medikamente. Deswegen sei es mit Vorsicht zu genießen, wenn Apotheker mit ihrer Seriosität für bestimmte Produkte werben. Bei Ärzten könne man dagegen leichter vorgehen, führt Christiane Köber von der Wettbewerbszentrale Bad Homburg aus – in deren Berufsordnungen gebe es Regelungen, denen zufolge der Arzt seinen Namen nicht für Produktwerbung hergeben dürfe.

Der Apotheker wiederum hat „Handlungsmacht“, wenn es um rezeptfreie Medikamente geht. Der Beitrag kommt zum Knackpunkt, dem „Dilemma“ der Apotheker: „Wenn Sie Kunden dazu nur beraten, verdienen sie nichts, sondern erst, wenn sie verkaufen.“ Hier könne man ansetzen, findet Glaeske: „Beim Arzt bekomme ich auch eine Beratung, die er abrechnen kann“, merkt er an. Warum also sollte nicht auch in der Apotheke eine Beratung zu Arzneimitteln, die tatsächlich unabhängig sei und bei der der Apotheker auch vom Kauf abraten könne – „warum soll ich das nicht auf Dauer honorieren?“ Fazit des Beitrags: „Das würde den Verkaufsdruck der Apotheker lindern und das Vertrauen der Patienten in die Qualität der Beratung steigern.“

Zum Radiobeitrag der rbb PRAXIS gelagen Sie hier.


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