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Das war er also, der Apothekertag 2015: ein starker Präsident, eine schwache eHealth-Talkshow, dicke Honorar-Baustellen, dünne Transparenz-Diskussionen, leere Politikerstühle, volle Messe. Aber keine Knaller. Und außerdem in dieser Woche: das Ende der Friedenspflicht vieler Kassen. Müssen die Apotheken bald blechen, wenn Doktores ihren Vornamen vergessen? Mein liebes Tagebuch, das Schönste zum Schluss: Es gibt bald ein Organigramm der ABDA-Geschäftsstelle im Netz. Ach was. Ja! Wirklich! Kaum zu glauben. Im Ernst! Kommt das Zeitalter der Transparenz?
28. September 2015
Dumm gelaufen: Auch Michael Hennrich, Gesundheitspolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagte ab, er wird nicht zum Apothekertag kommen. Die DAZ war übrigens nicht schuld daran (auch wenn das manche glauben machen wollten, sei’s drum). Ist eben schwierig, wenn ein Apothekertag in Düsseldorf, weit weg von Berlin, und in einer Sitzungswoche stattfindet. Mein liebes Tagebuch, da hätte sich die ABDA mal von ihrer innovativen Seite zeigen können, wenn sie sich eine Videoschaltung zwischen Berlin und Düsseldorf hätte einfallen lassen und die Politiker in Berlin vor die Kamera gesetzt hätte. Für ein paar warme Politiker-Worte hätte so ein kleiner Skype-Talk allemal gereicht, gell?
29. September 2015
Der Bundesverband der PTA (BVpta) fordert, die PTA-Ausbildung um ein halbes Jahr auf drei Jahre zu verlängern. Munitioniert wird der Verband durch eine Umfrage unter Lehrkräften an PTA-Schulen: 70 Prozent von 116 Befragten wollen einen Verlängerung. Gegner einer Verlängerung führen fast ausschließlich finanzielle Gründe an. Für die Befürworter stehen die sich wandelnden Anforderungen in der Berufspraxis im Vordergrund. Der BVpta hofft nun, dass Politik und ABDA das Votum der Lehrkräfte nicht ignorieren können und die Weichen für eine bessere PTA-Ausbildung stellen. Mein liebes Tagebuch, gut so. Hoffen wir, dass die ABDA das endlich auch so sieht. Die Ausbildung zum PTA-Beruf braucht eine Renovierung – damit die Attraktivität des Berufes erhalten bleibt.
Jetzt geht’s los: Öffentlicher Auftakt zum Apothekertag in Düsseldorf ist die Pressekonferenz der ABDA. In diesem Jahr wurde den Journalisten nur ein einziges Thema serviert: eine Unterrichtsstunde in Sachen Polymedikation mit Fallbeispielen und die Gründe, warum es eine Medikationsliste unbedingt auch vom Apotheker geben muss. Nachfragen hatten die Journalisten so gut wie keine – vermutlich war alles bestens erklärt worden. Mein liebes Tagebuch, das Thema birgt für die Medien kaum Zündstoff, daher die Ruhe. Man kann sich vielleicht fragen, warum die ABDA nicht andere Themen setzte.
In dieser Woche ist Düsseldorf die Apothekerhauptstadt der Welt. Der Kongress des Weltapothekerverbands FIP tagt parallel zum Apothekertag im Düsseldorfer Kongresszentrum. Ein tolles Ereignis. Rund 3000 Apothekerinnen und Apotheker aus 111 Ländern geben ein buntes Bild. Und füllen die Messehallen der Expopharm. Warm wurde es einem ums Herz und schön feierlich, als der Generalsekretär der FIP bei der Kongresseröffnung den Eid des Apothekers vorlas, das Auditorium aufstand und gelobte, dem Eid zu folgen. Mein liebes Tagebuch, das wär doch mal was für den Apothekertag: Friedemann Schmidt liest den Eid vor, hilfreich sei der Apotheker, edel und gut, und alle stimmen zu.
30. September 2015
So, mein liebes Tagebuch, jetzt ist die Friedenspflicht bei den meisten Kassen zu Ende: Wenn nun Dr. med. Kevin Müller und Dr. med. Schantall Meier vergessen, ihre netten Vornamen und ihre Telefonnummer aufs Rezept zu schreiben und der Apotheker übersieht diesen kleinen Fauxpas, dann könnte es sein, dass die Apotheke auf Null retaxiert wird und z. B. 1 x 28 Sovaldi für 17.855,51 Euro den Kassen schenken muss. Andererseits, so genau weiß man das auch nicht, einige Juristen gehen davon aus, dass deswegen gar nicht retaxiert werden darf. Aber so klar ist das dann auch wieder nicht. Und was sollte dann überhaupt die Friedenspflicht? Hach, das liebe ich an unserem Apothekerberuf: wenn Pipifax so schön klar und eindeutig geregelt ist, dass keiner eindeutig Bescheid weiß.
Der DAV-Chef Fritz Becker eröffnet traditionell mit einem Lagebericht die Expopharm. Er blätterte einen Katalog an Problemen auf, mit dem die Apotheker derzeit zu kämpfen haben. Nur mal in Kurzform: Forderung nach jährlicher Überprüfung des Fixhonorars, eine einheitliche Berechnungsmethode fürs Honorar, Erhöhung der Dokugebühr, Fixhonorar für Rezepturabgabe, Anpassung des Nacht- und Notdienstzuschlags von 16 auf 20 Cent, Forderung nach Abschaffung von Nullretax (liegt derzeit bei der Schiedsstelle) und Abschaffung der Importförderklausel, Erhöhung der Gültigkeitsdauer von Entlassrezepten, Einbeziehung der Apotheker in die Prävention, Abschaffung der Ausschreibung bei Hilfsmitteln und Kampf gegen übertriebene Präqualifizierungsmaßnahmen. Mein liebes Tagebuch, nicht übel, oder? Was uns noch dazu einfällt, ist der Fachkräftemangel, die aktive Einbindung in den Medikationsplan, und – natürlich – ein fehlendes IT-Netz der Apotheker. Tja, Baustellen über Baustellen. Böse Zungen sagten, das sei der Katalog der ABDA-Versäumnisse. Ganz schön böse, oder? Dabei ist die ABDA doch gar nicht an allem schuld.
Dank an den Vorsitzenden des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH). Er widersprach in seinen Grußworten zur Expopharm-Eröffnung dem Gesundheitsökonomen Christian Haigst, der sich im Manager Magazin für weitreichende Liberalisierungen im OTC-Markt ausgesprochen hat. Wieczorek: „Wir brauchen keine Ökonomen, die die Apothekenpflicht als überflüssiges Privileg bezeichnen.“ Besonders empörte es Wieczorek, dass die Beratung in der Apotheke als „entbehrliches Schwätzchen“ bezeichnet wurde: „Wer oder was hier entbehrlich ist, überlasse ich Ihrer Bewertung“. Dem ist nichts hinzuzufügen.
1. Oktober 2015
Der Apothekertag beginnt – mit einer fulminanten Rede des Präsidenten, für die er standing ovations ernten darf. Mein liebes Tagebuch, da war alles drin, alles dran, was sich das Apothekerherz so wünscht: mehr Unterstützung von der Politik, mehr Planungssicherheit, ein angemessenes Honorar, also mehr Geld, und natürlich das hohe Lied auf die Freiberuflichkeit. Reden kann er, unser ABDA-Präsident.
Dass fast keine Politiker zur Apothekertagseröffnung gekommen waren, um warme Grußworte zu überbringen – na ja, die Welt dreht sich weiter. Honorarzusagen hätten sie eh nicht mitgebracht. Immerhin, die NRW-Gesundheitsministerin Steffens möchte Apotheker stärker in den Medikationsplan einbinden und Harald Weinberg von den Linken würde uns sogar ein höheres Honorar zubilligen im Gegensatz zu Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium. Allenfalls ein Vielleicht bei der BtM- und Rezepturgebühr ist bei ihm drin. Und das war’s dann auch schon mit den Politikern. Schade ist, dass auch beim FIP-Kongress des Weltapothekerverbands kein deutscher Politiker die Apotheker aus aller Welt begrüßt hat. Sollte das der Welt zeigen, welchen Stellenwert die Apotheker in Deutschland haben?
ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz versprühte in diesem Jahr dicke Zuversicht. Mein liebes Tagebuch, er gab so ein bisschen den unbekümmerten sunny boy: Da ziehen zwar ein paar dunkle Wolken am Apothekerhimmel entlang, aber alles wird gut. O-Ton Schmitz: Wir haben ein stabiles Ordnungssystem, eine klare Zukunftsperspektive und – klar – eine starke Berufsorganisation, die sich auch weiterhin für mehr Geld einsetzt. Nämlich, aufgepasst mein liebes Tagebuch, mit einem Doppelbeschluss als neue Taktik: Die ABDA fordert unverändert eine Anpassung des Festzuschlags, aber dieses Mal mit der richtigen Berechnungsmethodik, eine regelmäßige Überprüfung und mehr Geld für die BtM-Rezeptdoku, für Rezepturen und für den Nacht- und Notdienstfonds. Und der zweite Teil des taktischen Beschlusses: Eine Anpassung des Festzuschlags im regulären Verfahren nach den bisherigen Kriterien des Bundeswirtschaftsministeriums lehnt die ABDA ab. So soll’s werden, mein liebes Tagebuch.
Hach, mein liebes Tagebuch, wie du weißt, hat die ABDA seit kurzem die Telematik, eHealth und IT entdeckt, das Neuland. Damit jeder merkt, dass das so ist, hatte sie einen eigenen Programmpunkt „eHealth und Apotheke 2030“ auf die Tagesordnung gesetzt. Und damit das Thema lustig und unterhaltsam daherkommt, engagierte sie eine Moderatorin, die locker-flockig durchs Programm führen sollte. Na ja, ist Geschmackssache, wenn sie zum Besten gibt, dass sie sich darüber freut, wenn das Korrekturprogramm ihres Smartphones aus Apothekertag „Apothekergattin“ macht (kicher kicher) und dass sie schon immer gern die Apotheken Umschau gelesen hat (au weia, falsche Postille!). Nachdem man ihr gesteckt hatte, dass die „richtige“ Zeitschrift im Saal des Apothekertags „Neue Apotheken Illustrierte“ heißt, wolle sie demnächst natürlich danach verlangen (schwitz, gerade noch mal gut gegangen). Und zum Inhalt des Programmpunkts? Mein liebes Tagebuch: der Moderation entsprechend, wenn du weißt, was ich meine. Also, da war ein doppeltpromovierter Philosoph, der mit vielen Fremdwörtern ausdrückte, dass es Risiken durch Big Data gibt, aber man möge sich bitteschön nicht so anstellen, schließlich profitiere man ja auch von seinem Smartphone. Dann war da noch ein Mensch von der Telekom, der uns sagte, dass die Patienten wie narrisch sind auf die neue Technik, alles auf der eCard haben wollen, die gesamte Pharmaindustrie bald digitalisiert wird und überhaupt: „Wir bauen ein Parallelnetz, über das die Gesundheitsdaten fließen sollen.“ Und dann saß da glücklicherweise noch ABDA-Vize Arnold auf dem Podium, der es auf den Punkt brachte: Die Apotheken werden die technische Revolution meistern, wir werden mit mobilen Geräten durch die Apotheke gehen, eine andere Beratungskultur entwickeln, die Apotheke wird zum Trustcenter für den Patienten. Aber: wir bleiben Menschen, die mit Menschen arbeiten. Ja, genau. Mein liebes Tagebuch, man hatte sich irgendwie mehr von diesem Tagesordnungspunkt erwartet, zum Beispiel ein paar Infos, was die ABDA-IT-Gruppe so vor hat, wie man sich das sichere Apothekernetz vorzustellen hat, was es kostet, was man eigentlich so über das elektronische Rezept denkt und vieles mehr. Stoff für den nächsten Apothekertag – aber dann mal bitte mal ein bisschen konkreter und weniger Infotainment.
2. Oktober 2015
Was gab’s bei den Anträgen? Wenig Überraschungen, mein liebes Tagebuch, die Delegierten diskutierten gern und diszipliniert, die ABDA-Blue Men Group auf dem Podium (blue men: weil alle in schönem blauen Zwirn vor blauen Wasserflaschen saßen, ein wunderschönes Bild) behandelte die Delegierten fair und nett. Die wichtigsten Themen: Apotheker schreibt Medikationsplan, Medizinalhanf aus der Apo, Kampf für mehr Geld, weg mit Retax und Importförderklausel und Hilfsmittel als Sachleistung für alle. Und jede Menge Anträge, die „in den Ausschuss“ überwiesen wurden. Mein liebes Tagebuch, den Ausschuss musst du dir ein bisschen wie die „Cloud“ vorstellen, also etwas Nebulöses, das man nicht richtig fassen kann, aber viel Platz hat. Das wird wohl auch der Grund dafür gewesen sein, dass die ABDA eine Excel-Tabelle scheut, die genau auflistet, wo sich welcher Antrag in welchem Stadium der Beratung befindet. Ein Antrag dazu wurde denn auch mit knapper Mehrheit abgelehnt. Die Antragsteller hatten eigentlich nur einen wirklich kleinen Hauch mehr Transparenz in die Ausschussanträge bringen wollen – damit sich vielleicht auch der interessierte gemeine Basisapotheker über den Beratungsstand informieren darf. Aber, oh Gott, das geht ja gar nicht, denn für Schmitz ist die ABDA sowieso schon transparent bis zum Geht-nicht-mehr, und für Schmidt und Kiefer würde eine solche Liste im Netz für alle schier unglaubliche Begehrlichkeiten des gemeinen Apothekers wecken! Er könnte womöglich noch mehr Infos im Netz wollen. Wo kämen wir da hin! Mein liebes Tagebuch, für diese offene Kommunikationskultur ist unsere ABDA leider noch nicht reif. Wir dürfen und sollten uns stattdessen darüber freuen, dass sie, quasi fast von sich aus, bald ein ABDA-Organigramm der Geschäftsstelle auf der ABDA-Website veröffentlichen wird. Ich kann’s kaum glauben, mein liebes Tagebuch, endlich, im Jahr 2015. Das kommt schon fast einer Revolution gleich. Aber damit soll’s dann erst mal gut sein.
3. Oktober 2015
Wie war’s auf der Expopharm-Messe? Voll. Gut besucht, auch dank zahlreichen Apothekers vom FIP-Kongress. Es gab wieder Weißwürste, viele Tüten und Schnickschnack. Die große OTC-Pharma war so gut wie nicht dabei, dafür viele Kommissionierer, viel EDV, Kosmetik und Give aways. Von den Großhandlungen war gut sichtbar nur die eine aus Essen dabei, Gehe und die Privaten ein bisschen, die anderen fehlten. Und schon schauen wir ins nächste Jahr, mein liebes Tagebuch: Apothekertag 2016 vom 12. bis. 14. Oktober in München. Also nach dem Oktoberfest!
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