Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

18.10.2015, 08:00 Uhr

Rückblick auf die letzte Woche (Foto: imagesab - Fotolia.com)

Rückblick auf die letzte Woche (Foto: imagesab - Fotolia.com)


Eine Katastrophe bahnt sich an: Unser Bundesgesundheitsminister sieht im Berufsbild des Pharmazeuten vor allem einen Pillendreher und Laboranten, einen Lageristen und Krämer. Da wundert es nicht, wenn er einem solchen Schubladenzieher keinen Medikationsplan zutraut, keine Präventionsleistungen – und ihm auch nicht mehr Honorar zahlen will. Ja, soll dieser Apotheker doch alleine zusehen, wie er die Lieferengpässe regelt. Mein liebes Tagebuch, ich bin entsetzt. Wird hier allmählich der Apotheker demontiert?

12. Oktober 2015

Gut so: Beim Thema Arzneimittel-Lieferengpässe lassen die Grünen nicht locker. In einer Kleinen Anfrage möchten sie von der Bundesregierung wissen, welche Maßnahmen sie gegen Lieferengpässe ergreift und was sie unternimmt, um die Transparenz über die Lieferschwierigkeiten zu erhöhen. Einem Bericht der Bild-Zeitung zufolge soll die Bundesregierung sogar schon ein Gesetz gegen Lieferengpässe planen, worauf die Grünen in ihrer Anfrage hinweisen. Derzeit melden Hersteller freiwillig an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), wenn eines ihrer  Arzneimittel länger als zwei Wochen nicht lieferbar ist. Dass das nicht besonders aussagekräftig ist und kein reelles Bild wiedergibt, kann man sich vorstellen. Mein liebes Tagebuch, von offizieller Seite aus hat sich die Berufsvertretung der Apotheker nur arg zurückhaltend zum Problem der Lieferengpässe geäußert. Gäbe es nicht die löblichen Aktivitäten von Apotheker Haru Diefenbach aus Hessen, der mit vollem Einsatz immer wieder auf die Lieferengpässe hinweist – das Problem hätte die Öffentlichkeit kaum erreicht. Selbst der Apothekertag fasste das Thema nur mit Samthandschuhen an: Ein Antrag, der den Gesetzgeber auffordern sollte, die Hersteller zur Meldung der Nichtlieferfähigkeit zu verpflichten, landete – im Ausschuss. Was das heißt, braucht hier nicht weiter ausgeführt zu werden. Also, wir sind auf die Antwort der Bundesregierung gespannt.

13. Oktober 2015

Mein liebes Tagebuch, die wollen uns einfach nicht mitspielen lassen. Wir dürfen nicht in den E-Health-Sandkasten, um unsere schönen Medikationsplan-Förmchen zu zeigen. Nur die Ärzte sollen den Plan gebacken bekommen – ich sag dir, mein liebes Tagebuch, der rieselt ihnen wie Sand durch die Finger. Konkret: Aus den Änderungsanträgen für die Sitzung des Gesundheitsausschusses geht hervor, dass uns die Gesundheitspolitiker der Koalition nach wie vor nicht gleichberechtigt in den Medikationsplan einbeziehen wollen. Seltsam, diese Sturheit. Dabei liegen doch die Vorteile auf der Hand. Aber es gibt noch eine Mini-Chance, mein liebes Tagebuch: Die ABDA darf ihre Forderung, den Apotheker gleichberechtigt mit dem Arzt in den Medikationsplan einzubinden, im Anschluss an die für den 4. November angesetzte Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages vortragen, zumindest in schriftlicher Form.

14. Oktober 2015

Ein Anfang in Sachen Lieferengpässe: Seit letzter Woche gibt es eine Übersicht zu Lieferengpässen bei  Impfstoffen gegen Infektionskrankheiten. Auf der Website des Paul-Ehrlich-Instituts. Endlich! Das Dauerproblem wird damit deutlich vor Augen geführt. Aber wo liegen die Ursachen? Komplexe Herstellung, begrenzte Vorratshaltung, keine kurzfristige Mengenausweitung möglich, sagen die Hersteller. Seltsam, mein liebes Tagebuch, das war doch auch früher so und trotzdem gab’s so gut wie kein Problem. Ja, aber jetzt haben wir noch die Ausschreibungen der Krankenkassen: Rabattverträge über Impfstoffe für Schutzimpfungen. Kommt ein Rabattvertrag mit einem Hersteller zustande, hat ein anderer Impfstoffhersteller auf dem Markt kaum noch eine Chance, er wird seine  Produktion zurückfahren. Gibt’s beim begünstigten Hersteller dann Probleme mit der Produktion, haben wir den Salat. Das sieht auch Maria Michalk, die Gesundheitspolitikerin der Union. Sie fordert, die Ausschreibungen abzuschaffen. Mein liebes Tagebuch, da hat sie doch die volle Unterstützung von den Apothekern, oder?

 

Es gibt keinen Grund zu vermuten, dass es sich bei dem angeleierten Forschungsvorhaben, mit dem das Wirtschaftsministerium eine belastbare Datengrundlage zur Anpassung der Arzneimittelpreisverordnung sucht, um eine Verzögerungstaktik handelt. Sagt Hilde Matheis, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. Kann man das glauben? Mein liebes Tagebuch, ein Forschungsvorhaben! Das kann bis zu zwei Jahren dauern! Und wie objektiv ist das denn? Mein liebes Tagebuch, das geht dann so: Kommt als Ergebnis eine deutliche Erhöhung des Apothekenhonorars heruas, verschwindet das Forschungsergebnis in der Schublade oder es wird gedreht und gewendet, bis alles bleibt wie’s ist. Kommen die Honorarforscher dagegen zu dem Schluss, das Apothekerhonorar muss erniedrigt werden, tritt dies unverzüglich in Kraft und wir dürfen wohl froh sein, dass unser Honorar nicht noch rückwirkend gekürzt wird. So geht Apothekerhonoraranpassung in Deutschland.

Ein Matheis-Trostpflaster vorab: Vielleicht, aber wirklich nur vielleicht könnte es sein, dass die Doku- und die Rezepturgebühren angepasst werden. Meint Matheis. Hoffen wir: nach oben.

15. Oktober 2015

Während Apothekers noch uneins sind, ob und wie sie wollen oder ob nicht, dürfen schon bald Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nicht nur mitreden, sondern sogar mitentscheiden. Mit einem Änderungsantrag zum E-Health-Gesetz sollen die Patientenrechte im G-BA gestärkt werden. Mein liebes Tagebuch, damit sind wir Apothekers so ziemlich die einzigen im großen Gesundheitswesen, die in Sachen G-BA nichts zu sagen haben. Toll, oder? Die Kammer Nordrhein hatte sich zwar auf dem Deutschen Apothekertag mit einem Antrag dafür ausgesprochen, einen pharmazeutischen Beirat zum G-BA zu gründen – aber der Antrag ging, na wohin? Klar: ab da in den Ausschuss. Also, fort und weg und aus. Mein liebes Tagebuch, so werden wir nie gehört werden.

16. Oktober 2015

Der Deutsche Bundestag hat die Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Telekommunikationsunternehmen verpflichtet werden, sämtliche Verkehrsdaten für zehn Wochen und Standortdaten für vier Wochen zu speichern. Auch die Verkehrs- und Standortdaten von Berufsgeheimnisträgern (sind auch Apotheker!) sollen gespeichert werden. Ein Schritt hin zum Überwachungsstaat. Die Berufsverbände der Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer protestieren dagegen. Denn aus den gespeicherten Daten können z. B. aussagekräftiger individuelle Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellt werden: Ob, wann und wie lange jemand z. B. mit einem Abgeordneten, Arzt, Apotheker, Journalisten, Rechtsanwalt oder Steuerberater Kontakt hatte. Das kratzt gewaltig am Vertrauensverhältnis zwischen den Trägern von Berufsgeheimnissen und ihren Patienten bzw. Mandanten. Mein liebes Tagebuch, technisch wäre es machbar, Ärzte, Apotheker und die anderen Berufsgeheimnisträger von der Überwachung auszunehmen. Aber die Koalition will es nicht. Jedes Jahr ein bisschen mehr 1984? 

 

Und da haben wir ihn, den Aufreger der Woche: Gröhe, seines Zeichen Bundesgesundheitsminister, definiert den Apothekerberuf neu. Ja, mein liebes Tagebuch, du liest richtig: Gröhe hat einen Zehn-Punkte-Katalog aufgestellt, was im Einzelnen zur Ausübung des Apothekerberufs gehört, was pharmazeutische Tätigkeiten sind. Warum tut er das? Hintergrund der Aktion ist eine anstehende Umsetzung der EU-Richtlinie zur Berufsanerkennung. Mit dem Gesetz soll u. a. die Grundlage für die Ausstellung eines europäischen Berufsausweises für Apotheker geschaffen werden. Die EU will die Mobilität von Gesundheitsberufen innerhalb der Gemeinschaft erleichtern. So weit so gut. Aber: Gröhes Katalog für den Apothekerberuf liest sich wie ein Berufsbild aus dem letzten Jahrhundert. In Gröhes Augen ist der Apotheker noch immer die Labormaus, die vor allem herstellt und prüft, und der alte Krämer, der Arzneimittel lagert, bevorratet, verteilt und verkauft. Nur in einem der zehn Punkte schimmert ein kleinwenig der moderne Apotheker durch, den die ABDA im Perspektivpapier vor Augen hat. So heißt es in Punkt 7 lapidar: „Information und Beratung über Arzneimittel als solche, einschließlich ihrer angemessenen Verwendung.“ Tja, das ist alles, wo man Patientennähe und „näher am Patienten“ herauslesen kann. Nicht viel für einen Apotheker, der an erster Stelle Berater sein soll.  Mein liebes Tagebuch, ich bin schockiert. Null Fortschritt im Apothekerberufsbild! Kein Wunder, wenn Gröhe einem Apotheker, der in seinen Augen vor allem Prüfer, Hersteller, Lagerist und Arzneimittelverkäufer ist, nicht zutraut, einen Medikationsplan zu erstellen geschweige denn die Arzneitherapie der Patienten zu überwachen oder auf dem Gebiet der Prävention tätig zu werden. Mit Verlaub, mein liebes Tagebuch, die Gröhesche Apothekerdefinition ist eine Katastrophe! Denn auch die Vielfalt der Felder, in denen heute Apotheker tätig sind, findet sich vollkommen  unzureichend.

Und wo war und ist die ABDA? Wurde sie um die Vorlage einer Neudefinition gebeten? Hat der Gesundheitsminister das Bild des Apothekerberufs alleine festgesetzt, hat er diejenigen, die den Beruf ausüben, überhaupt mal gefragt?

Die ABDA hatte, so war zu hören, zwar dagegen protestiert, aber, wie so oft, ohne Erfolg. Jetzt hat das Bundeskabinett die Änderung der Bundes-Apothekerordnung schon beschlossen und auf den weiteren parlamentarischen Weg gebracht. Dass sich da noch groß was ändert, kann man kaum glauben – angesichts des hervorragenden Standings, das wir Apothekers im Ministerium genießen. Hilfe, mein liebes Tagebuch, wo soll das alles hinführen?


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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