Verblisterte Arzneimittel

Preisbindung hängt von der Abgabe ab

Stuttgart - 29.10.2015, 14:48 Uhr

Verblisterte Arzneimittel: Wer darf Preis festlegen? (Foto: daz)

Verblisterte Arzneimittel: Wer darf Preis festlegen? (Foto: daz)


Die Preisbindung von Arzneimitteln, die von Apotheken patientenindividuell verblistert werden, war im März Thema des Bundesgerichtshofs. Aus dem Urteil folgerte man, dass Apotheke und auch der pharmazeutische Hersteller die Preise frei bestimmen könnten. Dem widersprechen nun Juristen.

Etwa 4000 Apotheken in Deutschland bieten ihren Patienten eine individuelle Verblisterung ihrer Arzneimittel an. Entsprechend groß war die Aufregung, als der Bundesgerichtshof im März 2015 entschied, dass bei Abgabe von patientenindividuellen Arzneimittelblistern weder die abgebende Apotheke noch der Hersteller der Arzneimittel an die Preisbindungsvorschriften der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisVO) gebunden sind. Hier sei § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 AMPreisVO anzuwenden, nach dem die Preisspannen und Preise der Apotheken bei Abgabe von aus Fertigarzneimitteln entnommenen Teilmengen vom Anwendungsbereich der Arzneimittelpreisverordnung ausgenommen sind, soweit deren Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke unverändert bleiben.

Fertigarzneimittel oder in  Apotheke angefertigtes Arzneimittel?

Fertigarzneimittel oder in der Apotheke angefertigtes Arzneimittel?

Aus diesem Urteil wird zum Teil abgeleitet, dass die Preise für Fertigarzneimittel, die patientenindividuell verblistert werden sollen, nunmehr generell freigegeben seien, und zwar über die Handelsstufen hinweg.

Dem widersprechen nun die renommierten Arzneimittelrechtler Sabine Wesser und Valentin Saalfrank in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Arzneimittel & Recht“. Für die Beantwortung der Frage, ob die arzneimittelrechtliche Preisbindung (für die Apotheken und die pharmazeutischen Hersteller) gelte, komme es entscheidend darauf an, was die Apotheke abgebe.

Gegenstand dieser Abgabe seien entweder die vom Arzt verschriebenen Fertigarzneimittel, aus denen die Apotheke dann nach der Abgabe den Blister befüllt, oder es werde direkt der patientenindividuelle Arzneimittelblister abgegeben. Letzteres setzte allerdings ein Rezept voraus, das genau dies verordne. Dann handle es sich nicht um ein Fertigarzneimittel, sondern um ein in der Apotheke angefertigtes Arzneimittel – und für diese gibt es eigene Preisvorschriften.

Im ersten Fall – der Abgabe eines Fertigarzneimittels mit anschließender Verblisterung – handelt es sich laut Wesser und Saalfrank gerade nicht um die Abgabe einer Teilmenge, von der der BGH gesprochen hatte. Deshalb gelten die Preisbindungsvorschriften in vollem Umfang. Dass der Patient die ursprüngliche Arzneimittelpackung niemals selbst in den Händen hält, sei nicht entscheidend, die Abgabe erfolge durch Einräumung eines Besitzkonstituts nach § 930 BGB, der Patient schließe mit dem Apotheker (mindestens implizit) einen Werkvertrag über die Herstellung eines patientenindividuellen Blisters.

Die Autoren sehen diese Auffassung auch durch die bisherige Abrechnungspraxis bekräftigt. Mit der Krankenkasse würden die Fertigarzneimittel abgerechnet, die Verblisterung erfolge auf Anordnung und Rechnung des Patienten oder seines Vertreters, wie etwa dem Träger eines Heims – wenn diese Tätigkeit überhaupt in Rechnung gestellt werde.

Teilmenge nur bei verordneter Verblisterung

Anders sei das, wenn der Arzt die Verblisterung auf dem Rezept verordne, also ein in der Apotheke durch Auseinzelung hergestelltes Arzneimittel verschreibt. Dann handle es sich nicht um die Abgabe von Fertigarzneimitteln, sondern eines in der Apotheke hergestellten patientenindividuellen Arzneimittelblisters. Dessen Apothekenabgabepreis sei dann nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 AMPreisV tatsächlich von den Preisbindungsvorgaben der Arzneimittelpreisverordnung ausgenommen.

Wesser und Saalfrank warnen die Apotheker ausdrücklich davor, ohne entsprechende Preisvereinbarung mit der Krankenkasse des Patienten ausgeeinzelte (verblisterte) Teilmengen abzugeben – auch, wenn der Vertragsarzt dies verordnet haben sollte. Da hier eine gesetzliche Preisbestimmung fehle, habe der Apotheker gegen die Krankenkasse nur dann einen Vergütungsanspruch, wenn zuvor eine vertragliche Preisregelung getroffen wurde.


Dr. Benjamin Wessinger (wes), Apotheker / Herausgeber / Geschäftsführer
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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