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Muss die Medizin einen Mythos begraben? Das legen gleich drei aktuelle Studien nahe. Sie zeigen, dass Antioxidantien dem Krebs eher Hilfestellung leisten, als ihn in Schach zu halten.
Antioxidantien gelten vielen als Synonym für den gesunden und bewussten Umgang mit dem Körper. Sie stecken in Kapseln, Brausetabletten, Bonbons, selbst in Wein, Cremes und spezielle Gummibärchen. Schützen sollen sie vor Alterung, Rheuma und Krebs, weil sie freie Radikale abfangen, die die gesunden Zellen schädigen können.
Soweit die Theorie. „Einen nachhaltigen Beweis, dass Vitaminkapseln und Brausetabletten voller Spurenelemente tatsächlich vor schwerwiegenden Krankheiten schützen, hat die Wissenschaft bislang nicht erbracht“, sagt Gerd Antes, Direktor des Deutschen Cochrane Zentrums in Freiburg. Und konzentriert man sich auf Krebs, scheint ein Zuviel des Guten alles andere als nützlich zu sein. Zusätzlich aufgenommene Antioxidantien sollen wandernden Zellen des schwarzen Hautkrebs helfen, sich im Körper auszubreiten und Metastasen zu bilden. Das wenigstens legen gleich zwei Maus-Studien aus dem Oktober nahe.
Lungenkrebsrate stieg
Der Verdacht, das Antioxidantien dem Krebs Vorschub leisten, ist nicht neu. Schon 1994 kamen finnische Wissenschaftler zu dem Schluss, dass ein Mehr an Vitamin E (alpha-Tocopherol) oder der Vorstufe des Vitamin A (beta-Carotin) nicht zwingend zur Gesundheit beiträgt. Unter den fast 30.000 ausschließlich männlichen Teilnehmern ihrer Studie stieg bei genau denen, die rauchten und synthetisches beta-Carotin einnahmen, die Lungenkrebsrate um 18 Prozent. Bei solchen, die auf alpha-Tocopherol setzten, kam es häufiger zu Schlaganfällen.
Zwei Jahre später musste eine weitere über 70.000 Teilnehmer zählende Studie gestoppt werden, nachdem sich zeigte, dass mit der Einnahme von Beta-Carotin und Retinol (eine weitere Vorstufe von Vitamin A) das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken um 28 Prozent wuchs. Noch nicht ganz so lange her ist eine Analyse verschiedener Studien mit den Radikalfängern, nach der zusätzliches Vitamin A oder E oder deren Kombination die Menschen eher sterben, denn länger leben lässt.
Dennoch haben Antioxidantien bislang wenig an ihrer Popularität eingebüßt. Vielleicht, weil noch niemand erklären konnte, wie die chemischen Verbindungen etwa den Krebserkrankungen auf die Sprünge helfen. Schließlich sind freie Radikale tatsächlich zell- und erbgutschädigend und der Zusammenhang zwischen Krebswachstum und den Antioxidantien könnte auch auf einem Zufall beruhen.
Die Antwort suchte nun das Team um Martin Bergö vom Sahlgrenska Cancer Center in Göteborg beim schwarzen Hautkrebs. Der, so schreiben es die Autoren im Oktober in ihrer Veröffentlichung in Science Translational Medicine, sei besonders empfindlich gegenüber den reaktiven Molekülen. Sie fütterten das Antioxidanz an gentechnisch hautkrebsanfällig gemachte Mäuse – in einer Dosierung pro Gewicht, die dem entspricht, was Menschen gewöhnlich zu sich nehmen.
Tumorzellen wurden mobiler
Was sie nun beobachteten, ließ die Forscher stutzen. „Die Tumore selbst wuchsen nicht, aber die Krebszellen, die auswanderten, wurden mobiler und konnten leichter ins Gewebe eindringen“, berichtet Bergö. Sie bildeten schneller und erfolgreicher Metastasen. Die Autoren spekulieren, dass die Antioxidantien die gefährlichen Tumorzellen im Blut genauso schützen, wie gesunde Zellen.
Metastasierung ist – so zynisch das klingt – ein recht erfolgsarmer Prozess. Obwohl oftmals viele Krebszellen durch das Blut schwimmen, schaffen es nur wenige tatsächlich eine neue Nische zu finden. Blutströmung, Abwehrzellen und Gefäßwände sorgen dafür, dass die meisten die Reise in andere Organe nicht überleben. Und glaubt man einer zweiten Studie, die ebenfalls im Oktober in Nature erschien, vernichtet auch oxidativer Stress, also der durch freie Radikale, die gefährlichen Zellen.
Das Team um Sean Morrison vom Medical Center in Dallas hatte gentechnisch modifizierten Mäusen menschlich Hautkrebsgeschwüre eingepflanzt und injiziert und beobachtet, was in den mobilen Tumorzellen geschieht. Antioxidantien, so stellen die Forscher fest, machen sie überlebensfähiger, in dem sie zerstörerische Radikale abfangen und die Zelle stabilisieren. Zudem scheinen sie ein Protein zu aktivieren, dass den Krebszellen hilft, durch den Körper zu wandern.
Positive Wirkung nicht belegt
Angesichts der ungebrochenen Beliebtheit der Antioxidantien scheint weitere Forschung dringend notwendig. Auch der Krebsinformationsdienst in Heidelberg warnt Patienten davor, zusätzlich Vitaminpräparate oder andere Nahrungsergänzungsmittel auf eigene Faust einzunehmen. Weder sei gesichert, dass sie den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen, noch wäre belegt, dass die Präparate vor einem Rückfall schützen, heißt es.
Einer gesunden Ernährung, die ausreichend Vitamine und Spurenelemente beinhaltet, sei aber nichts entgegenzusetzen. Da sind sich die Experten einig.
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