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Zur Lage der Apotheken: Große werden größer, kleine immer kleiner. Wie kann man der Politik vermitteln, dass Apotheken eine Honoraranpassung brauchen? Und was ist denn eigentlich im Honorar drin? Wie passen Taler, Discountangebote und Happy Hours dazu? Und überhaupt, mein liebes Tagebuch, welche Strategie hat die ABDA? Oder besser: Hat sie eine?
16. November 2015
Die typische Apotheke gibt es kaum noch – belegen Zahlen der Treuhand Hannover. Man stellt mehr und mehr eine große Spreizung auf immer mehr Umsatzgrößenklassen fest. Mein liebes Tagebuch, die derzeitige Entwicklung auf einen einfachen Nenner gebracht: Große Apotheken werden immer stärker und größer, kleine Apotheken immer kleiner – bis zum Exitus, sie müssen schließen. Die verbleibenden größeren Apotheken übernehmen dann „liebevoll“ deren Kunden und wachsen weiter. Da lassen sich spannende Szenarien ableiten, wie der Apothekenmarkt in zehn Jahren aussieht. Ein mögliches Szenario: Die Entwicklung ist ein von der Politik gewollter Rückgang der Apothekenzahlen. Setzt man etwa darauf, dass die verbleibenden großen Apotheken mit mehr Kunden, mehr Umsatz, mehr Ertrag und letztlich mit 8,35 Euro Honorar auskommen?
Was bisher noch kaum in der Diskussion war: Der andauernde Trend zu Apothekenschließungen bringt auch Probleme für Apothekerverbände, merkt Peter Froese, Verbandschef von Schleswig-Holstein an. Sinkende Apothekenzahlen bedeuten sinkende Mitgliederzahlen bedeuten: Es wird immer schwieriger, Gremien zu besetzen, obwohl gerade die Arbeit der Verbände immer professioneller werden müsste. Stimmt, mein liebes Tagebuch.
Tapfer wiederholt Froese die Honorarforderung der Apotheker: eine funktionierende Anpassung der Preisbildung. Doch die Forderung in den Saal gesprochen wird wenig nützen. Denn zum Honorar wird bekanntlich erst mal ein Gutachten im Auftrag des Wirtschaftsministeriums erstellt, Abgabetermin 2018. Und, was glauben wir wohl, was da drin steht? Um mit dem Innenminister zu sprechen: Mein liebes Tagebuch, ein Teil der Antworten würde die Apotheker verunsichern.
Und während mit diesem Gutachten ein paar Ökonomen nach einem modus operandi für die Apothekerhonorare suchen, zelebrieren sich einige Nur-Kaufmanns-Apotheker mit Discountangeboten und Talern, Incentives und Happy Hour, und verschenken Paracetamol für einen Cent, wie es die hessische Kammerchefin Ursula Funke anprangert. Mein liebes Tagebuch, sie hat Recht, wenn sie fragt, ob das noch glaubwürdig ist: Einerseits wollen wir Medikationspläne ausfüllen und analysieren, andererseits werben einige mit „buy three, get one free“. Bricht uns der Spagat zwischen Kaufmann und Heilberuf die Knochen?
17. November 2015
Als eine Apothekerin nicht auf die Forderung eines Heimes einging, im bestehenden Arzneimittelliefervertrag auch eine kostenlose Verblisterung mit aufzunehmen, flog die Apotheke aus dem Vertrag. Ein Landgericht sprach der Apothekerin Schadensersatz zu, ein Oberlandesgericht stellte sich auf die Seite des Heimes. Revision ist zugelassen. Mein liebes Tagebuch, ist schon heftig: Sollte sich die Ansicht des OLG durchsetzen, hat die Apotheke trotz Mustervertrag keinen Schutz. Und überhaupt: Verblistern als kostenlose Zugabe? Das hat man berufspolitisch nie ernst genommen. Und jetzt?
Der Beipackzettel – ein Buch mit sieben Siegeln. Nicht nur für Patienten, sondern auch für Ärzte, Apotheker und Pflegekräfte, wie eine Studie zeigt. Selbst Fachleute können die Beipackzettel nicht verstehen, nicht interpretieren. Angegebene Nebenwirkungen ordnen die befragten Heilberufler in den meisten Fällen dem Arzneimittel zu, obwohl es sich bei den beschriebenen Nebenwirkungen oft um Symptome handelt, die auch ohne Arzneimitteleinnahme auftreten. Mein liebes Tagebuch, Beipackzettel sind im Prinzip juristische Schriftsätze, mit denen sich die Hersteller gegen Schadensersatzforderungen absichern. In vielen Fällen kann man das den Herstellern gar nicht verübeln. Aber es hilft den Patienten und, wie man jetzt sieht, auch den Fachleuten nicht weiter. Ein Beipackzettel, den keiner richtig versteht, hat seinen Sinn verfehlt. Da muss sich was ändern. Vielleicht muss ein zweiter in einfacher Sprache dazu. Und was nicht schadet: Wenn man auch im Studium ein paar Stunden Beipackzettelkunde hätte.
Das antike holzschnittartige Gröhe-Berufsbild des Apothekers, der in seiner Apotheke Arzneimittel herstellt und prüft, lagert und verteilt und ein bisschen über Arzneimittel informiert, stößt nicht nur bei Apotheker auf Unverständnis, sondern zum Glück auch im Bundesrat. Der Gesundheitsausschuss will die Bundes-Apothekerordnung weiter fassen, als es der Gesundheitsminister plant. Mein liebes Tagebuch, da bestehen echte Chancen, dass auch Apothekertätigkeiten außerhalb der Apotheke abgebildet werden und der Apothekerberuf weiter und umfassender dargestellt wird. Schade, dass die laufende ABDA-Diskussion zum Berufsbild zu spät kommt – sie wird vom Bundesrat nicht berücksichtigt werden können. So können wir uns dann, mein liebes Tagebuch, an unserem eigenen Wunschbild nur noch selbst erfreuen, in einen Goldfolianten binden lassen und ins Regal stellen.
18. November 2015
Der traut sich was: Apotheker Mathias Orth hat den Retaxstreit mit Kassen dicke. Er hat eine Nullretax kassiert, weil er angeblich einen Rabattvertrag nicht beachten haben soll. Orth ist sich jedoch sicher, dass er in seinem Fall – es geht um ein Oxycodon-Retardpräparat – nicht zur Substitution verpflichtet war. Deswegen hat er seinen Fall an Gesundheitsminister Gröhe geschickt. Es sei allerhöchste Zeit, dass die Macht der Kassen reduziert werde, schreibt er an Gröhe. Mein liebes Tagebuch, vielleicht sollten das noch mehr Apothekers machen, die sich von den Kassen zu Unrecht retaxiert fühlen. Allerdings, so war zu hören, mag Gröhe keine offenen Briefe, mit denen er unter Druck gesetzt wird. Vermutlich darf Orth mit der Antwort rechnen, dass die Selbstverwaltung gerade dabei ist, eine Lösung für die Retaxquerelen zu finden. Egal, etwas hat sein Brief schon bewirkt: Die Kasse will seinen Retax-Fall noch einmal prüfen.
Brandenburgs Kammerpräsident Jens Dobbert listet die politischen „Erfolge“ der ABDA 2015 auf: keine Anpassung der Apothekerhonorierung, keine Erhöhung der BtM-Gebühr und des Rezepturentgelts, kein Apotheker im Präventionsgesetz, wahrscheinlich kein Apotheker beim Medikationsplan. Ach, mein liebes Tagebuch, was erwartet Herr Dobbert eigentlich? Da möge er doch mal auf die Habenseite schauen: die 1,77 Euro Kassenabschlag und das Entlassmanagement, und dann: ein verabschiedetes Leitbild, eine neue Nobelbleibe, die umstrukturierten Töchter und die Metamorphose zum e.V. Na, ein dickes Wow, oder? O.k. mein liebes Tagebuch, du und Dobbert haben ja Recht, das alles ist nicht wirklich der Bringer. Und lässt keinen Cent mehr in die Kasse springen. Nach der mitreißenden Rede des ABDA-Präsidenten auf dem Apothekertag folgte kein Ruck durch die ABDA-Führung. Die ABDA-Spitze versank stattdessen in einen Schönheitsschlaf, so Dobbert.
19. November 2015
Vom fauchenden Löwen zum ABDA-Kuschelkätzchen: Noch im Juni polterte die Apothekerkammer Nordrhein mit Ausstieg aus der ABDA – doch das sind jetzt alles olle Kamellen. In der Kammerversammlung beschlossen die Delegierten, Mitglied der ABDA bleiben zu wollen. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt stand den Delegierten Rede und Antwort – und leistete Überzeugungsarbeit, zur vollsten Zufriedenheit aller. Und ein Antrag, der eine Verdoppelung der Vergütungen für den Vorstand des Versorgungswerks Nordrhein vorsah, verschwand in der Schublade. Mein liebes Tagebuch, oh wie schön ist Panama!
20. November 2015
Und das hat ABDA-Präsident Schmidt auf der Kammerversammlung Nordrhein gesagt: Eine aggressivere Öffentlichkeitsarbeit, ein konfrontativer Verhandlungsstil bringt die Apotheker bei der Durchsetzung ihrer Interessen nicht weiter, meint Schmidt. Kann man so sehen, mein liebes Tagebuch. Nun, man muss ja nicht gleich aggressiv oder konfrontativ sein, aber eine etwas deutlichere Artikulation der Apothekerinteressen in Richtung Politik könnte nicht schaden. Was Schmidt klar sieht: In wirtschaftlicher Hinsicht kann man nicht zufrieden sein, die ABDA ist es auch nicht. Aber die Politik sei nicht bereit, „den Geldsegen über alle Apotheke“ auszuschütten. Die Politik meine, dass eine Anhebung des Fixums nur umsatzstarke Apotheken stärker machen würde. Mein liebes Tagebuch, hier scheint es einen Riesen-Dissens in der Wahrnehmung der wirtschaftlichen Situation der Apotheker zu geben. Eine Anpassung des Fixums an die steigenden Kosten – das ist doch noch lange kein Geldsegen! Lässt sich das nicht kommunizieren? Was Schmidt auf keinen Fall will: den Leistungsumfang, der heute durch das Honorar von 8,35 Euro abgedeckt wird, detailliert aufschlüsseln. Diese Forderung werde immer wieder erhoben, um zu zeigen, dass neue Dienstleistungen wie eine Medikationsanalyse nicht abgedeckt seien. Eine Aufschlüsselung berge die Gefahr, dass das Fixum filetiert werde. Das könnte dazu führen, dass derjenige, der bestimmte Aufgaben nicht übernehme oder übernehmen wolle, ein niedrigeres Honorar bekommt. Mein liebes Tagebuch, schwierig, schwierig. An der Argumentation Schmidts ist was dran: Unser Honorar ist historisch gewachsen, es wurde noch nie aufgedröselt, was im Honorar explizit enthalten ist. Aber wie will man dann der Politik vermitteln, dass ein Honorar für den Medikationsplan oder die Medikationsanalyse nicht im bisherigen Honorar enthalten ist? – Vielleicht sind auch alle unsere Überlegungen für die Katz, mein liebes Tagebuch. Wenn in zwei Jahren das Gutachten kommt und über unser Honorar entscheidet – dann ist Schicht im Schacht.
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