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Demokratische Legitimation des G-BA
Verfassungsbeschwerde aus formalen Gründen abgewiesen
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde als unzulässig verworfen, die sich unter anderem auf eine fehlende demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses stützte. Zweifel am Konstrukt des Gremiums bleiben dennoch.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit einem am 20. November 2015 veröffentlichten Beschluss eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Bundessozialgerichts als unzulässig verworfen.
Vorinstanzen verweigerten Erstattung eines Medizinproduktes
Die Klägerin, die an einer chronischen Erkrankung der Harnblasenwand leidet, hatte zur Therapie ihrer Krankheit von ihrer Krankenkasse die Erstattung eines Medizinprodukts begehrt. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte dieses jedoch nicht in die Liste der verordnungsfähigen Medizinprodukte aufgenommen. Das Bundessozialgericht entschied: zu Recht. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch darauf, dass die Kosten nach den Grundsätzen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 („Nikolaus-Beschluss“) zur Behandlung einer lebensbedrohlichen Erkrankung übernommen würden.
Die Betroffene legte daraufhin Verfassungsbeschwerde ein. Diese stützte sie insbesondere auf die aus ihrer Sicht fehlende demokratische Legitimation des G-BA bei der Ausgestaltung der Leistungsansprüche der Versicherten. Zudem ging es um die Anspruchsvoraussetzungen gesetzlich Krankenversicherter mit schwerwiegenden Erkrankungen auf Medizinprodukte nach § 31 Abs. 1 Sätze 2 und 3 Sozialgesetzbuch (SGB) V. Die Beschwerdeführerin vertrat die Ansicht, es sei verfassungsrechtlich geboten, den grundgesetzlichen Leistungsanspruch nach dem „Nikolaus-Beschluss“ auf schwerwiegende Krankheiten zu erweitern, die wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankungen vergleichbar sind.
Bundesverfassungsgericht vermisst substantiierten Vortrag
Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde zwar zur Entscheidung an – es wies sie jedoch aus formalen Gründen zurück. Es befasste sich also lediglich mit den formalen Voraussetzungen, ohne in eine weitergehende materiell-rechtliche Prüfung einzusteigen. Die Karlsruher Richter befanden bereits, dass die Beschwerdeführerin ihre möglichen Grundrechtsverletzungen nicht substantiiert und schlüssig vorgetragen habe. Im Hinblick auf die demokratische Legitimation des G-BA begnüge sie sich etwa mit der Wiedergabe allgemeiner Zweifel.
Verfassungsrichter Kirchoff hegt dennoch Zweifel
Ob das Konstrukt des G-BA, der oft auch als „kleiner Gesetzgeber“ bezeichnet wird, tatsächlich langfristig juristisch tragbar ist, lässt die Entscheidung allerdings offen. Erst kurz vor dem jetzt veröffentlichten Beschluss hatte Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhof, Vorsitzender des zuständigen Ersten Senats, öffentlich erhebliche Zweifel an der verfassungsrechtlichen Legitimation des G-BA geäußert. In einem Vortrag bei der „Juristischen Gesellschaft zu Kassel“, nahm Kirchhof nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ „das rechtliche Konstrukt des Gemeinsamen Bundesausschusses auseinander, sodass am Ende nicht viel übriggeblieben“ sei.
Die verfassungsrechtliche Legitimation im Grundgesetz fehle. Die Vorgaben und Kontrollen durch den Gesetzgeber seien eher vage. Dies lasse der Selbstverwaltung sehr viel Raum, obwohl der Gesetzgeber gemäß dem Demokratieprinzip wesentliche Entscheidungen selbst treffen müsse. Sehr unbestimmt seien auch die zentralen Rechtsbegriffe, auf die der G-BA seine Arbeit stütze: Einhaltung von Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung. Im Gegensatz dazu verfüge er über eine enorme Machtfülle: Kirchhof verglich laut FAZ den Bundeshaushalt von 300 Milliarden Euro mit dem vom G-BA beeinflussten Finanzvolumen. Dabei gilt, dass von den 200 Milliarden Euro, die die gesetzlichen Kassen in diesem Jahr ausgeben, der größte Teil durch Festlegungen des G-BA bestimmt ist.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10. November 2015, Az.: 1 BvR 2056/12
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