Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

29.11.2015, 08:00 Uhr

Rückblick auf die letzte Woche (Foto: imagesab - Fotolia.com)

Rückblick auf die letzte Woche (Foto: imagesab - Fotolia.com)


Ach du schöne Weihnachtszeit: Der Apotheker soll Medikationsplan-Assi des Arztes werden. Wie  putzig! Aber die ABDA holt noch einen Trumpf aus dem Ärmel. Warum erst jetzt? Außerdem: Für Zytopatienten gibt’s keine freie Apothekenwahl. Und die BKK Pronova bleibt beim Retaxfall hart: Apothekerlein, klag doch, wenn du dich traust!

23. November 2015

Was ist der Gemeinsame Bundesausschuss eigentlich für ein Konstrukt? (Die Frage kam im Zusammenhang mit der Verfassungsbeschwerde einer Patientin auf, der ein bestimmtes Medizinprodukt verweigert worden war, weil es der G-BA nicht in die Liste verordnungsfähiger Medizinprodukte aufgenommen hatte.) Also, ist das mitunter als „kleiner Gesetzgeber“ bezeichnete Organ eigentlich verfassungsrechtlich legitimiert? Darüber sollte man mal eine intensive Diskussion anstoßen. Immerhin, der G-BA hat eine enorme Machtfülle, er entscheidet, ob die Versicherten bestimmte Arzneimittel bekommen oder nicht. Und die Entscheidungen stützen sich auf gummiartige Begriffe wie „Einhaltung von Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung“. Mein liebes Tagebuch, Der kleine G-BA beeinflusst mit seinen Entscheidungen immerhin den größten Teil des GKV-Finanzvolumens von 200 Mrd. Euro – nicht schlecht für dieses Gremium. Umso mehr ist die Frage berechtigt: Ist das Konstrukt G-BA juristisch tragbar?

24. November 2015

Beispiel Hessen: Die Zahl der Apotheken geht zurück. Und die Demografie schlägt zu: Mindestens zwei von fünf Apotheken müssen sich in den nächsten zehn Jahren einen neuen Inhaber suchen – oder sie müssen schließen. Tendenz zunehmend. Mein liebes Tagebuch, man darf wohl davon ausgehen, dass die Ergebnisse dieser vom Hessischen Apothekerverband in Auftrag gegebenen Studie nicht nur für Hessen gelten, sondern so oder so ähnlich auf die Bundesrepublik übertragbar sind. Denn: Die Demografie ist überall. Also, haben wir eigentlich die möglichen Szenarien im Blick?Geht man davon aus, dass nicht jede Apotheke einen Nachfolger findet und nicht jede Apotheke, die keinen Nachfolger findet, eine Filialapotheke wird, liegt es auf der Hand: Die Apothekenzahl sinkt weiter. Außerdem: Viele Jungapprobierte wollen nicht mehr in die öffentliche Apotheke: Es wird schwerer Personal zu finden, auch deswegen, weil mittlerweile rund 80 Prozent der Pharmaziestudierenden weiblich sind: Einige von ihnen werden schon sehr bald wieder aus dem Berufsleben ausscheiden. Man wird die Entwicklung, vor allem auf dem Land, gut beobachten müssen. Flächendeckende Versorgung – in zehn Jahren schon gefährdet?

25. November 2015

So weit sind wir jetzt schon: Wirtschaftlichkeitsgebot schlägt freie Apothekenwahl. Jedenfalls ist dies der Fall, wenn eine Krankenkasse bei der Versorgung mit Zytostatika Verträge mit bestimmten Apotheken macht, entschied das Bundessozialgericht. Nur noch die Vertragsapotheken dürfen die Patienten dieser Krankenkasse versorgen. Beliefert diese Patienten eine Apotheke ohne Vertrag, wird sie gnadenlos retaxiert – im vorliegendem Fall fordert die AOK Hessen über 70.000 Euro von einer Apotheke zurück, die einen Patienten auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin mit Zytostatika versorgte. „Ein rabenschwarzer Tag für Krebspatienten und die wohnortnahe Versorgung“, meinte denn auch Klaus Peterseim, Chef des Zytoverbands. Mein liebes Tagebuch, weil die Kasse bei der Zytoversorgung Selektivverträge mit Apotheken abschließen darf, um ein paar Euro zu sparen, dürfen schwerstkranke Patienten sich nicht von ihrer nächstgelegenen zytoherstellenden Apotheke versorgen lassen, wenn sie keinen Vertrag hat. Die Kasse frohlockt. Die Patienten werden entmündigt, man entzieht ihnen ihr Recht auf freie Apothekenwahl. Und das ist keine gute Entwicklung! Hier sollten auch Patientenverbände auf die Barrikaden gehen. Und die Politik ist gefordert, solche Ausschreibungen zu verbieten. Doch das allerletzte Wort ist in dieser Sache noch nicht gesprochen. Am Landessozialgericht Darmstadt ist ein ähnlicher Fall in der Mache.

26. November 2015

Ein längst überfälliger Vorschlag: Die ABDA fordert in einer Stellungnahme zur Verschreibungsverordnung, dass Apotheker künftig unvollständig ausgefüllte Rezepte selbstständig ergänzen oder ändern können sollten. Es geht dabei um die Ergänzung von fehlenden Pflichtangaben wie Telefonnummern oder den ärztlichen Vornamen. Fehlen diese Angaben, verzögert sich zurzeit die Rezeptbelieferung, da erst Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden muss, außerdem könnten Retaxprobleme entstehen. Mein liebes Tagebuch, es wird höchste Zeit, dass hier Vernunft einkehrt und die übermäßige Bürokratie abgebaut wird. Apotheken zu retaxieren wegen einer fehlenden Telefonnummer des Arztes wäre das Allerletzte. Die ABDA fordert außerdem, die Gültigkeitsfristen von BtM- und T-Rezepten zu vereinheitlichen: BtM-Rezepte sind sieben, T-Rezepte sind sechs Tage gültig – warum das so ist, wissen die Götter. Also, es gibt keinen plausiblen Grund. Wird das Bundesgesundheitsministerium die ABDA erhören? Oder finden wir nicht mal mehr mit solchen Pipifax-Wünschen Gehör?

27. November 2015

Es müsste noch ein Wunder geschehen, wenn Apotheker in die Ersterstellung des Medikationsplans mit eingebunden werden. Derzeit sieht es so gar nicht danach aus. Auch wenn einzelne Bundestagsabgeordnete und Gesundheitspolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sich dafür aussprechen, den Apotheker mit einzubeziehen: Das Bundesgesundheitsministerium blockiert, war auf dem Parlamentarischen Abend von Bayerns Landesapothekerkammer und Apothekerverband in Berlin zu hören. Allerdings: Bei der Aktualisierung des Medikationsplans soll der Apotheker dann mitspielen dürfen, nein: müssen. Wenn der Patient es wünscht. Mein liebes Tagebuch, um es auf den Punkt zu bringen: Irgendwie ist dieses Spiel ganz übel. Der Apotheker wird zum Assistenten, zum Handlanger des Arztes degradiert. Super, oder? Der Arzt streicht das fette Honorar ein für einen Klick am PC, mit dem er den automatisch erstellten Plan ausdruckt, und der Apotheker muss womöglich seinen Kopf dafür hinhalten, darf mühsam Fehler ausbügeln, Ergänzungen vornehmen und OTCs nachtragen – für lau oder nichts. Danke, danke, danke! Womit haben wir das verdient?

Ja, mein liebes Tagebuch, und erst jetzt fällt unserer ABDA noch ein Super-Argument ein, das besagt, dass es ohne Apotheker eigentlich gar nicht geht: Da der Patient aufgrund der 18.000 Rabattverträge  in der Apotheke meist ein anderes als das verordnete Präparat erhält, kann der Arztausdruck gar nicht stimmen. Also, um es mal deutlich zu sagen: Das Papier, das der Patient vom Arzt als Medikationsplan erhält, ist für die Katz. Die Kasse zahlt dem Arzt also ein Honorar für einen Plan, der  für den Patienten wertlos ist. Geldverschwendung pur! Da fragt man sich, warum hat die ABDA mit diesem Argument, das eigentlich jeder Krankenkasse, jedem Hausarzt und sogar Herrn Gröhe einleuchten müsste, nicht schon eher Rabatz gemacht?

Und dann bleibt die letzte Frage: Bei all diesen stichhaltigen Argumenten für eine unmittelbare Beteiligung der Apotheker am Medikationsplan: Warum ist es uns, warum ist es unserer Berufsvertretung nie gelungen, der Politik die Fähigkeiten des Apothekers im Arzneimittelbereich zu kommunizieren? Oder haben die Ärzte einfach die bessere Lobby?

 

Gut dass es den Bundesrat gibt. Er hat in seiner letzten Sitzung den Gröheschen Zehn-Punkte-Katalog zum Apotheker-Berufsbild immerhin um drei Punkte erweitert: So sollen auch pharmazeutische Tätigkeiten von Apothekern in Bereichen der pharmazeutischen Industrie, der öffentlichen Gesundheitsverwaltung sowie in Forschung und Lehre erfasst werden. Damit ist der Katalog zwar noch nicht unbedingt der Hit, es fehlen noch einige Facetten zum modernen Berufsbild, aber immerhin besser, als wenn der altertümliche Gröhe-Katalog durchgewunken worden wäre.

 

Nach Ansicht der Pronova BKK und ihrem Dienstleister protaxplus hat Apotheker Mathias Orth bei der Abgabe eines Oxycodon-Präparats einen Rabattvertrag nicht beachtet: Er tauschte nicht aus, weil er im vorliegenden Fall keine Indikationsgleichheit sah und er sich daher nicht zur Substitution verpflichtet fühlte. Denn: Oxycodon mit einer 24-Stunden-Retardierung sei nicht gegen ein anderes Arzneimittel austauschbar. Retax-Spezialisten des Deutschen Apothekenportals gehen davon, aus in diesem Fall sogar „jeder Austausch gesetzlich untersagt ist“. Die Kasse stellt sich allerdings stur: Retaxation auf Null. Sie teilt dem Apotheker mit, dass hier eine unterschiedliche Rechtsauffassung besteht und er das Einspruchsverfahren nutzen kann. Und wenn es nicht zur Klärung kommt, steht ja noch der Klageweg offen. Mein liebes Tagebuch, ist mal wieder super! Muss man wieder wegen ein paar Euro die Gerichte bemühen!

Apotheker Ort hatte seinen Fall in einem Protest-Brief dem Bundesgesundheitsminister mitgeteilt, aber bisher noch keine Antwort bekommen. Es wird Zeit, dass die Schiedsstelle zu einem Ergebnis kommt – ständig die Nullretax-Querelen: Da muss endlich mal eine klare Richtung rein. So darf es nicht weitergehen!


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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