"Wie im Science-Fiction-Film"

Smog schnürt Menschen in Peking und Delhi die Luft ab

Peking/Stuttgart - 01.12.2015, 10:40 Uhr

Smog: Schadstoffindex der US-Botschaft für den gefährlichen Feinstaub erreichte "gefährliche" Spitzenwerte von 500 bis 600. (Foto: dpa)

Smog: Schadstoffindex der US-Botschaft für den gefährlichen Feinstaub erreichte "gefährliche" Spitzenwerte von 500 bis 600. (Foto: dpa)


Smogalarm in Peking, Ignoranz in Neu Delhi: Verheerende Luftverschmutzung beeinträchtigt das Leben der Menschen in beiden Metropolen. Währenddessen verhandeln Vertreter aller Nationen auf der Weltklimakonferenz in Paris über den globalen Klimaschutz - mit ungewissem Ausgang.

Verheerender Smog schnürt Millionen Menschen in Peking und anderen Regionen Nordchinas die Luft ab. Erstmals in dieser Jahreszeit musste die chinesische Hauptstadt die zweithöchste Alarmstufe "Orange" ausrufen. Die Behörden forderten die mehr als 20 Millionen Pekinger am Dienstag auf, wegen der hohen Schadstoffbelastung nicht vor die Tür zu gehen. Schulen und Kindergärten stoppten Freiluft-Aktivitäten. Fabriken sollten die Produktion herunterfahren.

Gefährliche Grenzwerte

Während Staats- und Parteichef Xi Jinping in Paris am Auftakt der Weltklimakonferenz teilnahm, hüllte der dichte Smog außer Peking auch noch die Nachbarmetropole Tianjin und fünf nordchinesische Provinzen Hebei, Shandong, Henan, Shanxi und Shaanxi ein. Der Index der US-Botschaft für den tückischen Feinstaub mit weniger als 2,5 Mikrometer Durchmesser (PM2,5) kletterte in der Hauptstadt auf über 600 Punkte. Damit wurde der Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation (WHO) um das 24-Fache überschritten.

Ärzte warnen, dass Feinstaub direkt ins Blut gehen und Krebs erregen kann. Die hohen Schadstoffbelastungen schwächten auch grundsätzlich das Immunsystem und erleichterten den Ausbruch von Atemwegsproblemen oder auch Herz- und Kreislauferkrankungen.

Während unter 500 schon vor "gefährlicher" Luft gewarnt wurde, kommentierte die Webseite der US-Botschaft die weiter steigenden Werte erst mit "verrückt schlimm", dann mit "Oh mein Gott" und schließlich mit "Flüchte nach Bali!". In der Stadt Baoding in der Nachbarprovinz Hebei wurden sogar Werte von 848 für die gefährlichen Feinpartikel erreicht.

Raus nur mit Maske

Trotz der extremen Belastung wollten die Pekinger Behörden aber die höchste Alarmstufe "Rot" nicht ausrufen. "Orange" beinhalte bereits viele Zwangsmaßnahmen, um den Schadstoffausstoß zu reduzieren, argumentierte Direktor Wang Bin vom Umweltschutzamt Pekings laut Medienberichten. "Es sollte weitreichende Auswirkungen haben, wenn diese Maßnahmen ernsthaft umgesetzt werden."

"Ich fühle mich krank in diesem Smogwetter", klagte die 25-jährige Sekretärin Liang Ying. "Ich trage draußen eine Atemschutzmaske, lasse Zuhause die Luftfilter laufen, trinke viel Wasser." Aus ihrer Sicht müssten die Behörden strengere Grenzwerte für den Ausstoß von Schadstoffen durch Fabriken erlassen.

"Ich war geschockt, als ich die heutigen Smogwerte sah», sagte die 35-jährige Zhang Li. "Es sieht wie in einem Science-Fiction-Film aus, in dem die Erde verschmutzt oder zerstört ist und alle sterben müssen. Ich bin so deprimiert", sagte die Übersetzerin zu dem schmutzigen Dunst, der Pekings Hochhäuser einhüllte und die Sichtweite in den Straßen auf wenige hundert Meter fallen ließ.

Dicke Luft in Delhi, aber noch nicht mal eine Warnung

Auch die Luftverschmutzung in Indiens Hauptstadt erreicht seit Tagen ähnliche Spitzenwerte wie in Peking, doch wurde nicht einmal Alarm ausgerufen oder davor gewarnt, vor die Tür zu gehen. Das Leben in der 16-Millionen-Metropole ging seinen gewohnten Gang. Anders als in Peking trug kaum jemand Atemschutzmasken.

Der Schadstoffindex der indischen Regierung für den gefährlichen Feinstaub lag bei bis zu 712 Mikrogramm pro Kubikmeter. Die Werte schwanken aber sehr stark. Die US-Botschaft maß zwischenzeitlich schon «sehr ungesunde» 279 in ihrem Index. Seit Tagen liegt eine weiße Smog-Decke über Delhi. An allen Messorten sank die Feinstaubbelastung nie unter 200 Mikrogramm.

Trotzdem liefen am Wochenende Zehntausende Menschen einen Halbmarathon mitten durch die Stadt. Die Fabriken in der Metropole laufen weiter, die Bauern in den umliegenden Bundesstaaten verbrennen ihr Stroh, und die Armen in den Slums zünden wie jeden Winter wärmende Feuer an - oft aus herumliegendem Plastikabfall.

Klimakonferenz gestartet

Am Montag wurde die 21. Vertragsstaatenkonferenz der UN zum Schutz des Weltklimas von 180 Staatsoberhäuptern in Paris eröffnet. Ziel der Verhandlungen ist ein Abkommen aufsetzen, dem alle teilnehmenden Staats- und Regierungschefs ausnahmslos zustimmen können. Unterhändler sind nun gefragt, in den kommenden zwei Wochen den Kompromiss zu schaffen.


dpa / DAZ.online
redaktion@daz.online


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