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Integritas-Mitgliederversammlung
Ohne Unrechtsvereinbarung keine Korruption
Die Annahme von Geschenken und Vergünstigungen soll Ärzte, Apotheker und andere Gesundheitsberufe künftig ins Gefängnis bringen können. Dies sieht der Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vor. Haben die Apotheker wirklich Grund zur Sorge?
Die geplanten neuen Paragraphen 299 a und 299 b des Strafgesetzbuchs – Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen – standen am Mittwoch auf der Tagesordnung des Öffentlichen Teils der Mitgliederversammlung von Integritas – Verein für lautere Heilmittelwerbung e.V. in Bonn. Dabei wurde die Befürchtung der ABDA, dass die Bestimmungen nicht ausreichend „bestimmt“ sein könnten, auch von den dort anwesenden Experten geteilt.
Verfolgungsrisiko wird steigen
So rechnet Hauke Brettel mit zahlreichen Rechtsunsicherheiten, die sich seiner Einschätzung nach erst in der Praxis herauskristallisieren werden. Die zu erwartende Unsicherheit schütze allerdings nicht vor Ermittlungstätigkeit und das Verfolgungsrisiko werde steigen, glaubt der Strafrechts-Professor und Kriminologe von der Universität Marburg. Unterm Strich meint Brettel jedoch: „Wenn das Berufsrecht nicht anschlägt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch das Strafrecht nicht anschlägt.“ Das Problem bei den Berufsordnungen der Apotheker und Ärzte sei jedoch, dass diese von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt sind. Eine ähnliche Diversität erkennt er in den Verhaltenskodizes der pharmazeutischen Industrie. Für diese sei jedoch bislang nicht entschieden, inwieweit sie strafrechtlich überhaupt maßgeblich sein könnten.
Branchenübliche Gepflogenheiten unproblematisch
Rechtsanwalt Matthias Runge aus Frankfurt widmete sich den möglichen Auswirkungen der neuen Antikorruptionsregelungen auf Rabatte, Werbegaben und Fortbildungsveranstaltungen. Dabei hält er den gesetzlichen Rahmen für die Rabattgewährung für relativ klar. Wer sich an die „branchenüblichen“ Gepflogenheiten halte, brauche nichts zu befürchten, glaubt Runge. Diese blieben zulässig, solange keine zusätzliche, anders geartete Unrechtvereinbarung getroffen würde. Hier sieht er jedoch, ebenso wie im Bereich Fortbildungsveranstaltungen einiges an Interpretationsspielraum, vor allem in der Frage, was angemessen und notwendig ist. Sollte etwa der Chefarzt Business fliegen dürfen und sein Mitarbeiter nicht? Die Berufsordnungen der Apotheker lieferten hierzu kein einheitliches Bild ab. Zudem sei fraglich, ob etwa die Empfehlungen der Bundesapothekerkammer zu zertifizierten Fortbildungen auch eine Indizfunktion für Firmenveranstaltungen haben könnten oder sollten.
Staatsanwältin: „Wir lassen uns nicht instrumentalisieren“
Staatsanwältin: „Wir lassen uns nicht instrumentalisieren“
Staatsanwältin Darya Alikhani-Hooma aus Düsseldorf „outete“ sich als große Befürworterin der neuen Vorschriften, weil damit Strafbarkeitslücken geschlossen würden. Sie würde den Vorteilsbegriff in diesem Zusammenhang sehr weit sehen: „Ein Rabatt, egal, ob zulässig oder nicht, ist erst mal ein Vorteil.“ stellte Alikhani-Hooma fest, gleichzeitig aber auch: „Was nach dem Sozialrecht erlaubt sei, bleibt erlaubt.“ Trotzdem könne eine zusätzliche Unrechtsvereinbarung, für sie das „Kernstück aller Korruptionsdelikte“ eine Strafbarkeit begründen. Zu einem etwaigen Missbrauch der neuen Strafrechtsnorm durch Mitbewerber als Anzeigende äußerte sich die Staatsanwältin sehr dezidiert: „Wir prüfen einen Anfangsverdacht sehr genau. Wir lassen uns da nicht instrumentalisieren.“
Wie der Vorsitzende von Integritas Norbert Pahne treffend resümierte, steckt bei den geplanten Antikorruptionsregeln offenbar tatsächlich „ der Teufel im Detail“. Eine wichtige Erkenntnis gab es noch dazu: Mit Bagatell-Ausnahmen soll wohl kaum zu rechnen sein.
Strafbarkeitslücke soll geschlossen werden
Der Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen ist die Folge einer Entscheidung des Bundesgerichthofs aus dem Jahr 2012. Dieser hatte festgestellt, dass Vertragsärzte, die von Pharmaunternehmen Geld annehmen und dafür deren Arzneimittel verordnen, nicht unter die bestehenden Korruptions-Strafttatbestände fallen. Diese Lücke im Strafrecht soll nun geschlossen werden. Von der Neuregelung werden auch andere Angehörige von Heilberufen erfasst, für deren Ausübung oder Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erforderlich ist. Also auch die Apotheker. Heilberuflern, die sich bestechen lassen, und denjenigen, die ihrerseits Heilberufler bestechen, drohen nach dem Gesetzentwurf Geldstrafen oder bis zu drei, in schweren Fällen sogar bis zu fünf Jahren Haft.
Das Gesetz soll im ersten Quartal 2016 verabschiedet werden und in Kraft treten.
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