Verbot von Rezeptzuweisungen

Keine Ausnahme für Applikationsarzneimittel

Berlin - 10.12.2015, 17:45 Uhr

Rezepte gehören grundsätzlich an Patienten ausgehändigt. (Foto: Detailblick-foto/ fotolia)

Rezepte gehören grundsätzlich an Patienten ausgehändigt. (Foto: Detailblick-foto/ fotolia)


Der Bundesgerichtshof hatte im März entschieden, dass das im Apothekengesetz verankerte Zuweisungsverbot eingeschränkt auszulegen ist, wenn es mit dem Krankenhaus-Entlassmanagement kollidiert. Dies sorgte für Unruhe bei Apothekern. In einem jetzt veröffentlichten Urteil zeigen sich die Karlsruher Richter jedoch wieder strenger.

Der Bundesgerichtshof hat bereits im Juni entschieden: Das Zuweisungsverbot gilt grundsätzlich auch dann, wenn Applikationsarzneimittel – etwa zur Hepatitis-C-Therapie – in der Arztpraxis beim Patienten angewendet werden sollen. Jetzt liegen die Entscheidungsgründe vor.

Einmal mehr haben sich die Richter in Karlsruhe mit dem Zuweisungsverbot des § 11 Abs. 1 Apothekengesetz auseinandergesetzt. Ihnen lag ein Fall vor, in dem eine Apotheke verschiedene verschreibungspflichtige Arzneimittel für Hepatitis-​C-Patienten an eine Arztpraxis abgegeben hatte. Die Arzneimittel sollten dort zwecks Einweisung in die Selbstverabreichung direkt an den Patienten angewendet werden. Rezept und Medikamente wurden unmittelbar zwischen der Arztpraxis und der Apotheke ausgetauscht. Die Patienten, die mit dieser Vorgehensweise des Beklagten und der Arztpraxis einverstanden waren, erhielten das Rezept nicht ausgehändigt.

Ein anderer Apotheker sah darin einen Verstoß gegen das Zuweisungsverbot und zog vor Gericht. Sowohl die erste als auch die zweite Instanz gaben ihm Recht. Sie gestanden ihm einen Unterlassungs- und einen Schadenersatzanspruch zu. Der beklagte Apotheker ging jedoch bis vor den Bundesgerichtshof – und der hob das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung an dieses zurück.

Verstoß gegen Zuweisungsverbot

Dabei hatte der Bundesgerichthof kein Problem mit der Frage, ob das Verhalten des beklagten Apothekers unzulässig war. Vielmehr heißt es im Urteil „Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen kann ein wettbewerbswidriges Verhalten nicht verneint werden“. Das Berufungsgericht habe mit Recht angenommen, dass der Apotheker bei der Lieferung der Arzneimittel auf Grundlage einer Absprache tätig geworden sei, die als Zuweisung im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 ApoG zu verstehen ist.

Es liege auch keine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot vor. Eine solche sieht etwa § 11 Abs. 2 ApoG vor, wenn es um anwendungsfertige Zytostatikazubereitungen geht. Im vorliegenden Fall bestehe aber keine nur annähernd vergleichbare Notwendigkeit, den Versorgungsweg zu verkürzen. Es gebe durchaus Möglichkeiten sicherzustellen, dass die für die Ersteinstellung und Ersteinweisung eines Hepatitis-​C-Patienten benötigten Medikamente, zum vereinbarten Termin in der Arztpraxis vollständig und in richtiger Verabreichungsform zur Verfügung stehen – auch ohne den Patienten zu umgehen. Auch habe im vorliegenden Fall kein hinreichender medizinischer Grund vorgelegen, der die Zuweisung hätte rechtfertigen können.

Am Merkmal der Zuweisung könnte es zudem fehlen, wenn der Arzt dem Patienten vor der Anwendung eines Applikationsarzneimittels hierzu neutral verschiedene Auswahlmöglichkeiten an die Hand gibt. Das kann die Aushändigung des Rezepts an den Patienten sein oder die Beauftragung des Arztes, das Rezept in einer vom Patienten bestimmten Apotheke einzulösen – oder in einer vom Arzt selbst ausgewählten. Doch dass die behandelnden Ärzte den Patienten vorliegend eine solche Wahlmöglichkeit eröffnet hätten, habe das Berufungsgericht nicht festgestellt.

Mit Entlassmanagement nicht vergleichbar

Der Fall sei ferner nicht zu vergleichen mit dem Sachverhalt, der dem Bundesgerichthof bei seinem „Kooperationsapotheken“-Urteil vorlag. Hier war es um Rezeptzuweisungen im Rahmen des Krankenhaus-Entlassmanagements gegangen. In diesem Zusammenhang hatten die Karlsruher Richter erklärt, § 11 Abs. 1 ApoG müsse einschränkend ausgelegt werden, wenn Kliniken den Übergang in den nächste Versorgungsbereich planen und dabei auch die Arzneimittelversorgung koordinieren. Auf ein solches Enlassmanagement haben Versicherte schließlich Anspruch. Doch eine entsprechende oder auch nur vergleichbare Sach- und Interessenlage liege bei in der Praxis eines niedergelassenen Arztes zu verabreichenden Applikationsarzneimitteln grundsätzlich nicht vor.

Knackpunkt ist das vom Gericht ausgesprochene Unterlassungsgebot

Dass sich die Vorinstanz nun dennoch erneut mit dem Fall beschäftigen muss, liegt an eher formalen Gründen. Das Berufungsgericht hatte in seinem Urteilsspruch dem Kläger nämlich mehr zugesprochen als dieser beantragt hatte. Der klagende Apotheker hatte eigentlich beantragt, sein Kollege müsse es unterlassen, „rezeptpflichtige Arzneimittel unter Umgehung des Rechts des Patienten auf freie Apothekenwahl sowie unter direkter Entgegenname ärztlicher Rezepte an deren Aussteller abzugeben oder abgeben zu lassen“. Der Tenor des Gerichts ging allerdings insofern weiter, als in diesem die Wendung „unter Umgehung des Rechts des Patienten auf freie Apothekenwahl“ fehlt.

Ohnehin hält der Bundesgerichtshof dem Kläger vor, dass seine bisherigen Klageanträge nicht erfolgversprechend sind. Sie seien zu allgemein gehalten, obwohl sich der Kläger nach den getroffenen Feststellungen nur auf ein ganz bestimmtes Verhalten im Zusammenhang mit der medikamentösen Ersteinstellung und Ersteinweisung von Hepatitis-C-Patienten berufen hat.

Und so wird sich das Oberlandesgericht Nürnberg erneut mit dem Fall befasse müssen. Der Bundesgerichtshof hat ihm deutlich skizziert, was es für seinen Unterlassungsausspruch zu beachten hat.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Juni 2015, Az.: I ZR 26/14


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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