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Hat uns dieses Jahr als Apotheker weiter gebracht? Ja – fragt sich bloß in welche Richtung. Mein liebes Tagebuch, aber mal Hand aufs Herz: Hätte es noch schlimmer kommen können? Kaum. Da hilft nur noch Star Wars.
14. Dezember 2015
Mein liebes Tagebuch, dir gefällt es, wenn wir die Dinge ein bisschen zugespitzt auf den Punkt bringen. Also, wirtschaftlich hat unsere Berufsvertretung in diesem Jahr so gut wie nichts zustande gebracht – wenn wir vom geplanten Hausverkauf und Hausneubau mal absehen. Für uns kleine Apothekers ist in diesem Jahr nichts übergekommen, nicht mal die Hoffnung auf ein bisschen Mehr: keine Honorarüberprüfung geschweige denn -anpassung, wir bekommen auch weiterhin nur 26 Cent für ein BtM-Rezept und geben Rezepturen ab, ohne 8,35 Euro dafür verlangen zu dürfen. Es bewegt sich so gar nichts, nicht mal ein bisschen, da kann man wohl absolut nicht von einer erfolgreichen Standesvertretung sprechen. Aber auch in der Kategorie Apotheker als Heilberuf kann man nicht von einer Erfolgsbilanz sprechen: Die Einbindung in den Medikationsplan ist gescheitert und das Apotheker-Berufsbild des Gesundheitsministers bleibt unverrückbar im letzten Jahrhundert hängen. Also, hätte es noch schlimmer kommen können? Vielleicht kann man dafür noch ein bisschen Verständnis zeigen, wenn man davon ausgeht, dass man bei diesen Forderungen von der Politik abhängig ist. Was aber nicht verständlich ist: Dass sich von Seiten der Berufsvertretung so gar nichts getan und bewegt hat, den Apotheker in Richtung Arzneimittelexperten zu unterstützen und sein Image auf diesem Gebiet in der Öffentlichkeit zu stärken. Da sind Millionen für Häuser vorhanden, aber es wird z. B. so gut wie nichts in eine Datenbank investiert, die dem Apotheker unabhängig und praxistauglich Auskunft über die Studienlage zu OTC-Arzneimitteln gibt, um evidenzbasiert beraten zu können. Florian Schulze vom Vorstand des Vereins demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) hat dazu einen lesenswerten Gastbeitrag auf DAZ.online geschrieben. Mein liebes Tagebuch, stände es der Berufsvertretung nicht gut zu Gesicht, wenn sie nicht nur von der evidenzbasierten Beratung in Papieren mit mehr oder weniger Perspektive theoretisiert, sondern auch dafür sorgt, dass die Tools dafür bereitgestellt werden? Den Auftrag dazu hat die ABDA bereits 2014 mit einem Antrag des Apothekertags bekommen – passiert ist so gut wie nichts. Mein liebes Tagebuch, wenn das so weiter geht, wird der Apotheker in Zukunft nur noch als Logistiker und Kassenknecht wahrgenommen – alles, was mit „Medikation“ anfängt, können wir uns abschminken.
15. Dezember 2105
O.k., dass die Politik unsere Forderungen nach mehr Penunzen geflissentlich übersieht, daran haben wir uns gewöhnt. Aber dass man dem Apotheker nicht mal bei Wünschen entgegenkommt, die nichts kosten, die ihm das Leben ein bisschen erleichtern könnten – das gibt zu denken. Aktuell: Den Wunsch der ABDA, dass Apotheken auf dem Rezept die fehlende Telefonnummer oder den Vornamen des Arztes selbst ergänzen dürfen, hat der Bundesrat nicht aufgegriffen. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, diesen Wunsch in der neuesten Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung unterzubringen und zu erfüllen. Mein liebes Tagebuch, da fragt man sich doch wirklich: In welcher Welt leben wir eigentlich? Hat die ABDA wirklich überhaupt keinen Zugang mehr in die Politik? Warum kommt man den Apotheken nicht mal bei Kleinigkeiten entgegen? Oder soll die Telefonnummer/Vorname-Bestimmung als nette Retaxfalle den Kassen zuliebe beibehalten werden? Ich versteh die Welt nicht mehr.
16. Dezember 2015
Noch so ein Desaster, das uns Apotheker aufs logistische Abstellgleis schiebt: Noch vor Kurzem hat die Politik die Apotheker beim Präventionsgesetz außen vor gelassen, obwohl die ABDA brauchbare Vorschläge machte, wie Apotheker eingebunden werden könnten, beispielsweise bei der Kontrolle des Impfstatus oder in der Impfberatung. Jetzt beschließt der CDU-Parteitag, eine gesetzliche Grundimpfpflicht für Kleinkinder einzuführen. Außerdem soll der Impfschutz regemäßig überprüft werden. Mein liebes Tagebuch, hätte man die Apotheker bereits im Präventionsgesetz für die Kontrolle des Impfstatus eingebunden, wäre man schon einen wesentlichen Schritt weiter. Warum will man die Beratungskompetenz des Apothekers nicht nutzen?
Ach Gott, wie süß! Und das vor Weihnachten! Die liebe DAK mailt Anti-Retax-Tipps an Apotheken. Ist doch wirklich arg nett, wie uns diese Kasse unter die Arme greift. Damit wir jaaaa nichts übersehen und die Kasse uns retaxieren müsste. Scheinheiliger geht’s nicht. Ja, mein liebes Tagebuch, wo doch diese Kassen uns eigentlich am liebsten gar nicht retaxieren möchte, aber, aber: Es geht doch wirklich nur um die Patientensicherheit! Jawoll! Nicht auszudenken, wenn der Vorname des Arztes auf dem Rezept fehlen würde – eine irre Gefahr für die Patientensicherheit. Danke, danke, DAK, für deine herzerwärmende Fürsorge.
Vielleicht hätte sich die Kasse den Aufwand für das Mailing sparen sollen – vermutlich braucht sie jeden Cent zum Überleben. Insider spekulieren nämlich schon über eine drohende Pleite dieser Kasse. Das seltsame Retaxgebaren dieser Kasse könnte mit dem Kostendruck zusammenhängen, unter dem diese Kasse steht. Ein Gericht schätzte eine 7000 Euro-Retaxation der DAK wegen eines kleinen Formfehlers sogar als „rechtsmissbräuchlich“ ein. Apotheker nennen das Verhalten bereits „schikanös“. Mein liebes Tagebuch, irgendwie lächerlich, wenn eine Kasse versucht, mit Retaxationen ihre Kasse aufzufüllen. Zum Überleben wird’s nicht reichen. Und wenn jetzt die angekündigte Beitragserhöhung um 0,6 Prozentpunkte auf fürstliche 16,1 Prozent steigt, mag das den einen oder anderen Versicherten zum Abwandern bewegen. Arme DAK – aber so eine gepflegte Kassenauflösung oder Fusion hat doch auch was!
Dass wir das noch erleben dürfen: Der Austausch von Rabattvertragsarzneimitteln in der Apotheke wird nicht mehr nötig sein! Ja, wie, mein liebes Tagebuch? Warum? Ganz einfach: Weil das E-Health-Gesetz die Arztpraxen zum Einsatz aktueller Arzneimittelsoftware verpflichtet, enthält die ärztliche Verordnung künftig automatisch das aktuelle Rabattvertragsarzneimittel. Und damit heißt es: what doctor prints is what patient gets oder so ähnlich. Jedenfalls glaubt die Bundesregierung, dass dann ein Austausch eines Fertigarzneimittels aufgrund von Rabattverträgen in der Apotheke nicht mehr erforderlich sein sollte, weil die Ärztesoftware die Rabattverträge der pharmazeutischen Unternehmen nach dem jeweils aktuellen Stand berücksichtigt. Dreimal kurz gelacht, mein liebes Tagebuch. Oder ist die Erde eine Scheibe? Bis die Ärzte ihre Software in dem schnellen Rhythmus der Rabattverträge aktualisieren, wird noch Zeit vergehen. Aber, macht auch nichts, denn sollte es Probleme bei der Abgabe von Rabattarzneimitteln geben, gibt’s ja immer noch den Apotheker, und der muss, so sagt die Bundesregierung, gegebenenfalls dann die unzutreffenden Angaben im Medikationsplan des Arztes ändern oder Ergänzungen vornehmen. Wird heiter!
Ist nicht gerade ein Füllhorn, das mit den neuen Tarifverträgen über die Apothekenmitarbeiter ausgeschüttet wird, aber immerhin, besser als nichts. Gehaltserhöhungen zwischen 1,8 und 2,5 Prozent, je nach Berufsgruppe, sind ab 1. Januar 2016 zu erwarten. Gilt aber leider nicht für die Sachsen, deren Apothekerverband immer noch nicht im Arbeitgeberverband ist (eigentlich ein Unding), und nicht für Nordrhein: Dort ist die TGL zuständig und die liegt noch in Verhandlungen mit der Apothekengewerkschaft Adexa.
17. Dezember 2015
Für den Kollegen Orth von der Rosen-Apotheke in Holzminden gibt’s in diesem Jahr ein Extra-Weihnachtsgeschenk: Die Pronova BKK hat ihre Nullretaxation zu Oxycodon zurückgenommen – obwohl sie vor Kurzem sogar noch auf den Klageweg verwies, sollte es nicht zur Klärung kommen. Die BKK sieht sich zwar immer noch im Recht, räumt aber Unsicherheiten in diesem Fall ein. Egal, woher genau der Meinungsumschwung kam, weiß nur die Kasse selbst. Mein liebes Tagebuch, was der Fall aber zeigt: Nicht nachgeben, wenn Retaxen auf den Tisch landen. Und sich wehren! Wir sollten es den Kassen nicht zu leicht machen, an unser Geld zu kommen.
Mein liebes Tagebuch, Donnerstag ist Kinotag. Wie wär’s, wenn wir dem ABDA-Club mal einen kleinen Ausflug ins Kino empfehlen? Star Wars in 3 D! Passt der Titel der neuen Folge nicht irgendwie zu unseren Weihnachtswünschen für die ABDA: „Das Erwachen der Macht“ – wär’ doch was für unsere Dreifaltigkeit.
18. Dezember 2015
Damit ist es jetzt im Kasten, das E-Health-Gesetz: Auf seiner letzten Sitzung in diesem Jahr hat der Bundesrat das E-Health-Gesetz abgesegnet. Alles im Gesundheitswesen soll besser vernetzt, Patientendaten elektronisch austauschbar sein. Und wir bekommen den Medikationsplan so richtig E-Health-mäßig und fortschrittlich – auf Papier. Ist superklasse! Ab Oktober müssen die Ärzte ihren Patienten einen Medikationsplan ausfüllen, ausdrucken und mitgeben, wenn der Patient mehr als drei Arzneimittel verordnet bekommt und wenn er es will. Für die Korrekturen, Aktualisierungen und Ergänzungen sind dann wir Apothekers zuständig – handschriftlich? Die Doktors kriegen für ihren PC-Klick ein Honorar, wir Apothekers kriegen für unser Gekritzel nix. E-Health - wir lieben dich.
Die Ausschreibung für die Neukonzeption des Apothekenhonorars ist abgeschlossen, nur drei Wirtschaftsforschungsinstitute haben sich für das Projekt des Bundeswirtschaftsministeriums beworben. Das Ministerium prüft die Angebote und wählt das wirtschaftlichste Angebot aus. Der Zuschlag wird im Frühjahr 2016 erfolgen, das Angebot soll spätestens 18 Monate später vorliegen. Mein liebes Tagebuch, mit dem Gutachten soll ein Konzept entwickelt werden, wie oft und wie unser Apothekenhonorar in Zukunft angepasst werden soll und nach welcher Methode. Wird der Krimi für 2017! Hochspannend. Und jetzt wissen wir auch: Voraussichtlich wird die ABDA parallel dazu ein Gegengutachten erarbeiten lassen. Gut so. Aber das heißt auch: Bis 2017/18 wird sich bei uns honorarmäßig nichts tun. Und danach womöglich auch nicht. Letztlich bedeutet das: Das Apothekenhonorar ist 2017 dann wieder fünf Jahr nicht angepasst worden – das gibt’s nur bei Apothekers.
19. Dezember 2015
Die letzten zwei Wochen des Jahres stehen vor der Tür. Es war ein aufregendes Jahr, für Apotheken, aber auch für uns alle. Es wird als Beginn der großen Migrationswelle in die Geschichte eingehen. Für Apotheken war’s ein Jahr des Stillstands, entscheidende Richtungswechsel gab’s nicht, die Probleme von 2015 werden wir auch ins neue Jahr mitnehmen.
Mein liebes Tagebuch, ich werde dir auch im neuen Jahr meine Gedanken und Meinungen zur Lage der Apotheke anvertrauen. An dieser Stelle: Ein herzliches Danke an alle, die in diesem Tagebuch ab Sonntagmorgen geblättert haben, mitdiskutiert und kommentiert haben. Ein fröhliches Weihnachtsfest und prickelnde Festtage!
8 Kommentare
Tagebuch
von Heiko Barz am 22.12.2015 um 1:10 Uhr
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Alternative Jahresbilanz
von Wolfgang Müller am 21.12.2015 um 14:18 Uhr
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Der Apotheker unsrer Zeit
von Alina Korobenik am 20.12.2015 um 19:57 Uhr
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Guten Morgen, meine Lieben !
von gabriela aures am 20.12.2015 um 12:52 Uhr
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Ein guter Tagebucheintrag
von Philipp Jüttner am 20.12.2015 um 9:54 Uhr
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AW: Ach, Hr. Jüttner
von Rolf Lachenmaier am 20.12.2015 um 12:35 Uhr
Theorie und Praxis 2016
von Ulrich Ströh am 20.12.2015 um 9:22 Uhr
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DAK
von Frank ebert am 20.12.2015 um 8:55 Uhr
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