Hückeswagen

Eine Apotheke kämpft gegen Polio – mit Plastikdeckeln 

Hückeswagen - 22.12.2015, 16:10 Uhr

Apotheke im Deckelsammel-Fieber: Jennifer Schulz (2.v.r.) und Kollegen (Foto: Oberbergische Apotheke)

Apotheke im Deckelsammel-Fieber: Jennifer Schulz (2.v.r.) und Kollegen (Foto: Oberbergische Apotheke)


Die Oberbergische Apotheke in Hückeswagen nahe Wuppertal unterstützen die Aktion „End Polio now“ der Organisation Rotary international. Die Kunden sammeln Deckel von Getränkeflaschen, die gehen zunächst zum Recyclinghof. 

Viel zu trinken ist gut für die Gesundheit – alkoholfrei versteht sich. Dass man auf diesem Weg auch etwas gegen Kinderlähmung tun kann, wissen allerdings nur die wenigsten. Doch Getränkeflaschen, genauer die Deckel von Einweg-Getränkeflaschen, die aus Polyethylen (HDPE) bestehen, bestehen aus einem gut recycelbaren Material, was sie besonders wertvoll macht – in mehrfacher Hinsicht.

In Hückeswagen etwa wissen viele Menschen, dass sie gut daran tun, die Deckel der Getränkeflaschen nicht einfach wegzuschmeißen. „Es ist nur ein kleiner Handgriff“, sagt Jennifer Schulz. Die 30-jährige PTA hat in der Oberbergischen Apotheke in Hückeswagen – nahe Wuppertal – im Oktober die Sammlung der Deckel ins Leben gerufen, mit Erfolg. „Ich bringe einmal im Monat einen prall gefüllten 120-Liter-Sack mit den Plastikdeckeln zum Recyclinghof nach Wuppertal“, berichtet Andrea de Wilde, Filialleiterin der Apotheke.

Mit WHO gegen Polio

Der Recyclinghof kauft die Deckel an, der Verkaufs-Erlös kommt dann dem Kampf gegen die Kinderlähmung zu Gute. Die Oberbergische Apotheke ist damit Teil der Aktion „End Polio now“ des internationalen Rotary Clubs geworden. Die Rotarier, die in Deutschland und Österreich in über 1000 Clubs organisiert sind, sind ein Zusammenschluss berufstätiger Menschen, die sich gemeinnützig engagieren. „End Polio now“ ist eine der größten caritativen Aktionen des 108 Jahre alten internationalen Verbands. Mithilfe von Partnern wie der Weltgesundheitsorganisation WHO kämpfen die Rotarier mit groß angelegten Impfkampagnen gegen die Krankheit Poliomyelitis, die in Deutschland als Kinderlähmung bekannt ist.

Die von Viren verursachte Krankheit betrifft überwiegend Kinder zwischen drei und acht Jahren. Die fäkal-oral übertragbaren Polioviren befallen dabei vor allem muskelsteuernde Nervenzellen des Rückenmarks. Als Folgen kann es zu bleibenden Lähmungen bis hin zum Tod kommen. In Deutschland gilt die Krankheit durch konsequentes Impfen bereits im Säuglingsalter als ausgerottet – nicht aber in Nigeria, Afghanistan und Pakistan, wo als letzte drei Länder der Erde immer noch Kinder an dem heimtückischen Virus sterben oder für ihr Leben lang mit den Folgen konfrontiert werden. Rückschläge im Kampf gegen die Krankheit gab es nach Angaben der WHO in der jüngeren Vergangenheit allerdings auch in den Krisenregionen wie der Ukraine und Syrien, so dass die Kinderlähmung noch lange nicht als besiegt gelten könne.

Kunden bringen Tüten voller Spenden in Apotheke

Auch die Bill und Melinda Gates Foundation unterstützt die Aktion. „Für jeden Euro, der zusammenkommt, gibt die Stiftung zwei Euro dazu“, sagt Dennis Kissel, Präsident des Rotary Clubs Herzogtum Lauenburg-Mölln. Er hat die Aktion „Deckel gegen Polio“ 2014 in Ratzeburg ins Leben gerufen. Er ist auch Vorsitzender des Vereins „Deckel drauf“, der die Sammelaktion federführend für die Rotarier organisiert.

„Ich habe selber ein Kleinkind“, sagt PTA Jennefer Schulz aus Hückeswagen. „Man tut damit ja etwas für Gesundheit – das passt ja zum Thema Apotheke“, sagt Schulz über die Aktion.

Die 500 Deckel, mit denen eine Impfdosis finanziert werden kann, kämen in Hückeswagen innerhalb von zwei bis drei Tagen zusammen. „Mittlerweile bringen die Kunden die Deckel tütenweise, hängen Plakate für die Aktion aus und verteilen Flyer. Die finden das richtig gut“, sagt Schulz. „Ich hätte nicht gedacht, dass das so einen guten Anklang findet.“ Die Sammelaktion in Hückeswagen soll erstmal auf unbestimmte Zeit weiterlaufen.

400 Sammelkisten in Deutschland

In ganz Deutschland gebe es für die Sammelaktion ein großes Potenzial, heißt es von Seiten des Rotary Clubs. 20 Milliarden Deckel, rund 250 pro Einwohner, würden jährlich anfallen. Das entspricht bei zwei Gramm pro Deckel 40000 Tonnen HDPE. Eine Tonne hat einen Wert von rund 300 Euro. Eine Impfdose kostet etwa 30 Cent, so dass 500 Deckel oder rund ein Kilogramm ein Leben retten können. Infrage kommen dabei sowohl die Deckel von Einweg-Pfandflaschen –  die auch ohne Deckel vom Automaten angenommen werden –, als auch Deckel von Tetrapacks oder pfandfreien Einweg-Getränkeflaschen.

„Derzeit sind rund 400 Sammelstellen in Deutschland bekannt, darunter auch etliche Apotheken“, sagt Kissel. Schwerpunkte liegen in Nord- und zum Teil in Süddeutschland. Vorbild für die Deckel-Sammelaktion waren dabei Aktionen in der Türkei und Portugal, von denen der Rotarier Kissel auf einem internationalen Treffen des Verbandes erfuhr und sie nach Deutschland brachte.

Und er weiß noch von einem positiven gesundheitlichen Nebeneffekt zu berichten: „Nachdem es die Sammelaktion in einigen Städten gegeben hat, erzählten mir befreundete Ärzte, dass plötzlich viele Eltern den Impfstatus ihrer Kinder unter anderem auf Polio haben überprüfen lassen.“ 


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