- DAZ.online
- News
- Spektrum
- Mein liebes Tagebuch
Rundum wenig Zufriedenheit bei Apothekers. Kein Wunder. Die ABDA-Erfolge fallen bescheiden aus. Es bleibt unsicher, ob es Verbesserungen bei BtM-Gebühren und Rezepturpreisen gibt. Die Apothekenzahlen rauschen weiter nach unten und was die Praxisnähe in der Ausbildung betrifft, da knirscht es. Mein liebes Tagebuch, es sind graue Januartage.
11. Januar 2016
Schöne Nachricht für die angestellten Apotheken-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter im Kammerbezirk Nordrhein: Auch für sie gibt es mehr Geld ab 1. Januar. Zwei Prozent mehr. Nachdem in den meisten Kammerbezirken Deutschlands ein neuer Gehaltstarifvertrag noch vor Weihnachten abgeschlossen wurde, hat sich nun auch die Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter Nordrhein (TGL) mit der Apothekengewerkschaft Adexa auf einen neuen Gehaltstarifvertrag geeinigt. Vom Abschluss profitiert vor allem der Berufsnachwuchs in Ausbildung: Die Ausbildungsvergütungen in Nordrhein wurden auf das Niveau angehoben, das seit Jahresbeginn auch in den übrigen Kammerbezirken gilt. Pharmazeuten im Praktikum erhalten von Anfang an 880 Euro im Monat, außer in Sachsen – dort ist der Apothekerverband nach wie vor nicht dem Arbeitgeberverband beigetreten. Mein liebes Tagebuch, der Abschluss ist ein guter Kompromiss, mit dem alle leben können. Man fragt sich allerdings, wie lange es der Sächsische Apothekerverband noch durchhalten will, die unrühmliche Außenseiterrolle zu spielen? Irgendwie zeugt das nicht gerade von Wertschätzung für die Arbeit der Mitarbeiter. Was fürchtet man in Sachsen?
Das war zu erwarten: Die Apothekenbasis bewertet die Leistung unserer Berufsvertretung mit einer 4 bis 5, wie eine Apokix-Umfrage des Instituts für Handelsforschung zeigte. Kein Wunder, mein liebes Tagebuch. Unsere Berufsvertretung tönte zwar laut, erreichte aber herzlich wenig: keine Erhöhung von BtM-Gebühr und Rezepturpreis geschweige denn eine Anpassung des Apothekerhonorars, keine Anpassung des Nachtdienstfonds, keine Beteiligung der Apotheker im Präventionsgesetz, keine vernünftige Einbindung in den Medikationsplan. Nicht mal ein zeitgemäßes umfassendes Apothekerberufsbild konnte bei der Politik durchgesetzt werden. Die berufspolitische Bilanz sieht alles andere als gut für uns Apothekers aus. Kein Wunder, wenn sich nach einem solchen Jahr in den Köpfen der Basis das Fazit bildet: Unsere Berufsvertretung hat sich mehr um sich und ihre Bleibe gekümmert als um die Politik nach außen. Altes Haus verkauft, Interims-Bleibe bezogen, neues Domizil unterschrieben, Umwandlung in einen e.V. vorbereitet – das sind die „Erfolge“. Schade auch, dass selbst nach innen so einiges diffus bleibt. Wie geht’s weiter mit dem Perspektivpapier? Was ist mit Apothekertagsbeschlüssen, die evidenzbasierte Beratung in der Selbstmedikation voranzubringen? Warum wird keine Datenbank dazu aufgebaut? Warum immer noch so wenig Transparenz?
12. Januar 2016
Aber untätig ist man im Apothekerhaus nicht! Drei Leitlinien hat die Bundesapothekerkammer überarbeitet bzw. neu erstellt und verabschiedet: Die Empfehlungen zur Herstellung und Prüfung der nicht zur parenteralen Anwendung bestimmten Rezeptur- und Defekturarzneimitteln wurden überarbeitet, neu sind die Leitlinien zum Hygienemanagement und zur Ernährungsberatung in der Apotheke. Mein liebes Tagebuch, es sind Empfehlungen, wie eine Apotheke diese Leistungen erbringen kann. Unterstützende Materialien gibt’s dazu – alles zum Download auf der ABDA-Seite. Klar, wenn eine Apotheke bereits ihr eigenes Handlungssystem eingerichtet hat, umso besser. Aber prinzipiell sind solche Leitlinien keine schlechte Sache.
Dass Rezepte nur noch nach direktem Arzt-Patienten-Kontakt ausgestellt werden dürfen, wie es in einem Gesetzentwurf zum AMG vorgesehen ist, hält die ABDA für richtig. Also: Verbot von Online-Verschreibungen, wie es beispielsweise das englische Geschäftsmodell Dr. Ed praktiziert. Rezepte sollen künftig nicht mehr beliefert werden dürfen, wenn Verdacht besteht, dass sie online, ohne direkten Arzt-Patienten-Kontakt, zustande gekommen sind. Bloß, mein liebes Tagebuch, wie soll das eine Apotheke erkennen können? Wenn sich Dr. Ed in Dr. John umbenennt. Die Antwort dazu steht noch aus. Die ABDA macht allerdings in ihrer Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf auch deutlich, dass sie einige gesetzgeberische Maßnahmen zur Absicherung der Arzneiversorgung vermisst, z. B. die Honorierung der Rezeptur und die Erhöhung der BtM-Gebühr. Und sie macht darauf aufmerksam, dass der Apotheker – wegen möglicher Arzneifälschungen – in Zukunft selbst entscheiden können müsse, ob er ein Importarzneimittel abgibt oder nicht. Mein liebes Tagebuch, der Versuch, unsere Forderungen im AMG-Änderungsgesetz unterzubringen, ist so ziemlich die letzte Chance in dieser Legislaturperiode. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
13. Januar 2016
Die Apothekengewerkschaft Adexa positioniert sich mit einem Statement deutlich gegen rassistische und ausländerfeindliche Tendenzen. Sehr gut, mein liebes Tagebuch, endlich eine Stimme der Apotheker gegen einen schleichenden Rechtsruck. Wäre es da nicht schon längst angebracht gewesen, wenn sich auch unsere Berufsvertretung in ähnlicher Weise zu Wort gemeldet hätte?
14. Januar 2016
Der ABDA-Präsident möchte sie. Und die Studenten haben auch anklingen lassen, dass sie sie wollen: eine neue Approbationsordnung für Apotheker. Mit neuen Inhalten, die auf die zukünftigen Anforderungen an die Apotheker vorbereitet, also auf mehr Nähe zum Patienten, auf Medikationsplan, -analyse und -management – das angesagte Ziel im Perspektivpapier. Doch der neue DPhG-Präsident, Professor Stefan Laufer, hat im DAZ-Interview Klartext geredet, wie er darüber denkt: „Eine neue Approbationsordnung für Apotheker brauchen wir nicht.“ Ja, wie, mein liebes Tagebuch, ist der DPhG-Präsident gegen Patientennähe, gegen eine moderne Ausrichtung der apothekerlichen Tätigkeit in der Offizin? Natürlich nicht. Er schaut allerdings mit einem sehr realistischen Blick auf die Lage. Bis eine neue Approbationsordnung in die Welt gesetzt wäre, würden rund zehn Jahre vergehen, meint er. Außerdem bestehe die Gefahr, dass das Staatsexamen auf der Strecke bliebe und das Bachelor-Master-System käme und damit die einheitliche Ausbildung für alle verloren wäre. Er ist dagegen fest davon überzeugt: Wenn jedes Fach seine Spielräume besser nutzt, alten Ballast über Bord wirft, die Inhalte des Fachs aufpeppt, dann tut es unsere Approbationsordnung noch locker einige Jahre. Und was die Praxisnähe betrifft: Dafür sollte der Dritte Prüfungsabschnitt besser auf die Praxis ausgerichtet werden, was allerdings Aufgabe der Kammer ist. Man hatte mit der Bundesapothekerkammer bereits ein Konzept ausgearbeitet – was die Kammern allerdings abgelehnt haben. Begründung: zu viel Aufwand und man könne den Apotheken nicht vorschreiben, wie sie die Praktikanten auszubilden hätten. Mein liebes Tagebuch, das hört sich nicht gut an. Okay, wir kennen das Papier nicht, aber so fragt man sich doch, warum sich die Kammern gegen eine Überarbeitung des Dritten Ausbildungsabschnittes sträuben.
Was das Medikationsmanagement und die -analyse betrifft: Auch da lässt Laufer Realismus walten. Er ist überhaupt nicht dagegen, dass Apotheken sich auf diesem Gebiet einbringen, wie er sagt, aber wie sollte das vernünftig und patientenorientiert möglich sein, wenn die Ärzte nicht mitspielen? Wo sich doch der Deutsche Apothekerverband bereits mit den Ärzten darauf verständigt hat, dass Apotheker die Diagnose nicht lesen dürfen? Tja, mein liebes Tagebuch, da ist was dran. Kehrt da so langsam Ernüchterung ein? Müssen wir bald unsere Euphorie der letzten Monate, eine größere Rolle in der Arzneimitteltherapie zu spielen, begraben? Und überhaupt, wie sieht es mit Armin, unserem letzten Hoffnungsträger, aus? Ist ruhig geworden um diesen Burschen.
15. Januar 2016
Das Antikorruptionsgesetz steckt fest – irgendwo zwischen der Frage, wie weit geht Kooperation und wo fängt Korruption an. Wie grenzt man das rechtssicher ab? Einerseits sollen Apotheker und Ärzte zusammenarbeiten, aber andererseits soll bitte auch die heilberufliche Unabhängigkeit gewahrt bleiben. Erst recht gegenüber der Pharmaindustrie. Alles heikel, mein liebes Tagebuch. Eigentlich hätte das Gesetz demnächst in Kraft treten sollen, jetzt liegt es im Rechtsausschuss und kommt nicht voran. Die Gründe sind nach wie vor Bedenken, die geplanten Regelungen seien zu ungenau. Da ist was dran. Vielleicht war es anfangs zu schnell zusammengeschustert worden und es zeigt sich jetzt: Die Schwierigkeiten liegen im Detail. Nichts wäre fataler, wenn die Paragrafen eines solchen Gesetzes einen Rattenschwanz an Unsicherheiten nach sich ziehen würden. Insofern, mein liebes Tagebuch, ist es gut so, dass hier noch mal drüber gegangen wird. Ein solches Gesetz ist wichtig und sollte nicht auf die lange Bank geschoben werden, aber es darf keine Lawine an Prozessen nach sich ziehen.
Auch 2015 hat sich der Abwärtstrend bei den Apothekenzahlen fortgesetzt: Über 150 Apotheken gab es Ende des Jahres weniger als noch ein Jahr zuvor. Wir werden vermutlich Ende 2016/Anfang 2017 die 20.000er-Marke knacken – nach unten. Kleinere Apotheken werden, sofern sie nicht als Filiale überleben können, wohl eher auf der Strecke bleiben als die großen Platzhirsche. Für Apothekeninhaber, die am Ende ihres Berufslebens stehen und auf den Verkauf ihrer Apotheke gesetzt haben, um mit dem Erlös die Rente aufzubessern, ist es extrem bitter, wenn ihre Apotheke unverkäuflich geworden ist. Wer heute noch eine neue Apotheke eröffnet, hat entweder einen supertollen Standort entdeckt – oder ausreichend „Spielgeld“ und Abenteuerlust. Der Politik wird den Abwärtstrend goutieren. Die Denke dürfte klar sein: Je weniger Apotheken, umso eher reicht das vorhandene Honorar für den Rest der Apotheken und umso weniger Getöse um Honorarerhöhungen. Mein liebes Tagebuch, die Aussichten sind so grau wie die Januartage. Keine Frage, wir brauchen auch weiterhin Apotheken, aber die Zahl von rund 16.000 Apotheken, die seit Jahren als Gespenst herumgeistert, nimmt immer mehr Gestalt an.
9 Kommentare
Nicht zu wenig
von Reinhard Rodiger am 17.01.2016 um 20:02 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Margaret Mead
von Christian Giese am 17.01.2016 um 19:25 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Tagebuch,Nachschub
von Dr.DIEFENBACH am 17.01.2016 um 16:31 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Daz Tagebuch
von Dr.Diefenbach am 17.01.2016 um 16:16 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Stellung nehmen!
von Kerstin Kemmritz am 17.01.2016 um 16:22 Uhr
Gallische Dörfer
von Uwe Hansmann am 17.01.2016 um 15:50 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Ein großes Problem der Verbände
von Kerstin Kemmritz am 17.01.2016 um 14:20 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
17 und 17 ?
von Ulrich Ströh am 17.01.2016 um 10:54 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Wie viele Kammern und Verbände brauchen wir?
von Peter Ditzel am 17.01.2016 um 11:07 Uhr
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.