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Die Zukunft unserer Gesundheit wird digital: Wearables erfassen Vitalparameter, und Kapselsensoren setzen im Körper gezielt Wirkstoffe frei. Vom Labor in die Praxis ist der Weg nicht mehr weit.
Sie zeichnen unseren Blutdruck und Puls auf, tracken die Schritte oder errechnen den Kalorienverbrauch: Wearables sind längst Teil des modernen Sports geworden. Auf der International Consumer Electronics Show 2016 präsentierten Hersteller kürzlich ein System, um die Hydratation zu überwachen. Damit nicht genug: Ford will per „Automotive Wearables Experience“ für mehr Sicherheit im Straßenverkehr sorgen.
Beschleunigt sich der Puls eines Fahrers zu stark, könnte sein Auto per Computersteuerung den Sicherheitsabstand vergrößern. Werner Ballhaus, Leiter des Bereichs Technologie, Medien und Telekommunikation bei PricewaterhouseCoopers (PwC), zufolge stehen Wearables kurz vor ihrem Durchbruch. Das betrifft nicht nur Freizeit oder Arbeit. Pharmazie und Medizin profitieren ebenfalls von neuen Technologien. Ein Überblick.
Masce macht mobil
Um endoskopische Untersuchungen erträglicher zu gestalten, arbeiten Forscher seit gut zehn Jahren an verkapselten Kameras. Bisher hatten ihre Geräte einen gewaltigen Nachteil. Sie ließen sich nicht steuern, um spezielle Bereiche im Magen oder Darm zu untersuchen. Professor Dr. Metin Sitti vom Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart hat deshalb ein magnetisch angetriebenes Endoskop mit weicher Kapsel (Magnetically Actuated Soft Capsule Endoscope) entwickelt. Masce, so das Akronym, besteht aus zwei Steuermagneten und einer Kammer für Arzneistoffe.
„Wir stellen uns vor, dass Ärzte damit
künftig im Magen oder im Darm gezielt geringe Mengen an Medikamenten dosieren –
etwa bei Entzündungen oder einzelnen Tumoren“, sagt Sitti. Je nach Bauart lässt
sich die Kapsel durch ein externes Magnetfeld sogar zur Scheibe deformieren und
bleibt mehrere Tage im Magen. Sind kleine Greifer, sogenannte Microgripper, an
Bord, nimmt Masce sogar Gewebeproben.
Proposed magnetically actuated soft capsule endoscope (MASCE): (Foto: Screenshot Physical Intelligence Department, Max Planck Institut für Intelligente Systeme)
Metin Sitti versucht jetzt, mit mathematischen Algorithmen die Auflösung von Bildern aus dem Körperinneren zu verbessern. An ähnlichen Themen arbeitet Dr. Mohammed Al-Rawhani von der University of Glasgow. Er hat Pillenkameras mit integrierter Fluoreszenz-Bildgebung auf die Reise geschickt. „Das System ist klein genug und ausreichend energieeffizient, um Bilder einer 14-stündigen Magen-Darm-Passage zu erfassen“, erklärt der Forscher. Um maligne Erkrankungen zu simulieren, arbeitet er mit Flavinen und Hämoglobin. Al-Rawhani: „Das System kann auch verwendet werden, um den Weg markierter Antikörper zu verfolgen.“
Pharmakotherapien optimieren
Von der Diagnostik zur Therapie. Medimetrics aus den Niederlanden arbeitet seit rund fünf Jahren an intelligenten Kapseln, um Pharmaka zu transportieren. „Unsere Herausforderung bestand darin, ein Tool mit innovativen, aber verfügbaren Technologien und Komponenten zu entwickeln“, so CTO Jeff Shimizu.
Schließlich entstand das IntelliCap-System mit Sensoren, Prozessoren, Pumpen, einem Arzneimitteltank und drahtlosen Sendefunktionen. Patienten schlucken eine Kapsel, die äußerlich größeren Vitaminpillen ähnelt. Sie kann so programmiert werden, dass an bestimmten Stellen Pharmaka freigesetzt werden, etwa über den pH-Wert gesteuert. Während ihrer Reise durch den Körper funken sie Daten an einen Laptop oder ein Smartphone.
Forschende Arzneimittelhersteller setzen bereits heute auf digitale Kapseln, um die Resorption neuer Moleküle an verschiedenen Orten des Gastrointestinaltrakts zu untersuchen.
Die elektronische Tablette von Proteus Digital Health soll sicherstellen, dass Patienten ihre Arzneimittel nehmen. (Quelle: Proteus Digital Health)
Auf dem Weg in Richtung Praxis ist Proteus schon deutlich weitergekommen. Der Technologiekonzern aus dem kalifornischen Redwood City präsentiert kleine Silizium-Chips, um die Adhärenz von Patienten zu erfassen. Im September hat die US-amerikanische Food and Drug Administration ein Neuroleptikum mit Hightech-Komponente zugelassen. Neurologen verordnen Aripiprazol bei Patienten mit Schizophrenie oder bipolaren Störungen – zwei Krankheitsbilder, die mit schlechter Adhärenz einhergehen.
Diabetiker rundum versorgt
Patienten mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes sind ähnlich nachlässig. Sie empfinden die Glukosebestimmung im Blut und die Insulingabe als äußerst unangenehm. Grund genug für Technologiekonzerne, nach Lösungen zu suchen. Google arbeitet zusammen mit Novartis an Kontaktlinsen, um Glukose-Werte in der Tränenflüssigkeit zu bestimmen. Per Funk gehen Daten an eine Smartphone-App. Gleichzeitig warnen integrierte LEDs, sollte der Wert kritische Grenzen über- oder unterschreiten. Technische Herausforderungen bleiben. So ist die Konzentration von Glukose in der Tränenflüssigkeit 50 mal geringer als im Blut, und Änderungen machen sich nur verzögert bemerkbar.
Diese Nachteile lassen sich schon heute durch implantierbare Systeme umgehen, wie sie beispielsweise Senseonics aus Germantown (Maryland) entwickelt. Per Smartphone erfassen Patienten kontinuierlich ihren Blutglukosespiegel. Wissenschaftler um Zhen Gu und John Buse von der University of North Carolina in Chapel Hill gingen einen Schritt weiter. Sie präsentieren intelligente Pflaster mit mikroskopischen Nadeln aus kristalliner Hyaluronsäure, die bis zu den Kapillargefäßen reichen. Steigende Glukosespiegel führen zum Zerfall von Membranen und zur Ausschüttung von Insulin, bis der Stoffwechsel wieder im Lot ist. Das Hightech-Pflaster arbeitet per se zwar ohne Elektronik, lässt sich theoretisch aber mit Sensoren und Apps kombinieren.
Gute Daten – schlechte Daten
Alle Systeme haben trotz ihrer Unterschiede einen kleinsten gemeinsamen Nenner. Sie erfassen Daten und analysieren diese per Cloud. Oft bleibt unklar, wer welche Zugriffsrechte hat – und wie Patienten eigene Informationen wieder löschen können. Laien fehlt die Sensibilität im Umgang mit gesundheitsbezogenen Informationen. Verbindliche Regelungen für Hersteller könnten helfen, um Gesundheitssysteme auch unter datenschutzrechtlichen Aspekten sicherer zu machen.
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