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Warum Retax zum Geschäft geworden ist, wie Mitarbeiter umworben werden wollen, wie die ABDA-Politik vielleicht erfolgreicher wird und warum das Medikationsmanagement nicht kommen kann – mein liebes Tagebuch, Szenen eines Apotheker-Daseins.
25. Januar 2016
Wir leben im Jahrzehnt der Retaxationen. Gefühlt seit Einführung der Rabattverträge haben die Kassen das Retaxinstrument als Einnahmequelle entdeckt. Und massiv aufgerüstet: Sie haben eigene Abteilungen ausgebaut, die das Retaxgeld eintreiben, oder diese Arbeit an Unternehmen delegiert, die auch davon leben, den Apothekern auf die Finger zu schauen und zu hauen, wenn nur der kleinste Formfehler festgestellt wird. Das Prüfunternehmen „protaxplus“ rühmt seine Leistungen mit dem Satz: „Dank unserer erfahrenen und besonders qualifizierten Mitarbeiter in Kombination mit unseren selbstentwickelten und ausgefeilten Prüfroutinen erreichen wir überdurchschnittliche Retaxationsquoten.“ Mein liebes Tagebuch, überdurchschnittliche Retaxationsquoten – das ist es, was Kassen lieben! Und dafür schießen die Geldeintreiber auch schon mal übers Ziel hinaus, retaxieren niedliche 1-Cent-Beträge – oder retaxieren aus Unkenntnis vollkommen korrekt belieferte Rezepte. Also, mein liebes Tagebuch, da hilft nur dagegenhalten: Retaxforderungen kritisch prüfen, Einspruch einlegen, sich wehren – darauf sollten wir Apothekers nicht verzichten! Es bleibt uns derzeit nichts anderes übrig, als dieses Retaxkasperletheater mitzumachen, auch wenn’s gigantisch nervt. (In der Schweiz und in Österreich gibt es das übrigens in dieser Form nicht. Fehlerhafte Rezepte können dort nachträglich korrigiert werden.) In Deutschland liegt das Gerangel um Retaxationen inzwischen zur Entscheidung bei einer Schiedsstelle, weil sich GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband nicht einigen konnten. Eine Entscheidung soll irgendwann in diesem Frühjahr kommen. Verlässliche Zahlen zur Höhe aller Retaxationen pro Jahr und über alle Kassen gibt es angeblich nicht. Es kursieren Vermutungen, dass es sich um einen unteren zweistelligen Millionenbetrag handeln soll. Mein liebes Tagebuch, da könnte einem die Idee kommen, das Retaxproblem den Kassen abzukaufen… und dann wäre ein für alle Mal Schluss damit.
26. Januar 2016
Die Versandapo DocMorris will nicht nur die OTC-Bestellungen ihrer Kunden, sondern auch die Rezepte. Doch die treffen vermutlich nicht in allzu großer Zahl beim Versender ein. Für internetaffine Patienten, die gewohnt sind, Bestellungen mit Mausklicks zu erledigen, ist es eben nicht ganz so einfach, das Papierrezept per Schneckenpost zu verschicken: Rezept in Umschlag stecken, zum Briefkasten gehen, einwerfen und warten. DocMorris macht es seinen Kunden daher schon so einfach wie möglich mit Freiumschlag und keine Berechnung von Versandkosten für alle Bestellungen mit Rezept. Jetzt soll’s noch bequemer werden: Der Hol- und Bringservice ist die neue Verführung von DocMorris. Der Kunde soll einen Paketkasten von DHL vor seinem Haus montieren. Ein Rezept kann der DocMorris-Kunde dann in ein Rezeptpäckchen stecken, in den Paketkasten legen und DHL mit der Abholung beauftragen. Zwei, drei Tage später bringt DHL das Arzneimittelpäckchen nach Hause und legt es in den Paketkasten, falls niemand zu Hause ist. DocMorris unterstützt die Anschaffung eines Paketkastens, der zwischen 100 und knapp 500 Euro kostet, mit einem 5 Prozent-Rabatt-Gutschein. Mein liebes Tagebuch, die Versandapo lässt sich immer wieder neue Anreize einfallen, um ihren Umsatz zu erhöhen. Ob die Kunden wegen eines 5-Prozent-Gutscheins einen Paketkasten anschaffen, wird abzuwarten sein. Die „Erlösung“ von allen Bestellhürden wird DocMorris vermutlich erst im elektronischen Rezept sehen – wenn das Rezept auf der Gesundheitskarte gespeichert ist. Über ein häusliches Karten-Lesegerät, das dann sicher frei Haus verschenkt wird, ist das Paradies für den Versender angebrochen.
27. Januar 2016
Wer gute Mitarbeiter haben möchte, muss auch einen guten Arbeitsplatz bieten. Aber wie sieht ein „attraktiver Arbeitsplatz“ in einer Apotheke eigentlich aus? Die Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter Nordrhein (TGL) ging dieser Frage in einer Podiumsdiskussion auf ihrer Jahreshauptversammlung nach. Mein liebes Tagebuch, die Apotheken werden sich hier etwas einfallen lassen müssen, um gute Mitarbeiter zu finden, zu halten und deren Wünsche zu erfüllen. So kleine Annehmlichkeiten wie kostenlose Auswahl an Getränken, ein gesundes gemeinsames Frühstück, frisches Obst sind heute doch schon fast Standard. Chefs, die noch ein bisschen großzügiger sind, spendieren ihren Mitarbeitern auch schon mal eine Massage pro Woche und geben einen Zuschuss für den Fitness-Club. Richtig interessant wird es dann, wenn beispielsweise Fortbildung bezuschusst wird, wenn es dafür Extra-Urlaub gibt oder wenn sogar teure Zusatzausbildungen finanziert werden. Natürlich sollten auch die Arbeitszeiten individuell und flexibel gestaltbar sein, damit sie der Mitarbeiter mit seiner persönlichen Work-Life-Balance in Einklang bringen kann. Ja, und bitte keine hierarchischen Strukturen, Mitarbeiter von heute möchten mitreden können und Verantwortung übernehmen. Sie möchten ernst genommen werden, sie erwarten Verständnis für ihre Probleme – auf Augenhöhe. Mein liebes Tagebuch, da wird eine neue Führungskultur in Apotheken einziehen, oder?
28. Januar 2016
Mein liebes Tagebuch, wir sollten uns mal über unsere Kammer- und Verbändelandschaft unterhalten. Ist das eigentlich noch zeitgemäß, was hier stattfindet? Wir leisten uns derzeit 17 Landesapothekerkammern und 17 Landesapothekerverbände, jeweils mit eigenen Geschäftsstellen, dazu eine Bundesapothekerkammer und einen Deutschen Apothekerverband und über allem noch unseren lieben ABDA-Verein. Ganz schön üppig, oder? Für alle Kammern und Verbände brauchen wir neben den Geschäftsführern und dem festangestellten Personal auch die Ehrenämtler, also Apothekerinnen und Apotheker, die an der Spitze stehen und nach außen mal mehr, mal weniger Politik machen sollen. Sie werden gewählt und rutschen ins Politikmachen einfach so rein mit dem Ergebnis: die einen können es besser, die anderen weniger gut. Was dabei herauskommt – wir haben es in den letzten Jahren gesehen.
Mein liebes Tagebuch, man muss keine Palastrevolution anzetteln wollen, wenn man mal darüber nachdenkt, wie unsere ABDA-Politik professioneller, erfolgreicher werden könnte. Was wäre, wenn es in Deutschland nur noch vier Landesapothekerkammern und vier Landesapothekerverbände gäbe? Und es drängt sich die Frage auf: Wäre es nicht besser, wenn ein angestellter hauptamtlicher Manager die ABDA-Vereinsgeschäfte in Berlin führen würde und die Ehrenämtler sich eher dem Repräsentativen widmen und sich sonst im Hintergrund halten würden? Wenn sich Apothekenleiter, die noch mit einem Bein in ihrer eigenen Apotheke stehen, um das Große und Ganze kümmern sollen, kann es schon sein, dass es zeitlich und vom Aufgabenumfang her eng wird. Von einem Manager, der ordentlich bezahlt wird, könnte man mehr Professionalität und eine schlagkräftige Politik erwarten.
29. Januar 2016
Die Apotheker aus Deutschland, Österreich, Südtirol und der Schweiz wollen durchstarten, war ein Fazit der berufspolitischen Diskussion auf dem Pharmacon in Schladming. Sie wollen mit mehr patientenorientierten Dienstleistungen ihr Tätigkeitsfeld ausbauen, konnte man lesen. Na ja, mein liebes Tagebuch, durchstarten klingt immer gut, oder? Aber schaut man da mal genauer hin, dann war wenig bis nichts Neues dabei. Mehr Beratung, mehr Medikationschecks, das Übliche. In der Schweiz dürfen Apothekers impfen. In Deutschland soll die Verbesserung von AMTS die zentrale Aufgabe sein. Wäre schön, wenn sich da was täte, aber der große Kick ist da nicht zu erwarten. Armin schwächelt, der Medikationsplan wird ohne Apotheker laufen. Und das Medikationsmanagement ist in weite Ferne gerückt: Der Deutsche Apothekerverband hat sich mit den Ärzten darauf verständigt, dass Apotheker die Diagnose des Patienten nicht lesen dürfen. Wie soll ein Medikationsmanagement funktionieren, wenn man die Diagnose nicht kennt? Mein liebes Tagebuch, da stellt sich Ernüchterung am Jahresanfang ein.
26 Kommentare
Was vergessen..........??
von Bernd Jas am 03.02.2016 um 12:11 Uhr
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Reicht das bisher Gesagte......?!
von Gunnar Müller, Detmold am 31.01.2016 um 21:33 Uhr
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AW: Kommentar Gunnar Müller
von Heiko Barz am 02.02.2016 um 12:32 Uhr
Professionelle Berufsvertretung!
von Uwe Hansmann am 31.01.2016 um 20:12 Uhr
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AW: ...nicht nur für Bernd! Wo bleibt die "like-Funktion"
von Dr. Christian Meisen am 31.01.2016 um 21:42 Uhr
AW: Like-Funktion
von Nicola Kuhrt am 01.02.2016 um 18:30 Uhr
Zielrichtung
von Reinhard Rodiger am 31.01.2016 um 20:04 Uhr
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Urabstimmung aller als Kammerpflichtmitglieder in Deutschland geführter Apotheker
von Dr. Berthold Pohl am 31.01.2016 um 17:30 Uhr
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AW: DAV rulez !
von gabriela aures am 31.01.2016 um 18:16 Uhr
No Future?
von Wolfgang Müller am 31.01.2016 um 16:37 Uhr
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Interessenvertretung der Apotheker. Ein Gefangenen-Dilemma?
von Kerstin Kemmritz am 31.01.2016 um 16:14 Uhr
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Was sind Ihre Vorstellungen
von Philipp Jüttner am 31.01.2016 um 15:57 Uhr
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Vor 4 Jahren gab's 'apothekerprotest'.......
von Gunnar Müller, Detmold am 31.01.2016 um 15:36 Uhr
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MM mit oder ohne "Diagnose" - wird das noch was?
von Wolfgang Müller am 31.01.2016 um 12:56 Uhr
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AW: Sie wollen....
von gabriela aures am 31.01.2016 um 13:44 Uhr
AW: "liebe Sonntagsparlaments-Kolleg/innen!"
von Chistian Giese am 31.01.2016 um 14:27 Uhr
Retaxen abkaufen
von Bernd Jas am 31.01.2016 um 11:46 Uhr
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Strukturänderung in der ABDA
von Dr.DIEFENBACH am 31.01.2016 um 11:31 Uhr
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Guten Morgen, meine Lieben !
von gabriela aures am 31.01.2016 um 11:05 Uhr
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Basis plus 17 plus 17
von Christian Giese am 31.01.2016 um 11:00 Uhr
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AW: ....haben wir das theoretisch nicht schon? Was ist mit dem DAT?
von Dr. Christian Meisen am 31.01.2016 um 18:13 Uhr
AW: 34 plus 17+17 = 68
von Christian Giese am 31.01.2016 um 23:00 Uhr
17 Plus 17 ?
von Ulrich Ströh am 31.01.2016 um 9:09 Uhr
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AW: Apotheker(innen)-Runde
von Peter Ditzel am 31.01.2016 um 10:05 Uhr
Absolut berechtigte Frage........
von Dr. Christian Meisen am 31.01.2016 um 8:46 Uhr
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Retaxation
von Michael Zeimke am 31.01.2016 um 8:44 Uhr
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