Zwischenfall in Rennes

Nebenwirkungen von BIA 10-2474 sind schon früher aufgetreten

Stuttgart - 03.02.2016, 17:50 Uhr

Nebenwirkungen waren schon vorher bekannt, und es gibt Beziehungen zur zuständigen Ethikkommission: Biotrial ist unter Druck. (Foto: dpa)

Nebenwirkungen waren schon vorher bekannt, und es gibt Beziehungen zur zuständigen Ethikkommission: Biotrial ist unter Druck. (Foto: dpa)


Bei der Phase-I-Studie von BIAL tauchen weitere Unstimmigkeiten auf: Der französischen Arzneimittelbehörde waren nach DAZ.online-Informationen schon vor Einweisung des ersten Probanden Nebenwirkungen mitgeteilt worden. Außerdem soll es laut Le Figaro enge Verbindungen zwischen dem Auftragsforschungsinstitut Biotrial und der zuständigen Ethikkommission geben.

Nachdem die französische Arzneimittelbehörde ANSM vergangene Woche in einem ersten Bericht den Ablauf der verhängnisvollen Phase-I-Studie in Rennes veröffentlicht hat, wird die französische Gesundheitsminiterin am Donnerstag einen Untersuchungsbericht der Generalinspektion für Soziale Angelegenheiten IGAS vorstellen. Derweil teilte ANSM gegenüber DAZ.online mit, dass die Behörde schon vor dem Zwischenfall am 10. Januar 2016 über Nebenwirkungen in der Studie zu BIA 10-2474 informiert wurde.

Es habe sich nicht um ernstere Ereignisse gehandelt, so ANSM – obwohl eigentlich nur schwerere Nebenwirkungen mitgeteilt werden müssen. Genauere Angaben könnten derzeit nicht gemacht werden, aber es habe sich um so etwas wie Kopfschmerzen gehandelt. 

Wie schwer waren die Symptome?

Gleichzeitig gab ANSM an, dass beim später verstorbenen Studienteilnehmer als erstes Kopfschmerzen und Sehprobleme aufgetreten seien. Den genauen Zeitpunkt, zu dem die Symptome aufgetreten waren, wollte die Behörde jedoch nicht nennen. So bleibt nur die Angabe des leitenden Neurologen Gilles Edan von der Uniklinik Rennes, dass das Team anfangs aufgrund der schweren Symptome von einem Schlaganfall ausging.

Dieses steht im Widerspruch zur Aussage des Geschäftsführers von Biotrial, François Peaucelle. Er sagte kürzlich im Interview gegenüber der französischen Tageszeitung Le Figaro, die Symptome wären am 10. Januar nicht alarmierend gewesen – aber sie hätten den Probanden abends um 20:00 Uhr als Notfall eingeliefert, um sie weiter abzuklären. Am nächsten Morgen sei den anderen Probanden die nächste Dosis verabreicht worden, während sie auf die Rückkehr des Tags zuvor eingelieferten Probanden gewartet hätten. Erst am späten Morgen hätten sie von der Schlaganfall-Diagnose erfahren und angenommen, dass es keinen Zusammenhang mit der Studie geben würde.

Dringender Aufklärungsbedarf

„Dass man an dem Tag, nachdem die erste Versuchsperson ins Krankenhaus eingewiesen wurde, nochmal allen eine Dosis gegeben hat, finde ich schon ziemlich gravierend“, sagt Joerg Hasford, Vorsitzender des Arbeitskreises Medizinischer Ethikkommissionen in Deutschland, DAZ.online. Wenn ein gesunder und relativ junger Proband Sehstörungen hat, wäre dies seiner Ansicht nach dringend aufklärungsbedürftig – und man hätte sich morgens gleich erkundigen müssen, wie sein Zustand ist.

Auch auf das seiner Ansicht nach zu liberale Studienprotokoll könnten sich die Prüfer dann nicht berufen: „Es bleibt eine ärztliche Verantwortung uneingeschränkt bestehen“, sagt Hasford. Der Zwischenfall beim ersten Probanden sei möglicherweise unvermeidbar gewesen, nicht aber die weiteren. Vielleicht würde es aber zukünftig sogar nötig werden, ins Studienprotokoll ausdrücklich aufzunehmen, dass bei einem schweren Zwischenfall abgebrochen werden muss – da ansonsten der finanzielle Druck der Firmen dies verhindern könnte.

Es existierten Beziehungen zur Ethikkommission

Le Figaro liefert eine mögliche Erklärung, wie es dazu kam, dass der Studienplan von einer Ethikkommission genehmigt wurde: Es gebe enge Verbindungen zwischen dem Auftragsforschungsinstitut und der Ethikkommission „OUEST V“ in Brest, die sogar „Ethikkommission Biotrial“ genannt wurde. Im Interview dementierte Biotrial-Geschäftsführer Peaucelle die Vorwürfe – es gebe zwar Beziehungen, doch würde sie unabhängig arbeiten. Er sah auch kein Problem darin, dass der für die Studie zuständige Medizinische Direktor von Biotrial als ordentliches Mitglied in der Ethikkommission „OUEST VI“ in Rennes sitzt. In den seltenen Fällen, in denen diese Kommission über Anträge von Biotrial entschieden hätte, hätte sein Kollege Alain Patat sich eben enthalten.

Gegenüber Le Figaro sagte Peaucelle, über den Zustand der fünf weiteren Probanden sei Biotrial inzwischen beruhigter. Sie würden alle noch medizinisch überwacht. Einer hätte keine Symptome, sondern nur Angstzustände. Die Lage der vier anderen Probanden würde sich noch weiter verändern. Über Folgeschäden könne man derzeit noch nichts Definitives sagen, möglicherweise würden sie aber ganz geheilt. Angesichts der „tiefen, nekrotischen und hämorrhagischen Gehirnläsionen“, von denen der Neurologe Edan am 15. Januar gesprochen hatte, wäre dies eine äußerst gute Prognose.


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