Wem sollen unsere Daten dienen?

Zukunftsvisionen von TK-Chef Baas und Hecken polarisieren Politiker und Verbraucherschützer

Stuttgart - 10.02.2016, 12:59 Uhr

Werden wir alle zum gläsernen Menschen - wie dieses Exponat im Deutschen Hygienemuseum es schon ist? (Foto: picture alliance / ZB)

Werden wir alle zum gläsernen Menschen - wie dieses Exponat im Deutschen Hygienemuseum es schon ist? (Foto: picture alliance / ZB)


Josef Hecken sieht Versicherte in der Pflicht, ihre Gesundheitsdaten zur Verfügung zu stellen - und Jens Baas stellte jetzt seine Visionen zum digitalen Gesundheitswesen vor. Dies ist für den Bundesverband der Verbraucherzentralen ein No-Go.

Nachdem Justizminister Heiko Maas am Dienstag die Pläne von Jens Baas kritisiert hatte, mehren sich derzeit skeptische Stimmen. Der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse hatte gesagt, er wolle über „coole Produkte“ das Vertrauen von Kunden gewinnen – und zukünftig auch Daten von Fitness-Trackern und Apps in elektronische Patientenakten integrieren.

Für Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), wäre mit den Vorstellungen von Baas die rote Linie überschritten. „Gesundheits-Apps können das Leben von Patienten verbessern, aber auch Schaden anrichten“, so Müller. Dies würde dazu führen, dass ältere oder kranke Patienten diskriminiert werden. Er forderte außerdem eine klare Trennung zwischen „Spielzeug“ und „medizinischem Werkzeug“. 

Auch für Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, würde so das Gesundheitssystem auf den Kopf gestellt: „Wer gesund und fit ist, spekuliert auf Rabatte. Wer nicht mitmacht, ist schnell identifiziert und diskriminiert“, kritisiert er.

In diesem Kontext gewinnen auch Aussagen von Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), an Brisanz. Seiner Meinung nach dürfe es nicht vom „good will“ des einzelnen Versicherten abhängen, ob Versorgungsdaten ausgewertet werden können, sagte er auf der Tagung „Innovationen für mehr Sicherheit“ der Techniker Krankenkasse in der vergangenen Woche. „Wir müssen eine Debatte darüber beginnen, ob der Patient der Sammlung seiner Daten widersprechen kann.“ Wer von der Solidarität in der Gesetzlichen Krankenversicherung profitieren möchte, müsse auch seinen Beitrag leisten und alles dafür tun, dass Belastungen des Systems abgewendet werden. 

Eine deutlich andere Meinung hatte am Dienstag schon Justizminister Heiko Maas geäußert. Auch Grünen-Gesundheitspolitikern Maria Klein-Schmeink sieht den Vorstoß des G-BA-Chefs kritisch: „Mit solchen Aussagen gefährdet Hecken die Akzeptanz von E-Health insgesamt“, sagt die Bundestagsabgeordnete gegenüber DAZ.online. Auf keinen Fall dürfe es einen solchen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte geben. „Der total vermessene Mensch kann und darf nicht das Ziel sein.“

Auch für Kathrin Vogler von der Linken-Bundestagsfraktion würden mit den Plänen Grenzen überschritten. „Weder Krankenkassen noch private Versicherungskonzerne dürfen Zugriff erhalten auf persönliche Gesundheitsdaten, die über Fitness-Armbänder übertragen werden“, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, denn den Versicherungen ginge es um wirtschaftliche Auslese, welche Versicherten sich „rechnen“ und welche man lieber loswerden will.

Die Einwände von Maas und dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung Laumann gehen Vogler nicht weit genug, denn sie bezweifelt, wie frei die Weitergabe der Daten überhaupt sein kann. „Wer mit einer Armutsrente oder mit Niedriglohn auskommen muss, ist leicht bereit, für einen Bonus von 50 Euro in die Nutzung von Gesundheits-Apps einzuwilligen“, sagt Vogler. Deshalb sei es nötig, hier per Gesetz einen deutlichen Riegel vorzuschieben.

Nur Gesunde könnten sich preiswert versichern

Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht die Bestrebungen einiger Versicherungen, Fitnessdaten als Basis für optimierte Tarife heranzuziehen, als sehr kritisch an. „Wenn man dies zu Ende denkt, könnten sich letztlich nur gesunde Menschen preiswert versichern und für die Kranken müsste die Solidargemeinschaft aufkommen“, sagt Schaar.

Es könne zwar durchaus sinnvoll sein, mit qualitätsgesicherten Geräten Gesundheitsdaten zu erfassen und diese dann dem Arzt auf sicherem Wege digital zu übermitteln, soweit dies medizinisch geboten ist und der Betroffene es wünscht. Der Telematikinfrastruktur der Gematik traue er zu, das erforderliche hohe Datenschutzniveau zu gewährleisten, sagt Schaar, der seit Ende Januar die Schlichtungsstelle der Gematik leitet.

Doch Daten, die Fitness-Tracker oder Apps erheben, seien oft nicht zuverlässig. „Die Digitalisierung des Gesundheitswesens muss aus meiner Sicht auf eine sichere, vertrauensvolle Basis gestellt werden und darf nicht rein kommerziellen Interessen folgen“, sagt Schaar. 

Update 10.02.2016, 18:00 Uhr: Ergänzung um den Kommentar von Peter Schaar.
Update 11.02.2016, 12:25 Uhr: Ergänzung um das Statement von Kathrin Vogler.


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2 Kommentare

Baas und Hecken

von Bernd Küsgens am 10.02.2016 um 19:14 Uhr

Es wundert doch niemanden, dass die beiden Herren für
eine Ausspähung der Patienten eintreten. Bei der TK ist man doch sicher, dass sie sich über dem GG. sieht.
Bei Hecken weiß doch jeder, was er von Gesetzen hält nach seiner Zeit als Justizminister des Saarlandes.

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Schnüffelstaat

von Karl Friedrich Müller am 10.02.2016 um 14:30 Uhr

Undurchdachter Quark. Wie will man einzelne Risiken abschätzen? Muss einer mehr bezahlen, weil er (überhaupt) Sport betreibt? Wegen höherem Verletzngsrisiko? Andere, weil sie eben keinen betreiben? Zählt nun ein Veganer mehr oder weniger? Was willman denn aus den Daten der APPs herauslesen können? In Wirklichkeit nichts! Dazu wäre die Datenflut auch viel zu groß.
Es geht doch nur wieder darum, den Bürger zu gängeln und ihm irgendwelchen Unsinn einzureden. Und natürlich um die Sammelwut öffentlicher Stellen.
Wenn jemand für sich Aufzeichnungen macht, egal welcher Art, geht das NIEMANDEN etwas an! Es geht nicht an, dass permanent Leute in Dingen herumschnüffeln müssen, die privat sind.

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