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FES-STudie Zu Wettbewerb im Gesundheitssystem
Das wollen wir auch!
Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung sorgt mit Reformvorschlägen für Gesprächsstoff. Politikern aus der Schweiz und aus den Niederlanden ist es gelungen, gesetzliche und private Krankenversicherungen unter einen Hut zu bringen. Voraussetzung sei eine qualitativ hochwertige Basisversorgung.
In den letzten Jahren verabschiedeten deutsche Gesundheitspolitiker unterschiedliche Maßnahmenpakete wie das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG), das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) oder das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der GKV (GKV-VSG). Nicht immer ist es ihnen gelungen, klare Ziele zu formulieren.
Geht es um mehr Qualität, um einen besserer Zugang zu Leistungen, um mehr Patientenorientierung oder lediglich um die Möglichkeit, Kosten zu senken? Und wer steht im Wettbewerb – Krankenkassen, Leistungserbringer oder beide Gruppen? Diese Fragen wollen Timo Blenk, Nora Knötig und Thomas Wüstrich klären, indem sie Erfahrungen aus der Schweiz und aus den Niederlanden in ihre Analyse "Die Rolle des Wettbewerbs im Gesundheitssystem" für die Friedrich-Ebert-Stiftung einfließen lassen. Ihre Arbeit entstand an der Fakultät für Betriebswirtschaft, Universität der Bundeswehr München.
Schweiz: Basisversorgung für alle
Eine der größten Stärken des eidgenössischen Gesundheitswesens liegt im einheitlichen Basistarif der Krankenversicherung. „Keine in der Schweiz ansässige Person kann sich dem allgemeinen Solidarausgleich in der Basisversorgung entziehen“, schreibt die FES. Stattdessen würden Versicherte ermutigt, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen. Je nach Bedarf und Präferenzen haben die Möglichkeit, weitere Verträge auf dem auf dem Zusatzversicherungsmarkt abzuschließen.
„Grundsätzlich schafft die schweizerische Differenzierung in Basis- und Zusatzversicherung die Voraussetzung für die Überwindung der Dualität von privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen“, heißt es im Report. Voraussetzung sei eine qualitativ hochwertige Basisversorgung. Darüber hinaus raten Experten, in Deutschland über die Einführung von Managed Care-Wahltarifen und Selektivverträgen nach Schweizer Vorbild nachzudenken.
Eine große Mehrheit aller Eidgenossen hat sich bereits dafür entschieden. Auch von telemedizinischen Optionen könnte unser Gesundheitssystem profitieren. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, raten die Autoren zu einheitliche Rahmenbedingungen und zu transparenten Qualitätsstandards. Ebenfalls erwägenswert sei eine stärkere Kostenkontrolle neuer Pharmaka.
Niederlande: mehr Transparenz
Aus den Niederlanden kommen ebenfalls interessante Beispiele. „Empfehlenswert für Deutschland könnte die Überwindung der Dualität von GKV und PKV, die Schaffung eines einheitlichen Versicherungsmarktes, die Ausweitung der selektivvertraglichen Gestaltungsoptionen einschließlich des Angebots diverser Management Care-Modelle zulasten kollektivvertraglicher Arrangements sowie die deutlichere Hinwendung zu mehr Prävention und Gesundheitsaufklärung sein“, schreiben Blenk, Knötig und Wüstrich in ihrer Analyse.
Neue selektivvertragliche Optionen stärken den Wettbewerb zwischen Leistungserbringern sowie zwischen Krankenkassen. Der weitere Ausbau selektivvertraglicher Möglichkeiten wäre auch für Deutschland sinnvoll. Trotzdem gibt es Unterschiede: In den Niederlanden führen finanziell attraktive Gruppenverträge häufig dazu, dass Patienten ihre Versicherung wechseln. Das funktioniert in Deutschland momentan nicht, hat das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) kürzlich herausgefunden.
Viele Befragte konnten nicht einmal die Höhe ihrer Abgaben oder ihrer Zusatzbeiträge korrekt einschätzen. Sie waren kaum bereit, aus Kostengründen ihre Versicherung zu verlassen. Unabhängige Plattformen zum Vergleich von Leistungen, wie beim Nachbarn längst üblich, müssen aber nicht zwangsläufig zum Kassenwechsel führen. Die Autoren hoffen auf mehr Service- und Leistungsorientierung, allein schon aus Transparenzgründen.
Freiberuflichkeit im Fadenkreuz
Die Kernbotschaft lautet – wie in der Schweiz oder in den Niederlanden bereits umgesetzt – Gräben zwischen GKV und PKV einzureißen. Auch für Deutschland scheint eine Bürgerversicherung auf mittlere Sicht empfehlenswert zu sein. Um die starke Verhandlungsposition von Versicherungen zu korrigieren, setzen Blenk, Knötig und Wüstrich im medizinischen Sektor an. Ein unternehmerischer Bestandsschutz in Form lebenslangen, qualitätsunabhängiger Kassenzulassungen sei „weder mit dem freiberuflichen Selbstverständnis niedergelassener Ärzte noch mit wettbewerblichen Prinzipien“ vereinbar. Damit Kassen ihre Macht nicht missbräuchlich einsetzen, müsste der Ordnungsrahmen angepasst werden.
Apotheker außen vor
Erstaunlicherweise haben die Forscher öffentliche Apotheken in ihrer Arbeit nicht berücksichtigt. Auf Anfrage von DAZ.online erklärte Thomas Wüstrich: „Dies geschah jedoch nicht, weil der Aspekt unerheblich ist, sondern weil er den Rahmen unserer Studie gesprengt hätte.“
Kein
Wunder: Apotheken spielen aus finanziellem Blickwinkel betrachtet nicht die
erste Geige. Von 205,33 Milliarden Euro (2014) gaben GKVen 32,7 Prozent
für Krankenhausbehandlungen, 16 Prozent für ärztliche Therapien und 14,9
Prozent für Medikamente aus. Wüstrich warnt aber vor rein zahlenmäßigen Betrachtungen.
Bei der Frage des Wettbewerbs im Gesundheitswesen gehe es „nicht primär um
Einsparung, sondern um die Gewährleistung einer guten, patienten- sowie
versichertenorientierten Versorgung“. Sparen darf nicht zum Selbstzweck werden.
2 Kommentare
Grotesk falsche Zahlen ...
von Reinhard Herzog am 12.02.2016 um 13:22 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Fast...
von Nicola Kuhrt am 12.02.2016 um 20:52 Uhr
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