Literaturtipp
Schwarz und stark - Wie Kaffee die Gesundheit fördert
Karen Nieber
Schädlich oder nützlich? Seit Jahrzehnten spüren Forscher der Wirkung von Kaffee hinterher – mit verwirrenden Resultaten. Mal wird das Getränk verteufelt, dann wieder als Schutz vor Krankheiten gelobt, weiß auch Pharmakologin Karen Nieber. Ein Überblick.
Genau 60 abgezählte Kaffeebohnen mussten es angeblich für Ludwig van Beethoven sein – nicht mehr und nicht weniger. Diese Menge ließ der Komponist mit heißem Wasser überbrühen. Auch wenn die meisten Menschen weniger eigen bei der Zubereitung sind, die Deutschen lieben Kaffee: Zum Frühstück, bei der Arbeit, am Nachmittag oder einfach zwischendurch.
Beim Konsum des Heißgetränks liegt Deutschland nach Angaben des Deutschen Kaffeeverbands weltweit auf Platz drei – nur US-Amerikaner und Brasilianer trinken mehr. 2014 konsumierte ein Bundesbürger demnach durchschnittlich 162 Liter – fast einen halben Liter pro Tag. Zum Vergleich: Bei Mineralwasser lag der Verbrauch bei 143,5 Litern. Selbst Bier, das vermeintliche Lieblingsgetränk der Deutschen, kam nur auf 107 Liter.
Lange Zeit galt hoher Kaffeekonsum als bedenklich. Das Getränk entziehe dem Körper Flüssigkeit, hieß es – auch wenn es schon immer prominente Gegenstimmen gab. “Kaffee dehydriert den Körper nicht”, soll Franz Kafka einmal behauptet haben. “Ich wäre sonst schon Staub.”
Tatsächlich bestätigte sich die dem Schriftsteller zugeschriebene Aussage: Zwar kann Koffein in größeren Mengen harntreibend wirken und damit für einen Verlust an Flüssigkeit sorgen, bei regelmäßigem Genuss tritt jedoch ein Gewöhnungseffekt ein. Man könne das Heißgetränk zur Flüssigkeitsaufnahme nutzen, schrieben Forscher der Universität Birmingham 2014 im Fachmagazin "PLOS ONE".
Die Diskussion um Kaffee als Wasserräuber zeigt, wie umstritten die Wirkung des Getränks war – und zwar seit seiner Ausbreitung im 17. und 18. Jahrhundert. "Anfangs wurde Kaffee in erster Linie als Medizin konsumiert", sagt Historiker Martin Krieger von der Universität Kiel. Andererseits wurden dem Muntermacher im Lauf der Zeit immer wieder schädliche Wirkungen nachgesagt. Herzinfarkt, Krebs, Diabetes, Asthma, Alzheimer – zu solchen Krankheiten sollte der Inhaltsstoff Koffein Studien zufolge beitragen.
In den letzten Jahren hat Kaffee sein negatives Image abgelegt. Inzwischen wird er sogar zunehmend mit positiven Effekten in Verbindung gebracht. Doch die zahllosen Studien kommen zu widersprüchlichen Resultaten.
Verkompliziert wird die Forschung dadurch, dass Menschen unterschiedlich auf den Hauptwirkstoff Koffein reagieren – etwa je nachdem, ob sie den Wirkstoff langsam oder schnell abbauen. Forscher der Universität Toronto berichteten 2006 im “Journal of the American Medical Association”, dass jene, die Koffein langsamer abbauen, ab einem Tageskonsum von zwei bis drei Tassen Kaffee ein erhöhtes Herzinfarkt-Risiko haben. Wirklich weiterhelfen kann diese Information dem Verbraucher nicht: “Das Problematische ist, dass wir keinen Gentest haben, um herauszufinden, wie wir Koffein verstoffwechseln”, sagt Gisela Olias vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam.
Auch methodisch ist die Erforschung der Kaffee-Wirkung schwierig. Wissenschaftler untersuchen gesundheitliche Folgen hauptsächlich in Beobachtungsstudien. Deren Schwäche: Die Teilnehmer haben je nach Lebenswandel mehrere Risikofaktoren, die sich nur schwer voneinander abgrenzen lassen. Ein Beispiel: Kaffeetrinker sind überdurchschnittlich oft Raucher – das kann Studienergebnisse verfälschen.
Andere Untersuchungen prüfen die Wirkung von Koffein an Tieren oder im Labor an Zellkulturen – doch ihre Übertragbarkeit auf den Menschen ist fraglich. Und manchmal stecken finanzielle Interessen hinter Studien: “Ich würde mir ganz genau anschauen, wer die Studie bezahlt hat”, empfiehlt der Getränketechnologe Prof. Bernd Lindemann von der Hochschule Geisenheim.
Ein letzter Punkt: Kaffee ist nicht gleich Kaffee. Je nach Sorte, Röstung und Art der Zubereitung variieren Verträglichkeit, Wirkung und Inhaltsstoffe – dies kann Ergebnisse von Studien beeinflussen.
Allein die Zahl der Inhaltsstoffe – insgesamt über 1000 Substanzen - ist beeindruckend. Und schon die Wirkung von Koffein ist äußerst komplex. In der Kaffeepflanze funktioniert der Wachmacher eigentlich als Fraßschutz, der Insekten betäubt oder tötet. Auch für den Menschen gilt: "Koffein ist eigentlich ein Gift, aber in geringen Dosen regt es den Kreislauf an und fördert die Konzentration", sagt Lindemann. Eine wirklich giftige Dosis erreiche ein normaler Mensch nicht: "Dafür müsste man schon 100 Tassen am Tag trinken."
Für die Funktion als Muntermacher sorgen vor allem zwei Mechanismen. Koffein verengt die Gefäße, das Herz muss dadurch das Blut mit mehr Druck pumpen. Herz- und Atemfrequenz steigen, das Gehirn und der Rest des Körpers werden optimal mit Blut versorgt.
Zudem blockiert Koffein den Botenstoff Adenosin. “Adenosin könnte man als eine Art Bremse im Gehirn verstehen”, erklärt die Pharmakologin Prof. Karen Nieber von der Universität Leipzig. “Die Zahl und die Empfindlichkeit der Bindungsstellen von Adenosin ist bei einzelnen Menschen aber unterschiedlich.” Adenosin macht schläfrig und hemmt den Austausch zwischen Nervenzellen. Genau diese Bremse löst Koffein.
Die Folge beider Mechanismen: Wir fühlen uns wach, können uns besser konzentrieren, verbessern unsere körperliche Leistungsfähigkeit und haben eine schnellere Reaktionszeit. Kein Wunder, dass Leistungssportler vor Wettkämpfen gern zu koffeinhaltigen Getränken greifen. Nach dem Hoch kommt jedoch das Tief: Bei einem Erwachsenen lässt die Wirkung nach rund vier Stunden nach, so die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Da hilft dann nur eins: Nachschub oder eine Ruhephase.
Auf der stimulierenden Wirkung basieren auch die Befürchtungen, Kaffee könnte das Risiko eines Herzinfarkts erhöhen. Studien dazu liefern zwar widersprüchliche Ergebnisse, die meisten Wissenschaftler geben aber Entwarnung. In den letzten Jahren deuteten große Studien kaum auf Gefahren des Heißgetränks für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hin – darunter auch die 2012 veröffentlichte EPIC-Studie unter Leitung des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung mit 42 000 Teilnehmern. “Eigentlich trainiert die erhöhte Herzfrequenz den Herzmuskel sogar”, betont Nieber. Und erst im Januar kam ein Überblicksartikel von Forschern der Emory University in Atlanta im “Journal of the American Heart Association” zu dem Schluss, dass Kaffee das Risiko für Herzerkrankungen oder Herzrhythmusstörungen nicht erhöht.
Bei Krebs ist die Lage verzwickter. Während manche Forscher behaupten, Kaffee erhöhe das Krebsrisiko, gehen andere Experten sogar von einer Schutzwirkung aus. Ein erhöhtes Krebsrisiko ergab etwa die EPIC-Studie nicht. Aber auch etwaige vorbeugende Effekte bewertet Nieber mit Skepsis. “Das sind alles Studien, die an Zellkulturen gemacht wurden.” Und Kaffee-Studien zum Alzheimer-Risiko beruhen demnach oft auf Tierversuchen.
Als ziemlich wahrscheinlich gilt, dass Kaffee das Risiko senkt, an Diabetes 2 zu erkranken. Das bestätigte auch die EPIC-Studie: Wer täglich mehr als vier Tassen – über 600 Milliliter – koffeinhaltigen Kaffee konsumierte, hatte im Vergleich zu Menschen, die durchschnittlich weniger als eine Tasse tranken, ein um 23 Prozent verringerte Gefährdung. An Koffein allein scheint der Effekt nicht zu liegen, denn auch der Konsum von entkoffeiniertem Kaffee ging mit einer verminderten Gefährdung einher.
Zur Behandlung von Asthma wird Koffein schon seit dem 19. Jahrhundert erfolgreich eingesetzt. Die Praxis zeigt, dass der Stoff Patienten für etwa zwei bis vier Stunden Erleichterung bringen und die Atemwege entkrampfen kann. Zur Langzeitwirkung ist jedoch wenig bekannt.
Insgesamt gibt es also wenig konkrete Hinweise, die gegen das Heißgetränk sprechen – zumindest bei einem maßvollen Konsum bis zu vier Tassen pro Tag.
Allerdings gibt es Ausnahmen. Zur Vorsicht mahnt Nieber Osteoporose-Patienten. Das Getränk könne den Knochenschwund fördern. “Durch Koffein kommt es zu einer vermehrten Ausscheidung von Calcium”, sagt sie. Da die Konzentration an Calcium im Blut aber konstant bleibt, muss sich der Körper den Stoff woanders holen: aus den Knochen, die bei diesen Patienten eine Schwachstelle sind.
Auch Schwangere sollten mit Kaffee vorsichtig sein. Ob hoher Koffeinkonsum die Gefahr einer Fehlgeburt erhöht, ist bislang unklar. Anders als früher müssen werdende Mütter aber nicht mehr komplett darauf verzichten. Die EFSA empfiehlt allerdings, nicht mehr als 200 Milligramm Koffein pro Tag zu konsumieren – also zwei bis drei Tassen Kaffee. “Man sollte möglichst Filterkaffee mit Milch trinken”, rät Nieber, “weil einige Schadstoffe im Filter abgefangen werden und die Milch die Säure bindet. Gerade in der Schwangerschaft haben ja viele Frauen Probleme mit dem Magen.”
Doch jenseits aller gesundheitlichen Folgen ist Kaffee vor allem ein Genussmittel, das vielen Menschen schmeckt und ihnen hilft, in den Tag zu starten. Schon im 18. Jahrhundert scheiterte Friedrich der Große mit dem Versuch, den privaten Import von Kaffee zu verbieten. Ihm ging es dabei nicht um die Gesundheit seiner Bürger. “Die Verbote hatten etwas mit der Wirtschaftspolitik zu tun”, erläutert Kaffeehistoriker Krieger. Der preußische König wollte, dass das Geld im eigenen Land bleibt. Kaffee-Ersatzprodukte waren aber nur mäßig beliebt, stattdessen blühte der Schmuggel. Das 1766 erlassene Verbot wurde 1787 wieder aufgehoben.
Schwarz und stark - Wie Kaffee die Gesundheit fördert
Karen Nieber
Kaffee ist ein ganz besonderes Getränk – wegen seiner belebenden Wirkung wird es seit Jahrhunderten geschätzt. Doch das ist nicht alles: Studien haben gezeigt, dass Kaffee vielerlei Krankheiten und Beschwerden lindern kann. Das Spektrum reicht von Kopfschmerzen über Asthma und Diabetes bis zur Parkinson’schen Krankheit. Welche Inhaltsstoffe für diese Heilwirkungen zuständig sind und wie sie unsere Gesundheit fördern können, erfahren Sie in diesem Buch. Es widerlegt alte Vorurteile und zeigt, dass Kaffee zu Recht ein wichtiger Teil unserer Kultur ist.
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