- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Mein liebes Tagebuch
Eine Woche, in der die Zukunft um die Ecke guckt: Politiker empfinden Nullretax als Unding, NRW-Gesundheitsministerin Steffens will neue Apothekerfunktionen, Kai Siemsen träumt von einer Gebührenordnung, Gerd Glaeske versteht die ABDA nicht und Josef Hecken will Fitness-Daten sammeln. Oh, mein liebes Tagebuch!
8. Februar 2016
Es sind nur Gerüchte, nicht mehr und nicht weniger: Apotheken könnten an Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen beteiligt werden, indem man den dreiprozentigen Aufschlag, der ein Teil des Apothekenhonorars ist, deckelt. Das würde bedeuten, dass die Apotheke weniger Honorar für das Handeln der teuren und sehr teuren Arzneimittel bekäme. Erste Berechnungen gehen davon aus, dass es sich – als Hausnummer – um 250 bis 300 Mio. Euro Rohertrag handelt, der teilweise gekürzt würde. Wäre ein Unding! Da trägt die Apotheke schon das volle Risiko der superteuren Packungen und dann sollen die Aufschläge für diese Packungen gekappt werden? Das geht gar nicht. Klar, man könnte über einen Ausgleich auf einem anderen Gebiet nachdenken, aber, mein liebes Tagebuch, solche „Ausgleiche“ haben bisher noch nie funktioniert, wir Apotheker haben immer den Kürzeren gezogen. Das Bundeswirtschaftsministerium plant derzeit allerdings keine Änderung der Arzneimittelpreisverordnung, war auf Nachfrage zu erfahren. Man will erstmal das Gutachten abwarten. Aber dann…
9. Februar 2016
Schön wär’s: Retaxationen sollten bis zum Schiedsspruch ausgesetzt werden. Meint Roy Kühne, Bundestagsabgeordneter (CDU), nachdem er das Problem bei einem Apothekenpraktikum hautnah miterlebte. Er sah, dass Patienten unkorrekt ausgestellte Rezepte im Notdienst vorlegten. Und die Zwickmühle für die Apotheke: Arzneimittel nicht mitgeben? Oder mitgeben und Retax in Kauf nehmen? Tja, liebe Gesundheitspolitiker, das ist der Alltag in Apotheken.
10. Februar 2016
Daten sind eine Zukunftswährung! G-BA-Chef Josef Hecken möchte, dass Patienten ihre Versorgungs- und Gesundheitsdaten, die auch mit Fitness-Trackern und Apps gesammelt werden, der GKV zur Verfügung stellen. Es sollte nicht vom „good will“ des Patienten abhängen, ob er zustimmt, dass seine Daten gesammelt werden oder nicht. Denn schließlich profitiere der Patient von der Solidarität in der GKV. Hach, mein liebes Tagebuch, das ist wieder so ein typischer Hecken. Einfach übers Ziel hinaus und nicht zu Ende gedacht. Schon klar, dass ihm der gläserne Versicherte am liebsten wäre. Doch wollte man die Fitness-Daten der Versicherten, müssten alle gezwungen werden, ein solches Gerät zu tragen. Das sind Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte. Wie wär’s, Herr Hecken, wenn Sie sich mal ein Fitness-Armband kaufen – und dann mit gutem Beispiel vorangehen: Stellen Sie ihre Bewegungsdaten ins Netz, auf Facebook! Kommt sicher gut an!
Auch die TK frohlockt, sie können sich vorstellen, die Daten von den Fitness-Trackern in die elektronische Patientenakte zu integrieren. Und im Hintergrund denkt man schon darüber nach, Versicherungsbeiträge an die Kassen von den Daten abhängig zu machen. Patientenschützer und der Bundesjustizminister allerdings sind hier strikt dagegen: Niemand dürfe gezwungen werden, Fitness-Daten Dritten zugänglich zu machen. Und dabei sollte es bleiben.
Kai-Peter Siemsen darf seine zweite Amtszeit als Präsident der Apothekerkammer Hamburg antreten. Und er hat sich viel vorgenommen. Vor allem: Vieles, das Unterstützung verdient. Ja, er will sich um einige heißen Eisen kümmern, die zurzeit glühen, Themen, die es lohnt diskutiert zu werden. Da sind zum Beispiel die Berufspflichtverletzungen, die er offen anspricht: Es gibt Apotheken, die es ablehnen Rezepturen herzustellen. Mein liebes Tagebuch, dagegen muss vorgegangen werden. Berufspflichten müssen erfüllt werden. Dennoch sollten wir darüber offen und ohne Tabus reden, denn hier kommt die Differenzierung von Apotheken ins Spiel. Man könnte darüber nachdenken, ob sich nicht einige Apotheken auf Rezepturen spezialisieren und Rezepturen für andere mitanfertigen könnten? Damit wäre vielen geholfen, am meisten den Patienten, die dann mit einer ordentlichen Rezepturqualität rechnen können. Mein liebes Tagebuch, lass uns mal darüber diskutieren, was wäre wenn?
Ein weiteres Thema von Siemsen: die steigenden Beitragszahlungen an die Kammer bzw. von den Kammern an die ABDA. Siemsen plädierte für einkommensabhängige Kammerbeiträge, konnte sich damit allerdings nicht durchsetzen. Auch darüber hätte man nachdenken können. Was sagen schon Umsätze aus. Aber natürlich müssten dann auch Einkommen differenziert gesehen werden. Wenn auch Einnahmen aus Vermietung erzielt werden, kann das nicht in den Kammerbeitrag einfließen.
Und zum Honorar: Siemsen geht davon aus, dass bis 2017 allenfalls ein Rezepturhonorar als Wahlgeschenk zu erwarten ist. Wobei selbst hier Skepsis angezeigt ist, mein liebes Tagebuch.
Interessant ist aber eine weitere Forderung von Siemsen, nämlich eine Gebührenordnung für Apotheker. Da Politiker keine Erhöhung mit der Gießkanne wollen, könnte dies ein Ansatz sein, meint Siemsen. Mit einer Gebührenordnung, wie sie bei anderen freien Berufen selbstverständlich ist, könnten die Gemeinwohlpflichten honoriert werden. Eine Gebührenordnung wäre in der Tat ein Kraftakt, mit dem wir unsere gesamte Struktur neu regeln würden. Was sich wohl die Gutachter einfallen lassen?
11. Februar 2016
Fein! Noch eine Politikerin guckt in einer Apotheke vorbei: Ute Bertram, MdB (CDU) und Mitglied im Gesundheitsausschuss, besucht eine Apotheke in Freden und informiert sich auch über Null-Retaxationen. Ihr Fazit: Es muss gehandelt werden. Sie versteht nicht, dass die Kassen wegen eines fehlenden Kreuzes oder Arzt-Vornamens auf dem Rezept die Arzneirechnung nicht bezahlt. Ja, Frau Bertram, das verstehen wir auch nicht, müssen diesen Unfug aber ausbaden. Mein liebes Tagebuch, wir sollten den gesamten Bundestag, zumindest alle Damen und Herren des Gesundheitsausschusses mal in die Apotheken treiben und ihnen die Probleme von Retax über Lieferengpass bis Dumpinglohn für Rezeptur und Doku vor Augen führen. Vielleicht würde da zumindest mehr Verständnis für Apotheken resultieren.
Ja, und dazu passt die Meldung: Die Schiedsstelle konnte keine Einigung zwischen Deutschem Apothekerverband und GKV-Spitzenverband zum Thema Nullretax bei Formfehlern herbeiführen. Die Kassen können also erstmal weiter ihre Abzockmaschinerie laufen lassen. Wie eine Einigung oder ein Schiedsspruch aussehen könnte? Mein liebes Tagebuch, den salomonisch weisen Spruch wird es kaum geben können, einer wird den Kürzeren ziehen. Mit schwant nichts Gutes. Der nächste Termin ist für April angesetzt.
13. Februar 2016
Ach, mein liebes Tagebuch, wär’ sie doch Bundesgesundheitsministerin: Barbara Steffens, Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin, ist immer wieder ein Quell der Freude für Apotheker. Auf dem Zukunftskongress des Apothekerverbands Nordrhein wiederholte sie, was sie schon des Öfteren herausstellte: „Wir müssen die Funktionen, die Apotheker übernehmen können, neu überdenken“. Apotheker sollten mehr Verantwortung im System übernehmen. Und: „Versandhandel und Pick-up sind keine Alternativen.“ Die Face-to-face-Beratung sei der richtige Weg. Ja, mein liebes Tagebuch, sie stellte auch die Rolle der Apotheker in der Arzneimitteltherapiesicherheit heraus und wetterte gegen Nullretax, „das ist nur ein Kostendrückmechanismus, der ist illegal “. Und übers E-Health-Gesetz ist sie „zutiefst enttäuscht“ – weil Apotheken nicht aktiv in den Medikationsplan eingebunden sind. Aus Steffens Sicht ist das der falsche Weg. Außerdem müssten die Apotheker für Beratung beim Medikationsplan honoriert werden. Im Gegensatz zu ihrer bayerischen Kollegin Huml ist sie nicht der Ansicht, dass im Apothekerhonorar auch die Beratung zum Medikationsplan drin ist. Mein liebes Tagebuch, es gibt sie also noch, die Politiker, die Apothekers Leistung und Kompetenz wirklich anerkennen und schätzen. Wie gut das tut!
Auch dabei auf dem Nordrheiner Zukunftskongress: Ein Trendforscher, der Auszüge aus einer Trendstudie vorstellte, die er im Auftrag des Apothekerverbands Nordrhein angefertigt hatte. Angesichts der rasanten digitalen Entwicklung riet er den Apotheken u.a.: „Seien Sie digital sichtbar, investieren Sie mehr in Ihre IT als in Ihre Verkaufsräume.“ Ja, mein liebes Tagebuch, schade, dass dieses Thema von unserer Berufsvertretung so lange vernachlässigt wurde. Und bei den Szenarien für die Apotheke der Zukunft sieht der Trendforscher sogar den Apotheker ohne Apotheke, einen Apotheker, der selbstständig als Gesundheitscoach arbeitet, Patienten berät, hochqualifiziert und top vernetzt ist. Reizvoll, mein liebes Tagebuch, aber wer bezahlt ihn?
Auch Gesundheitsexperte Gerd Glaeske war beim Zukunftskongress dabei. Sein Rat für die Apotheker: Er findet es überhaupt nicht gut, dass Apotheken nicht besser im E-Health-Gesetz eingebunden sind. Aber statt auf die Politik zu schimpfen und zu warten, ob sich was tut, wäre es besser, wenn die Apotheker proaktiv auf ihr Können aufmerksam machen und darüber reden. Mein liebes Tagebuch, klingt gut, aber ist leider nicht nicht das Ding der ABDA, die schon bei der evidence-based pharmacy zusammenzuckt. Glaeske: „Ich verstehe nicht, dass die ABDA meint, man brauche keine evidence based pharmacy.“
Last but not least gab’s auf dem Zukunftskongress einen realistisch-schattigen Ausblick des ABDA-Abteilungsleiters für Wirtschaft und Soziales, Eckart Bauer, auf die Arzneimittelpreisverordnung. Da waren sie wieder, alle unsere schönen Forderungen und Wünsche: Regelmäßige Überprüfung des Festzuschlags, 8,35 Euro auch für die Abgabe von Rezepturen, eine Doku-Gebühr für BtM von 2,94 Euro (wie man wohl auf diese krumme Zahl kommt?) und eine Erhöhung des Notdienstzuschlags von 20 Cent. Aber, machen wir uns keine Hoffnungen, mein liebes Tagebuch: „In dieser Legislaturperiode gibt es wenige Indizien“, sagte Bauer, „dass die BtM-Gebühr und das Rezepturhonorar noch angefasst werden.“
9 Kommentare
Rezeptur
von Wolfgang Müller am 14.02.2016 um 17:24 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Zukumpf
von Bernd Jas am 14.02.2016 um 14:41 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Rezepturen und Gebührenordnung
von Kerstin Kemmritz am 14.02.2016 um 14:23 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Klitzekleine Korrektur
von Gunnar Müller, Detmold am 14.02.2016 um 16:14 Uhr
Schizophrenie....
von gabriela aures am 14.02.2016 um 14:22 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
HÄNDE WEG VON DEN APOTHEKEN !
von Gunnar Müller, Detmold am 14.02.2016 um 13:59 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Abseits
von Reinhard Rodiger am 14.02.2016 um 12:09 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Guten Morgen,
von gabriela aures am 14.02.2016 um 11:33 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Null
von Christian Giese am 14.02.2016 um 11:05 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.