Gemeinsamer Bundesausschuss

Ab Juli sind Glinide nur noch ausnahmsweise erstattungsfähig

Berlin - 18.02.2016, 16:35 Uhr

Der Gemeinsame Bundesausschuss macht es noch einmal: Er beschließt eine Verordnungseinschränkung für Glinide.

Der Gemeinsame Bundesausschuss macht es noch einmal: Er beschließt eine Verordnungseinschränkung für Glinide.


Mit sechs Jahren Verspätung wird im Juli ein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses in Kraft treten, nach dem Glinide zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 nur noch in medizinisch begründeten Einzelfällen zulasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden können.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entschied am Donnerstag, die bereits im Jahr 2010 beschlossene Verordnungseinschränkung für Glinide zum 1. Juli 2016 in Kraft zu setzen. Dass der Beschluss nicht schon 2010 wirksam wurde, lag daran, dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ihn beanstandet hatte. Dem folgte eine langwierige juristische Auseinandersetzung, die im Mai letzten Jahres mit einem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg beendet wurde. Es entschied, dass die Beanstandung rechtswidrig war, und hob diese auf. Das BMG verzichtete auf ein Rechtsmittel.

Auch nach 15 Jahren am Markt keine Langzeitstudie

Beim G-BA hat sich in den vergangenen sechs Jahren die Einschätzung zu den Gliniden nicht verändert. Er hatte die Verordnungseinschränkung damals beschlossen, da er den therapeutischen Nutzen dieser Wirkstoffgruppe nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht als nachgewiesen ansah. „An der Daten- und Erkenntnislage hat sich seit dem Beschluss im Jahr 2010 nichts geändert. Bis heute liegen dem G-BA keine wissenschaftlich einwandfrei geführten klinischen Studien mit patientenrelevanten Endpunkten vor, anhand derer der therapeutische Nutzen beziehungsweise die Zweckmäßigkeit dieser – immerhin seit nun 15 Jahren auf dem Markt befindlichen – Wirkstoffgruppe hätte nachgewiesen werden können,“ sagte der unparteiische Vorsitzende des G-BA, Prof. Josef Hecken. Für die Glinide lägen zu den patientenrelevanten Endpunkten wie Mortalität, diabetische Folgekomplikationen und gesundheitsbezogene Lebensqualität keine relevanten Studien vor. Der G-BA moniert zudem, dass ausschließlich Kurzzeitstudien vorhanden sind. Auch sei keine der bisher vorliegenden Studien darauf ausgelegt, einen Nutzen der Glinide bei der Vermeidung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen nachzuweisen oder das Schadenspotenzial hinsichtlich kardiovaskulärer Risiken zu untersuchen, so Hecken.

Neues Verfahren zur Bewertung der Zweckmäßigkeit wird eingestellt

Nach einer Änderung der gesetzlichen Grundlage zum 1. Januar 2011 hatte der G-BA im Januar 2014 ein weiteres Verfahren zur Bewertung der Zweckmäßigkeit der Glinide eröffnet. Dabei machte er von der Möglichkeit Gebrauch, ergänzende versorgungsrelevante Studien für die Wirkstoffe Nateglinid und Repaglinid einzufordern. Nach Ablauf der Frist von einem Jahr hatte kein pharmazeutischer Unternehmer nachgewiesen, mit einer Studie begonnen zu haben. Auch in dem daraufhin im März 2015 eingeleiteten Stellungnahmeverfahren zur Verordnungseinschränkung der Glinide wurden keine Studien zu patientenrelevanten Endpunkten vorgelegt. Dieses Verfahren wird mit der Veröffentlichung des ursprünglichen Beschlusses vom 17. Juni 2010 gegenstandslos und deshalb eingestellt.

Derzeit auf dem Markt sind in Deutschland Repaglinid (Novonorm® von Novo Nordisk, seit 2010 auch Generika) und Nateglinid (Starlix® von Novartis).


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Patientennutzen nicht berücksichtigt

von Reinhard Rodiger am 18.02.2016 um 17:08 Uhr

Wenn man bei der Bewertung die wirklich wichtigen Parameter weglässt und sich auf die konzentriert, die nicht belegbar sind, wird der Patientennutzen mit Füssen getreten. Hypoglykämie als schadensinduzierende Wirkung wurde ausgeblendet. Es ist ja auch die Hauptwirkung. Die Folgen sind schwer nachweisbar und können immer den Patienten angelastet werden.Stoffe ohne diese Wirkung sind teilweise sicherer. Stattdessen wird das risikoreichste nach wie vor als Standard in DMP-Programmen verwendet. Es gibt eine Studie mit dem Nachweis der Mortalitätssenkung. Die vielen Todesfälle durch Überdosierung und pürotrahierte Hypoglykämien bleiben unberücksichtigt. Sie sind ja auch kausal schwer nachweisbar.

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