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Eine Woche mit superguten Ansätzen! Dass es das noch gibt, mein liebes Tagebuch! Der G-BA schickt seine Leute ins Apothekenpraktikum, die DPhG pusht die Ausbildungsapotheke und der EPF stellt sein Weißbuch vor und möchte, dass Apotheken impfen. Und als Zugabe: einen Lach-Kracher aus dem Lindencorso.
15. Februar 2016
Das ist doch mal ein guter Ansatz: Der Gemeinsame Bundesausschuss möchte den Alltag der Arzneimittellieferung kennenlernen. Der große mächtige G-BA, der den Nutzen neuer Arzneimittel bewertet und auch darüber entscheidet, was beispielsweise auf der Substitutionsaustauschliste steht. Es ist der G-BA, bei dem die ABDA kein Mitglied ist (und leider auch nicht sein will). Im Bereich Nutzenbewertung arbeiten zwar angestellte Apotheker mit, aber auch viele andere Fachkräfte mit medizinischen oder naturwissenschaftlichen Studienabschlüssen anderer Fachrichtungen. Und die haben den Apothekenalltag, die Praxis des Kleinkleins der Arzneimittelbelieferung, noch nie „von unten“ gesehen. Da ist es doch wirklich eine gute Idee, diesen Fachkräften mal die Möglichkeit zu geben, zu sehen, welche Auswirkungen es hat, wenn ein Arzneimittel wegen Lieferengpässen nicht lieferbar ist, was es mit den Erstattungsbeträgen auf sich hat, mit der Importregelung, welcher Aufwand in der Apotheke hinter den Rabattverträgen steht, was es bedeutet, wenn ein Arzneimittel der Substitutionsaustauschliste unter keinen Umständen ausgetauscht werden darf, wie aufwendig das Zuschussgeschäft Rezepturen ist und und und. Mitarbeiter des G-BA möchten in einer öffentlichen Apotheke in Berlin hospitieren, hieß es sinngemäß in einer Anzeige im Rundschreiben der Berliner Apothekerkammer. Mein liebes Tagebuch, eine Super-Initiative des G-BA und eine Super-Chance für die Apotheken! Eigentlich sollte jeder Gesundheitspolitiker mal ein „Praktikum“ in einer Apotheke ableisten! Und wenn es nur ein halber Tag wäre. Es erfahren zu haben, mit eigenen Augen gesehen zu haben, was Rabattvertrag oder Retax bedeutet, ist mehr als Tausend Worte. Ach ja, liebe Krankenkassenfunktionäre, macht doch auch mal ein Minipraktikum in einer Apotheke und prüft mal eben ein paar Rezepte in der Apothekenalltagshektik auf Formfehler. Wer die Fehler findet, bekommt ’ne Tasse Tee. Süße Idee, oder?
16. Februar 2016
Ein Gutachten, bei dem auch der Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap beteiligt war (Ex-Mitglied der Monopolkommission, er forderte u. a. Fremd- und Mehrbesitz bei Apotheken), sieht Krankenhaus-Apotheken als Profitcenter von Kliniken. Im Gutachten, das der Berufsverband der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Auftrag gegeben hatte, geht es in erster Linie um die Fragen, ob ambulant tätige Fachärzte erhebliche Wettbewerbsnachteile im Vergleich zu Krankenhäusern, die ebenfalls immer stärker ambulant tätig seien, hinnehmen müssten. Die Sache mit den Krankenhausapotheken spielt in diesem Gutachten eine Nebenrolle, dient allerdings dazu, darauf hinzuweisen, dass Krankenhäuser Möglichkeiten hätten, defizitäre Leistungsbereich quersubventionieren zu können, z. B. durch eine profitable Krankenhaus-Apotheke. Als Beispiel wird die „Erfolgsgeschichte“ des Uniklinikums Schleswig-Holstein zitiert. Nachdem es die Arzneimittelversorgung von einer privaten auf die eigene Krankenhaus-Apotheke übertragen hat, habe man nach steigenden Umsätzen allein im ambulanten Bereich 7,7 Mio. Euro an Überschüssen erzielt. Wäre man bei einer externen Lieferapotheke geblieben, wäre dieser Betrag dem Klinikum entgangen. Ein großer Vorteil der Krankenhausapotheken: Sie könnten Preise direkt mit Pharmaunternehmen aushandeln. Mein liebes Tagebuch, da weckt ein Wirtschaftswissenschaftler wieder mal Begehrlichkeiten, indem er die Äpfel mit den Birnen vergleicht. Krankenhaus-Apotheken und öffentliche Apotheken sind zwei Systeme, die in unterschiedlichen Welten arbeiten, unterschiedliche Aufträge haben.
17. Februar 2016
Avoxa – der Kracher der Woche. Vier ABDA-Töchter (Govi-Verlag, die Werbe- und Vertriebsgesellschaft, die Geschäftsbereiche IT/EDV und die Technischen Dienste der VGDA – Verwaltungsgesellschaft Deutscher Apotheker GmbH) schlüpfen unter ein Dach und bekommen einen neuen Namen: Avoxa. Ein Kunstwort – mit Hintergrund. Laut ABDA soll der Wortbestandteil „vox“ (lat.: die Stimme) darauf hindeuten, dass sich die Mediengruppe künftig Gehör im Gesundheitsbereich verschaffen will. Haha, mit abgeschnittener Zunge? Laut Google ist im Alten Rom Avoxa ein Sklave, dem die Zunge abgeschnitten wurde und der nicht mehr sprechen kann. Mein liebes Tagebuch, über Namen lässt sich trefflich streiten. Aber über Avoxa nicht – der ist irgendwie arg schräg daneben. Denn neben dem Menschen mit der abgeschnittenen Zunge trägt den Namen bereits eine französische Anwaltskanzlei, ein Getreideherbizid und ein elektronischer Soundcomposer. Was in aller Welt hat da unsere ABDA geritten? Oder hat man blind einer Kreativagentur vertraut, bei der die Wortfindung sich so abgespielt haben könnte: Klar, der erste Buchstabe soll natürlich ein A sein wie Apotheke oder ABDA. Dann hatte einer die fantastische Idee, dass eine Mediengruppe irgendwas mit Stimme zu tun hat, also hängen wir ein „vox“ dran. Damit es irgendwie gut zu Ende geht, fügen wir am Schluss noch ein „A“ dazu: Avoxa. Passt scho, oder? Den ABDA-Granden verkaufte man Avoxa dann als Superwortschöpfung, wie gemacht für das neue Medienhaus der Töchter, kassierte ein paar Tausender und alle freuten sich. Hat man bei der ABDA nicht wenigstens einmal vorher gegoogelt? Oder war bei der Namenssitzung im Lindencorso gerade das Internet ausgefallen? Ach, ABDA, vielleicht hättest Du die Buchstaben einfach von hinten lesen sollen: Statt Avoxa besser Axova! Ist zwar auch schon besetzt, klingt aber nicht nach abgeschnittener Zunge, sondern eher nach Sofa, viel kuscheliger. Oder verkünstele Dich nicht und nimm einfach „ABDA Media“!
18. Februar 2016
Da fasst die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) wirklich ein heißes Eisen an: die Ausbildung im Dritten Prüfungsabschnitt. Bisher spielen da wohl Zufall und Glück eine große Rolle: Je nach dem, in welcher Apotheke die Pharmazeuten im Praktikum ihr halbes (oder ganzes Jahr) absolvieren können, lernen sie mehr oder weniger. Ein von der ABDA neu entwickelter „Leitfaden für die praktische Ausbildung von Pharmazeuten im Praktikum in der Apotheke“ ist schon mal ein Anfang, aber es sind keine verbindlichen Vorschriften, sondern nur Empfehlungen für die praktische Ausbildung in der Apotheke. Da wünscht sich die DPhG mehr Verbindlichkeit. Ja, mein liebes Tagebuch, und dann bedauert es unsere wissenschaftliche Gesellschaft, dass die „Richtlinien zur Akkreditierung Akademischer Ausbildungsapotheken“ von der BAK-Mitgliederversammlung mehrheitlich abgelehnt worden seien. Diese akademischen Ausbildungsapotheken – es gibt sie in Baden-Württemberg, Hamburg und Westfalen-Lippe – müssen bestimmte qualitative Kriterien erfüllen. Nach Ansicht der DPhG könnte eine deutschlandweite einheitliche Umsetzung des Konzepts mehr Qualität in die Ausbildung bringen. Die Bundesapothekerkammer allerdings meint, man wolle einzelne Ausbildungsapotheken nicht herausstellen, außerdem seien die Anforderungen an die Akkreditierung zu hoch. Mein liebes Tagebuch, wenn wir schon keine neue Ausbildungsordnung bekommen, dann wäre der Dritte Ausbildungsabschnitt wirklich eine Chance, unseren pharmazeutischen Nachwuchs für die neuen Herausforderungen fit zu machen. Da werden großspurig ein Perspektivpapier verabschiedet und ein neues Berufsbild erarbeitet, wenn es dann an die Umsetzung geht, kneift die BAK. Was heißt hier, man wolle Ausbildungsapotheken nicht herausstellen? Wer gute Leistung bringt, darf herausragen. Und was die Anforderungen betrifft, so hätte man hier vielleicht nachjustieren können, um sie nicht astronomisch unerreichbar zu machen. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass die DPhG der BAK noch ein bisschen Feuer unterm Hintern machen kann. Eine bessere Ausbildung im dritten Abschnitt ist eine echte Chance für unsere Pharmazie.
Eine Panorama-Sendung und ein Stern-Bericht haben der Öffentlichkeit vor Augen geführt, wie Zuweisungsgeschäfte im Zyto-Bereich ablaufen können: Zwei Apotheker im Gespräch mit einem Onkologen. Die Apotheker schlagen dem Arzt vor, dass einer von ihnen die Zytostatika-Rezepte des Onkologen beliefert, während der andere dem Arzt 250.000 Euro, getarnt als Kredit, zukommen lässt. Super-Deal für den Arzt. In den Berichten erfährt man auch, wie Onkologen außerdem umworben werden: z. B. kostenlose Praxisräume oder Übernahme von Miet- und Personalkosten. Mein liebes Tagebuch, ob das nur „exotische Einzelfälle“ sind? In diesen Größenordnungen – vielleicht. Aber wer sich mit Kennern der Szene unterhält, erfährt, dass es schon ab und an „kleinere Gefälligkeiten“ oder „Entgegenkommen“ gibt. Das Antikorruptionsgesetz kommt!
19. Februar 2016
Wenn man als Apotheker auch nur ein bisschen die gesundheits- und berufspolitische Szenerie verfolgt, spürt man: So, wie es bisher war, wird es mit dem Apothekerberuf nicht mehr weitergehen können. Wir stehen vor Neuorientierungen. Die im Vergleich zu heute eher ruhigeren Zeiten der 80er und 90er Jahre, in denen man als Apotheker den Logistiker und kleinen Berater gab, in denen man eine Apotheke eröffnen konnte mit der Gewissheit, irgendwie läuft sie – diese Zeiten gibt es schon lange nicht mehr. Gesellschaft und Politik verlangen nach einem anderen Apotheker. Und, mein liebes Tagebuch, wir Apotheker, zumindest viele von uns, wollen selbst ein anderes Berufsbild, wollen der Gesellschaft mehr anbieten, als nur Arzneimittellager- und -abgabestelle mit Beratung zu sein. Die ABDA hat das Perspektivpapier entwickelt. Gute Ansätze, aber zu wenig konkret. Die MVDA-Apotheker haben ihr Positionspapier erstellt, das schon deutlicher wird und für die Mitglieder eine Richtung aufzeigt. Jetzt gibt es ein neues Dossier vom „European Pharmacists Forum“ (EPF). Dieses Forum, ein Zusammenschluss von selbstständigen Pharmazeuten aus zehn europäischen Ländern, hat ein Weißbuch vorgelegt. Das Forum, das von der Alphega-Kooperation und damit von Walgreens Boots Alliance unterstützt wird, fühlt sich als internationale Erfa-Gruppe. In dem Weißbuch stellt das Forum fünf Kernbereiche vor, in denen die Apotheker ihre Kompetenz ausbauen könnten: Die Verbesserung der Arzneimittel-Adhärenz, Impfungen in der Apotheke, Screening in der Apotheke, die Apotheke als die Anlaufstelle für Selbsthilfe/Selbstmedikation und für die Krankheitsprävention. Und, mein liebes Tagebuch, wie findest du das? Da kann man doch zustimmen! Es sind Bereiche, die der Apotheke einen sinnvollen Mehrwert geben. In anderen europäischen Ländern wie Großbritannien, Portugal und in der Schweiz dürfen Apotheker schon impfen. Ein Auge auf die Compliance zu werfen, die Prävention zu fördern, durch Screenings rechtzeitig auf Krankheitsentwicklungen aufmerksam zu machen – da stecken Möglichkeiten für die Apotheke drin. Das EPF war bereits bei der ABDA, bei Gesundheitspolitikern in Berlin und hat sein Weißbuch vorgestellt. Also, macht was draus, das Weißbuch hat Potenzial.
8 Kommentare
Andere Wortfindungen
von Heiko Barz am 21.02.2016 um 15:56 Uhr
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Sorry, aber ..........
von Gunnar Müller, Detmold am 21.02.2016 um 15:53 Uhr
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Tagebuch
von Katharina Stülcken am 21.02.2016 um 11:31 Uhr
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Zweimal Schein:
von Christian Giese am 21.02.2016 um 10:55 Uhr
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Von Nichtausbildern und Zungensklaven ...
von Ulrich Ströh am 21.02.2016 um 10:38 Uhr
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AW: Ein Hoch der DPhG und AVOXA
von Wolfgang Müller am 21.02.2016 um 11:45 Uhr
Sprachlosigkeit und Korruption
von Karl Friedrich Müller am 21.02.2016 um 9:58 Uhr
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Avoxa
von Barbara Buschow am 21.02.2016 um 8:24 Uhr
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