Nach Niederlage vor dem Bundessozialgericht

Verfassungsbeschwerde gegen Zyto-Exklusivverträge

Berlin - 26.02.2016, 08:30 Uhr

Bei der Zytostatikaversorgung sollen Kassen mithilfe von Exklusivverträgen mit Apotheken sparen können. (Foto: VZA)

Bei der Zytostatikaversorgung sollen Kassen mithilfe von Exklusivverträgen mit Apotheken sparen können. (Foto: VZA)


Das Bundessozialgericht hatte Ende November entschieden, dass ein Apotheker, der Versicherte der AOK Hessen mit onkologischen Zubereitungen versorgt, von der Kasse hierfür keine Vergütung verlangen kann. Der Grund: Er gehört nicht zu den Apothekern, die mit der AOK einen Vertrag zur Zyto-Versorgung abgeschlossen haben. Nun will er Verfassungsbeschwerde einlegen.

Die AOK Hessen hatte 2013 nach einer Ausschreibung Verträge mit zwölf Apotheken abgeschlossen: Diese sollten fortan die Versorgung von Krebspatienten mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus onkologischen Fertigarzneimitteln exklusiv übernehmen. Onkologische Praxen wurden von der Kasse informiert, nur noch bei bezuschlagten Apotheken zu bestellen. Auch Apotheken wurden darauf hingewiesen, dass nur noch solche Apotheken für onkologische Zubereitungen vergütet werden, die in der Ausschreibung einen Zuschlag erhalten haben.

Die Ausschreibung sorgte für viel Kritik. Einige Zystostatika-herstellende Apotheker widersetzten sich. So belieferte auch der Kläger, dessen Fall vor dem Bundessozialgericht landete, eine Praxis wie gewohnt weiter. Über diese versorgte er 38 Versicherte der AOK Hessen. Die Versicherten hatten alle eine Erklärung unterschrieben, dass sie ihr Apothekenwahlrecht (§ 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V) ausübten. Insgesamt liefen bei dem Apotheker Kosten in Höhe von rund 70.500 Euro auf. Diese beglich die AOK zunächst, retaxierte sie aber später. Nachdem der Apotheker ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren eingeleitet hatte, einigte man sich darauf, dass er das Geld dann wieder ausgezahlt bekam. Nun wollte er gerichtlich festgestellt wissen, dass die AOK Hessen kein Recht hatte, die Summe erneut in voller Höhe zu retaxieren.

Sozialgericht Darmstadt bejahte Vergütungsanspruch

In erster Instanz sah auch noch alles gut aus: Das Sozialgericht Darmstadt hielt den Vergütungsanspruch für gegeben, weil die Versicherten ihr Apothekenwahlrecht wirksam zugunsten des klagenden Apothekers ausgeübt hätten. Das Gericht ließ die Sprungrevision zum Bundessozialgericht zu – doch dieses entschied vergangenen November ganz anders. Seit vergangener Woche liegen die Urteilsgründe der Kasseler Richter vor.

Darin lassen sie keinen Zweifel: Schließt eine Krankenkasse mit einer Apotheke in einem bestimmten Gebiet einen Exklusivvertrag, kann in diesem Gebiet die Versorgung der Versicherten dieser Krankenkasse nur noch durch diese Apotheke erfolgen. Das Bundessozialgericht betont, dass der Rechtsgrundlage für die Verträge (§ 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V) das Wirtschaftlichkeitsgebot, das sich durch das gesamte Krankenversicherungsrecht ziehe, „immanent“ sei. Die Vertragspartner gewähren der Kasse danach Abschläge – könne die Kasse ihnen nicht einen gewissen Leistungsumfang garantieren, hätten die Apotheker gar keinen Anreiz, einen solchen Vertrag abzuschließen.

Wirtschaftlichkeitsgebot schlägt Apothekenwahlrecht

Das Recht des Versicherten, seine Apotheke frei zu wählen, sei notwendigerweise auf die vertraglich gebundenen Apotheken beschränkt, soweit der Gesetzgeber den Abschluss von Einzelverträgen vorsehe. „Insoweit wird nicht nur in diesem Zusammenhang, sondern regelmäßig dem Wirtschaftlichkeitsgebot der Vorrang vor dem Versichertenwahlrecht eingeräumt“, heißt es im Urteil.

Der betroffene Apotheker will das Urteil nicht auf sich sitzen lassen. Wie seine Anwälte – Ulrich Grau und Constanze Püschel von der Berliner Kanzlei Dierks & Bohle – bestätigen, ist der Gang nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht geplant. Nun muss es recht schnell gehen. Eine Verfassungsbeschwerde muss binnen vier Wochen nach Vorliegen der Urteilsgründe eingereicht werden. Diese Arbeit macht sich jetzt Prof. Dr. Thorsten Kingreen vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Gesundheitsrecht an der Universität Regensburg – mit Zuarbeit der Berliner Anwälte.

Das Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. November 2015 (Az.: B 3 KR 344/14) finden Sie hier im Volltext.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Zyto-Exklusivverträge.

von Heiko Barz am 26.02.2016 um 12:41 Uhr

Sieh da, sie da, wir haben sie schon die Krankenkassenapotheken, wenn auch jetzt erst bei einigen "onkologischen" Apotheken. Und der Staat mit seiner Gerichtsbarkeit schaufelt an unserer " Grube " kräftig mit, obwohl ihm durch unsere stark pressierte Arbeit immer noch ein hoher Steueranteil zufällt.
Eigentlich füttert man den Esel auf dem man reiten will.
Die Bewertung der Apotheken ausschließlich nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot wir dann der Abgesang für die freie Apothekenwahl der Patienten sein..
Noch ist es den KKassen lieber, die Apotheken so unter Druck zu setzen, dass diese Allem zustimmen, um die Existenz zu sichern, als eigene Apothekenketten zu aufzubauen, deren Kosten für sie weit höher liegen werden.
Ich erwarte auch in diesem Fall keine medienwirksame Reaktion von F. Schmidt und Co.
Quo vadis, pharmacia germanica ........2030 ?

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