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Karlsruhe will nicht auf Luxemburg warten
Bundesgerichtshof lässt DocMorris auflaufen
Der Bundesgerichtshof hält es für unnötig, dass sich der Europäische Gerichtshof mit der Frage befasst, ob das deutsche Arzneimittelpreisrecht mit Unionsrecht vereinbar ist. Dies sei bereits hinreichend geklärt. Er sieht daher auch keinen Anlass, die Entscheidung über zwei Nichtzulassungsbeschwerden von DocMorris auszusetzen – dafür aber gute Gründe, sie zurückzuweisen.
Der erste Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat Ende Januar über zwei Nichtzulassungsbeschwerden entschieden: DocMorris wollte erreichen, dass sich Karlsruhe doch noch einmal mit den in Deutschland gewährten Boni beschäftigt. Das Oberlandesgericht Köln hatte im Februar 2014 in zwei Verfahren der Apothekerkammer Nordrhein gegen DocMorris zugunsten der Kammer entschieden. Hier ging es um zwei verschiedene Bonus-Konzepte des niederländischen Versenders: Zum einen um das ursprüngliche Modell, nach dem der Versicherte für ein Rezept mindestens 2,50 Euro, in der Regel die Hälfte der Zuzahlung, und maximal 15 Euro gutgeschrieben bekam; zum anderen um Aufwandsentschädigungen für einen Arzneimittelcheck in Höhe von bis zu 15 Euro pro Rezept.
Die Kölner Richter hielten beides für wettbewerbswidrig, weil das deutsche Arzneimittelpreisrecht verletzt und überdies gegen das Heilmittelwerbesetz verstoßen werde. Die Revision zum Bundesgerichtshof ließen sie nicht zu. Das wollte sich DocMorris nicht gefallen lassen – nicht zuletzt, weil mittlerweile ein Verfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängig ist, in dem es um national bereits beantwortete Fragen geht: Verstößt es gegen die Warenverkehrsfreiheit – also gegen EU-Primärrecht – wenn sich auch ausländische Versandapotheken, die an deutsche Kunden Arzneimittel verschicken, an das hiesige Arzneimittelpreisrecht halten müssen? Falls ja: Wäre dies zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gerechtfertigt?
Kein Anlass für eine Verfahrensaussetzung
Doch der Bundesgerichtshof will auf das EuGH-Urteil nicht warten. Zwar könne grundsätzlich auch im Rahmen eines Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde eine Aussetzung vorgenommen werden, wenn es um eine Rechtsfrage geht, die dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt wird. Doch dies stehe im Ermessen des Gerichts. Und im Rahmen der allgemeinen Interessenabwägung sehen die Karlsruher Richter keinen Grund, der es rechtfertigen würde, eine derartige Aussetzung vorzunehmen.
Alle relevanten Rechtsfragen seien längst beantwortet – und zwar vom Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes sowie vom EuGH selbst. Der Gemeinsame Senat hatte am 22. August 2012 entschieden, dass das deutsche Preisrecht auch für DocMorris, EAV & Co. gilt. Auch würden feste Arzneimittelpreise keinen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit darstellen. Selbst wenn man dies unterstellte, wäre er gerechtfertigt. Auch der Gemeinsame Senat hatte eine Vorlage an den EuGH in Erwägung gezogen – diese letztlich aber für nicht erforderlich gehalten. „Es sind keine Gründe ersichtlich, die dem Senat Veranlassung geben würden, hiervon abzuweichen“, heißt es jetzt in den Beschlüssen des Bundesgerichthofs.
Kein Verstoß gegen europäische Grundfreiheiten
Dennoch führen die Karlsruher Richter nochmals die bekannten Argumente an. Dabei nehmen sie auch Bezug auf ein Schreiben der Europäischen Kommission vom 20. November 2013 an die Bundesrepublik, das DocMorris im Verfahren vorgelegt hatte. Darin vertritt die Kommission die Ansicht, dass Deutschland mit der Regelung des § 78 Abs. 1 Satz 4 Arzneimittelgesetz gegen EU-Recht verstoße – darin ist klargestellt, dass die Arzneimittelpreisverordnung auch für Arzneimittel gilt, die im Wege des Versands aus einem anderen EU-Mitgliedstaat nach Deutschland verbracht werden. Diese Norm, so betont der Bundesgerichtshof, hat ohnehin nur klarstellenden Charakter. Der Gemeinsame Senat war auch schon ohne sie zum gleichen Ergebnis gekommen. Zum Einwand der Kommission führt der aktuelle Beschluss dennoch weiter aus, dass es sich beim einheitlichen Apothekenabgabepreis lediglich um eine Verkaufsmodalität handele, die ausländische Versandapotheken „jedoch nicht stärker beschränkt als inländische Versandapotheken, die sich – ebenso wie eine inländische stationäre Apotheke – an den einheitlichen Apothekenabgabepreis halten müssen.“
Der Bundesgerichtshof zieht die Rechtsprechung
des EuGH selbst heran, um zu zeigen, dass kein Verstoß gegen die
Warenverkehrsfreiheit vorliegt. Aber selbst wenn man ihn annehmen würde, wäre
er im Zweifel gerechtfertigt, weil die EU-Mitgliedstaaten selbst bestimmen könnten,
„auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten
wollen und wie dies erreicht werden soll“.
Kopfschütteln über OLG Düsseldorf
Nicht zuletzt gibt es noch einen Seitenhieb an das Oberlandesgericht Düsseldorf, das sich von DocMorris dazu bringen ließ, den EuGH anzurufen: „Die Vorlageentscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf enthält keine Gesichtspunkte, die eine andere Bewertung als diejenige in der Entscheidung des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes rechtfertigen. Die Tatsache für sich genommen, dass ein Gericht dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen vorlegt, die sich auch im vorliegenden Verfahren stellen, veranlasst den Senat nicht, die Grundsätze der Entscheidung des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes in Zweifel zu ziehen.“
Für Rechtsanwalt Morton Douglas, der die Apothekerkammer Nordrhein schon lange in ihrem Streit gegen DocMorris begleitet, zeigt diese Aussage deutlich, „was der Bundesgerichtshof inhaltlich von den Ausführungen des Oberlandesgericht Düsseldorf hält – nämlich nichts“.
Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 27. Januar 2016, Az.: I ZR 67/14 und I ZR 68/14)
2 Kommentare
Das Ende der Europäischen Union
von Markus Schmid am 05.03.2016 um 10:36 Uhr
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ApothekenRechtTag
von Christian Rotta am 01.03.2016 um 16:21 Uhr
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