- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Wie Phoenix aus der Asche
Kossendeys Gegengewicht
Wie Phoenix aus der Asche
Er hätte den Apothekern in einem Interview für die Süddeutsche Zeitung den Rücken stärken können - doch ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hat die Chance verpasst, findet Ann-Kathrin Kossendey-Koch. Statt klarer Worte gab es altmodische Geschlechter-Argumente. Und seltsame Hinweise auf Platzprobleme in der Beratung. Kein Scherz.
Auferstanden aus Ruinen macht die ABDA Schlagzeilen - in der
seriösen Tagespresse. Friedemann Schmidt goes Süddeutsche Zeitung. Was für eine
gute Chance, uns Apotheker klar zu positionieren. Kann man machen, muss man
aber nicht. Immerhin spricht unser Häuptling an, dass es uns Apothekern an
Nachwuchs mangelt. Die jungen Pharmazeuten wollen laut seiner Aussage nicht als
Einzelkämpfer eine Apotheke führen.
Vor noch nicht all zu langer Zeit hieß es noch aus unserer Chefetage, dass das Führen einer Apotheke erstrebenswert sei, da man dann doch so frei sei! „I´ve been looking for freedom“ - ich bin in keiner Branche so gegängelt worden wie in der unsrigen. Die Kassen begrenzen die Abgabe der Arzneimittel durch Rabattverträge, der Kaufmann in uns wird durch die Arzneimittelpreisverordnung und jetzt ganz neu durch das Antikorruptionsgesetz ausgebremst, die Apothekenbetriebsordnung pfuscht mir in mein Sortiment, die Revision schreibt mir vor, wie warm es wann und wo in meinem Geschäft sein darf, die Bank nimmt sich, wie auch die Regierung, einen großen Teil meiner Einnahmen und unser Verband sorgt mit absurden Hilfsmittelverträgen dafür, dass ich in meiner Lieferfähigkeit beschränkt werde.
Ja, Freiheit ist ein hohes Gut.
Aber anstatt auf unsere Kernprobleme hinzuweisen, holt Friedemann Schmidt die Geschlechterkeule raus: „Eine große Rolle spiele auch, dass der Anteil der Frauen unter den potenziellen Apothekern beständig wachse. Und gerade diese legten deutlich höheren Wert auf eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie, "als man dies in einer Einzelapotheke haben könnte, wo 50 bis 60 Stunden Arbeitszeit in der Woche die Regel sind", sagt Schmidt.
Laut der ganz neuen Zahlen, Daten, Fakten der ABDA sind 46,7 Prozent der Apothekenleiter weiblich in Deutschland. Und, lieber Herr Schmidt, wir Frauen schaffen 50 bis 60 Stunden Arbeitszeit in der Woche in unserer Apotheke PLUS 30 Stunden Kinder und Haushalt unter der Woche. Aber damit nicht genug, denn Familie ist kein Nine-to-five-Job, sondern 24 Stunden, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr!
Unser Nachwuchs-Problem liegt also nicht an beständig wachsenden weiblichen Faultieren, die einfach nicht genug arbeiten möchten, sondern an den unattraktiven Arbeitsbedingungen unserer Branche. Und dazu zählen einfach auch die grottig schlechten Verdienstmöglichkeiten - egal ob angestellt oder selbstständig.
Stimmt die Bezahlung, darf es auch gerne mehr Arbeit sein. Und wenn ich mir eine qualifizierte Betreuung für meine Kinder leisten kann, kann ich auch als Frau sehr gut als Unternehmerin tätig sein. Denn nicht die Quantität, sondern die Qualität muss stimmen, das gilt vor allem für gemeinsame Zeit in der Familie.
Das schmidtsche Argument, dass der Nachwuchs in den Apotheken fehle, weil ja die Weibchen nur ein bisschen Apotheke, dafür aber mehr Latte-Macchiato mit den Krabbelgruppen-Mamis trinken wollen, lässt sich einfach entkräften. Sobald die Männer und dazugehörigen Väter ihren akademisch bestens ausgebildeten Frauen den Rücken freihalten, können diese auch spielend leicht ein Unternehmen leiten. Bei einem Anteil von 69,2 Prozent Frauen unter den berufstätigen Apothekern möchte ich doch mal annehmen, dass darunter viele sind, die nicht studiert haben, um sich dann ausschließlich der Brutpflege zu widmen.
Ich bin selber Mutter von drei zauberhaften Töchtern und genieße jede Minute mit ihnen (naja...fast. Eltern wissen, was ich meine), aber ich liebe auch meinen Beruf und meine Selbstständigkeit. In meinem Bekanntenkreis finden sich einige Apothekenleiterinnen, alle mit Familie und Haushalt und zum größten Teil ohne männlichen Zweitverdiener. Diese Frauen machen ausnahmslos einen sehr guten Job, die Kinder gedeihen prächtig.
Wäre das Geschlechter-Argument das einzig unbrauchbare in dem Artikel von Herrn Schmidt und alle unsere vielschichtigen Probleme bestens an anderer Stelle des Interviews untergebracht, man würde es als Frau der altmodischen Haltung der Schlipsträger in Berlin schulden und großzügig über solch ein konservatives Machogehabe hinweg sehen.
Kollegen sind die beste Standesvertretung
Aber es kann ja immer schlimmer kommen, das wurde uns schließlich jahrelang mit der standespolitischen Muttermilch eingetrichtert. Laut unserem Präsidenten ist die größte wirtschaftliche Herausforderung für die Apotheken, dass aus Platzmangel nicht die nötige Diskretion bei der Beratung geschaffen werden kann. Leider ist dies kein Witz und auch nicht die versteckte Kamera.
Die Süddeutsche Zeitung gibt den Apothekern die Möglichkeit, sich zu den Gründen des Apothekensterbens zu äußern und unser Anführer führt als Hauptproblem bauliche Besonderheiten der Apotheken-Offizin an? Da wundert es niemanden mehr, dass Friedemann Schmidt auch kein Versorgungsproblem sieht...wenn ich den Wald vor lauter Bäumen aus meinem Elfenbeinturm nicht sehe, dann stellt sich wohl die Frage, wen oder was die ABDA in Zukunft vertreten möchte?
Mit dieser desaströsen Kommunikationsstrategie wären männliche Einzelkämpfer, die locker 50-60 Stunden an ihren vielen voneinander getrennten Bedienplätzen arbeiten können, ohne sich ständig an einer Vereinbarkeit von Beruf und Familie aufzureiben, die ideale Zielgruppe. Vielleicht sollte sich die ABDA in Zukunft einfach selber vertreten. Wir Apotheker und vor allem Apothekerinnen würden sie eh nicht vermissen.
Immer öfter übernehmen die Kollegen an der Basis bereits die Aufgaben der ABDA - so auch meine engagierte Kollegin Kerstin Kemmritz, die das Forum „Ohne-ApothekeR-fehlt-dir-was“ ins Leben gerufen hat. Eine Online-Plattform von und für Apotheker, wo jeder schreiben kann, was ihn motiviert, ihn nervt und was sich ändern muss, aber auch Zahlen, Daten und Fakten, empathisch aufgearbeitet.
13 Kommentare
Vielen Dank
von Elvira Pfaff am 10.03.2016 um 16:18 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Verschwörung
von Andreas Dömling am 04.03.2016 um 15:56 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
AKK Kommentar
von Heiko Barz am 04.03.2016 um 11:57 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
mein Kommentar
von Alexander Zeitler am 03.03.2016 um 0:05 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
abbestellen!
von Christian Giese am 02.03.2016 um 21:20 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Nicht irritieren lassen
von Dr. Christoph Klotz am 02.03.2016 um 20:43 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Unterirdisch
von Reinhard Rodiger am 02.03.2016 um 20:41 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Nein,....
von gabriela aures am 02.03.2016 um 20:57 Uhr
AW: Desinteresse?
von Reinhard Rodiger am 02.03.2016 um 22:23 Uhr
Danke , FS !
von gabriela aures am 02.03.2016 um 19:35 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: P.S.
von gabriela aures am 02.03.2016 um 19:40 Uhr
1. Seite SZ
von Bernd Küsgens am 02.03.2016 um 18:45 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Danke
von Andreas Flöter am 02.03.2016 um 18:34 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.