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Ab und zu gibt es Momente, die ein Apothekerherz schneller schlagen lassen. In dieser Woche gleich mehrmals. Warum? In meinem Tagebuch steht’s.
29. Februar 2016
Noch vor ein paar Jahren sah es nicht so gut aus mit der Apothekenexklusivität bei Apothekenkosmetika. Da standen in den Regalen von dm, Rossmann und Co. die Kosmetiktübchen und Cremetöpfchen, die es eigentlich laut der Kosmetikhersteller nur in der Apotheke geben sollte. Ups, wie waren denn die in den Drogeriemarkt gekommen? Die Hersteller schworen Stein und Bein: von uns haben die das nicht. Also, woher dann? Von Großhandlungen, von Apotheken selbst? Mein liebes Tagebuch, da glaubte wohl der eine oder andere: „anything goes“. Aber den Herstellern gefiel das gar nicht, sie versuchten den apothekenexklusiven Markt auch apothekenexklusiv zu halten, z. B. mit Vertriebsbindungsverträgen. Hat wohl gewirkt, wie man jetzt sieht, beim Nachschub klemmte es. Die Drogeriemärkte jedenfalls klagten über Lieferengpässe und zogen sich aus diesem Sortiment zurück. Nichts Apothekenexklusives mehr bei dm. Also, mein liebes Tagebuch, jetzt wird in der Offizin die Kosmetikfreiwahl gepflegt, aber hallo!
Immer weniger Apotheken in Deutschland. Die offizielle ABDA-Zahl für Ende 2015: nur noch 20.249 Apotheken. Zieht man die Filialen ab, kommt man auf die Zahl von rund 16.000 Hauptapotheken. Das heißt: Es gibt schon rund 4200 Filialen. Die Möglichkeit zu filialisieren hat Schlimmeres verhütet. Mein liebes Tagebuch, wir hatten in Deutschland mal 21.602 Apotheken im Jahr 2008. Dann ging’s bergab. Und der Abwärtstrend hält an. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Ein intensiver Wettbewerb zwischen Apotheken, suboptimale gesundheitspolitische Rahmenbedingungen, wenig Planungssicherheit für junge Pharmazeuten, Ärztemangel auf dem Land – das alles und noch andere Gründe schaffen nicht unbedingt ein apothekenfreundliches Klima. Die Politik ist in den letzten Jahren nicht immer gut mit den Apotheken umgesprungen. Unsere Berufsvertretung hat es nicht geschafft, die Apotheke mit Gewicht und Stimme zu positionieren. Und, ganz klar, auch nicht alle Apotheken haben dazu beigetragen, eine gute Pharmazie zu zeigen. Was da seit einigen Jahren passiert, sieht nach natürlicher Auslese aus – „survival of the fittest“. Aber trotz allem: Wer sich pharmazeutisch und betriebswirtschaftlich gut aufstellt, wenig Fehler macht, hat auch heute noch Chancen. Das lassen wir jetzt mal so stehen, mein liebes Tagebuch.
1. März 2016
Weißt du, mein liebes Tagebuch, wenn ich solche Nachrichten höre wie eben aus Westfalen-Lippe, dann geht mir das Herz auf. Da konnte die Apothekerkammer Westfalen-Lippe mit der AOK Nordwest eine Kooperationsvereinbarung schließen mit dem Ziel, dass Apotheken offensichtliche und potenzielle Probleme bei der Arzneimittelversorgung dokumentieren und evaluieren. Also im Klartext: Apotheken, die sich auf dem Gebiet der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) besonders qualifiziert haben (Apotheker als AMTS-Manager), bieten ihren Patienten, die mehrere Arzneimittel einnehmen müssen, an, ein besonderes Augenmerk auf ihre Therapie zu richten. Von ihrer Kasse erhalten die Patienten eine „Patienten-Quittung“, auf der alle Verordnungen zulasten der Kasse aufgelistet sind und die sie der Apotheke vorlegen. Hier werden noch die OTCs ergänzt. Dann prüft die Apotheke alles, checkt und analysiert und bespricht es, wenn nötig, mit dem Arzt. „Es geht um die Alltagsoptimierung“ der Arzneitherapie, sagte der AOK-Verantwortliche. Ja, und dann gibt’s dafür sogar einen Obolus von der Kasse für die Apothekenarbeit: etwa 80 Euro pro AMTS-Patient. Die Kammer fördert das Projekt, indem sie eine halbe Stelle für eine wissenschaftliche Mitarbeiterin von Professor Jaehde fördert, die sich um die Evaluation kümmern wird. Na, mein liebes Tagebuch, das ist doch mal ein Ansatz, der sich sehen lassen kann: Gut ausgebildete Apotheker analysieren die Medikation, kümmern sich um Problemlösungen, dokumentieren – und werden dafür honoriert.
Und noch so eine Nachricht, die mein Apothekerherz schneller schlagen lässt: Greifswalder Ärzte können Patienten der AOK Nordost ab sofort (!) die Erstellung eines umfassenden Medikationsplans durch eine Apotheke verordnen. Mein liebes Tagebuch, das liest sich so geschmeidig, als wäre es schon das Natürlichste der Welt. (Wo doch im Oktober laut Gröheschem E-Health-Gesetz der Arzt den Medikationsplan ausstellen soll.) Das besonders Smarte an diesem „Medikationskonsil Greifswald“, einem gemeinsamen Projekt von Kassenärztlicher Vereinigung und Apothekerverband Meck-Pomm sowie dem Greifswalder Ärztenetz Grypsnet und der AOK Nordost: Der Patient muss sich nicht einschreiben. Der Arzt verordnet einfach einen Medikationsplan und eine Medikationsanalyse durch eine Apotheke. Der Patient geht mit der Verordnung in die Apotheke – und dann geht’s los: Terminvereinbarung, Brownbag-Review, Medikationsplan und Analyse und Meldung an den Arzt. Die Apotheke rechnet über eine Sonder-PZN ab (Zeitaufwand max. 60 Minuten), und auch der Arzt bekommt ein Honorar. Die Testphase hat begonnen, nächstes Jahr im März wissen wir mehr. Mein liebes Tagebuch, klar, da stecken viele Stolpersteinchen drin (Haben ausreichend viele Ärzte den Grips, hier mitzumachen? Wie absolvieren die Apotheken ihre Arbeit? Wie können beide, also Arzt und Apotheker, miteinander?) Aber mit unken kommt man nicht weiter. „Machen“ heißt die Devise und Daumendrücken, dass es funktioniert.
2. März 2016
„Zu viel Arbeit – Apotheker, nein danke“ – die Süddeutsche Zeitung hat sich Gedanken gemacht darüber, wie es bei Apothekers weitergeht. Der Einstieg ins Thema ist vielversprechend: „Ausgerechnet die hoch geachtete und vor allem als gut situiert geltende Apothekerschaft leidet unter einem Nachwuchsproblem“, schreibt der Autor des SZ-Beitrags. Aber dann geht’s ein bisschen bunt durcheinander. Da werden Konkurrenzkämpfe mit Internetapotheken, der Frauenanteil unter Pharmazeuten, die Abhängigkeit der Apotheke von den ärztlichen Verordnungen, die Anzahl der Bedienplätze in Apotheken und die Schwierigkeit, ältere Apotheken zu verkaufen, in einen Topf geworfen und umgerührt. Der Autor zitiert zwar den ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt. Allerdings, mein liebes Tagebuch, was der Autor den Präsidenten da genau fragte, geht aus dem Artikel irgendwie nicht hervor. Für mich wirkt der SZ-Artikel irgendwie ein bisschen wie Kraut und Rüben. Ich hab ihn nicht verstanden.
3. März 2016
Die Nachbesserung ist bereits unterwegs. Endlich! Und dann sind sie wieder drin im Berufsbild: alle Apotheker, die in der Industrie, in der Verwaltung oder Lehre beschäftigt sind. Beim Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen hatte der Bundesrat einen Zehn-Punkte-Katalog zum Berufsbild passieren lassen, der ein überholtes traditionelles Bild vom Apothekerberuf zeichnete und pharmazeutische Tätigkeiten außerhalb der Apotheke nicht berücksichtigte. Es hagelte Proteste. Jetzt soll nachgebessert werden. Mit dem 4. AMG-Änderungsgesetz soll der Zehn-Punkte-Katalog um zwei weitere Punkte erweitert werden und ausdrücklich die Apothekertätigkeiten in der Industrie, in der Lehre und Forschung an Unis und Schulen sowie Tätigkeiten in Behörden als zu den pharmazeutischen Tätigkeiten gehörig berücksichtigen. Warum nicht gleich so! Und dennoch, mein liebes Tagebuch, so richtig zufrieden kann man mit dem 12-Punkte-Katalog auch noch nicht sein. Da fehlt noch einiges, z. B. der Bereich der Prävention.
War anfangs ziemlich nebulös, was es mit dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss auf sich haben sollte. Jetzt scheint sich der Nebel zu lichten. Ein Ausschuss und ein Expertenrat des G-BA sollen die Strukturen für die Projektarbeit schaffen. 1,2 Milliarden liegen im Topf, die für Projekte vergeben werden können. Mein liebes Tagebuch, es gibt sogar Chancen für Pharmazeuten! Denn der Vorsitzende, Josef Hecken, hat zu erkennen gegeben, dass er Projekte zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) für förderungswürdig hält. Da hätten wir doch einige anzubieten, oder? Förderschwerpunkte sind übrigens auch Versorgungsmodelle unter Nutzung von Telemedizin, Telematik und E-Health. Da läuft doch was bei Apothekers, oder?
4. März 2016
Über 4000 Filialapotheken gibt es bereits und es ist abzusehen, dass die Zahl weiter wächst. Und damit der Bedarf an Apothekerinnen und Apotheker, die bereit sind, eine Filiale zu leiten. Wenn man sich mal ein wenig in der Szene umhört, ist das übrigens für viele Apothekenleiter, die filialisieren wollen, gar nicht so einfach, die geeignete Persönlichkeit dafür zu finden. Einerseits muss die- oder derjenige „taff" sein, Führungsqualitäten haben und wie ein kleiner Unternehmer denken, andererseits muss sie bzw. er aber auch die Grenzen kennen, und wissen, wann die Apothekenleitung zu fragen ist. Das Dilemma: Persönlichkeiten, die selbstbewusst sind und unternehmerisch handeln, machen sich gern selbstständig. Und die anderen ziehen ein Angestelltenverhältnis vor – ohne die Verantwortung für Leitungsfunktionen haben zu wollen. Gesucht sind hier aber die Zwitter – halb Chef, halb Angestellter. Mein liebes Tagebuch, die wirtschaftliche Herausforderungen für die Apotheken könnten die Stimmung bei so manchen Jungpharmazeutinnen und -pharmazeuten allerdings ändern: Den Schritt in die eigene Selbstständigkeit mag man zwar nicht gehen, zu viel Risiko, zu unsicher. Aber ein bisschen mehr Eigenständigkeit wäre nicht schlecht – da kommt das Angebot zur Filialleitung doch gerade recht. Meine Prognose: Filialleiter – das wird eine aufstrebende Gruppe von Apothekerinnen und Apothekern. Warum gibt es eigentlich noch keinen Bundesverband der filialleitenden Apotheker (vielleicht „BVFA“)?
4 Kommentare
Aus der Versenkung
von Apotheker B am 07.03.2016 um 13:05 Uhr
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O Kommentare bisher
von Frank ebert am 06.03.2016 um 16:42 Uhr
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Projekte
von Dr.Diefenbach am 06.03.2016 um 14:12 Uhr
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AW: Warum keine Kommentare?
von Reinhard Rodiger am 06.03.2016 um 19:40 Uhr
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