Kommentar

Freiberuflichkeit neu entdecken

Süsel - 07.03.2016, 18:30 Uhr

Apotheker können auch als Freiberufler erfolgreich zusammenarbeiten – etwa in einer oHG. (Foto: lenetsnikolai/Fotoila)

Apotheker können auch als Freiberufler erfolgreich zusammenarbeiten – etwa in einer oHG. (Foto: lenetsnikolai/Fotoila)


Medizinische Versorgungszentren bei Ärzten und Ketten ausländischer Konzerne bei Tierärzten drohen die Freiberuflichkeit auszuhöhlen. Wie Apotheker darauf reagieren können, betrachtet Thomas Müller-Bohn in einem Kommentar. 

Im Idealbild des Freiberuflers sind fachliche und wirtschaftliche Verantwortung verbunden. Denn dies sichert die Unabhängigkeit und die Verantwortlichkeit gegenüber Kunden und Patienten. Ärzte und Apotheker in Krankenhäusern waren schon immer Ausnahmen von diesem Konzept – als Freiberufler und zugleich Angestellte oft großer Unternehmen. Mit der Verbreitung der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) entfernen sich auch immer mehr ambulant tätige Ärzte vom freiberuflichen Ideal. Denn über MVZ können Krankenhauskonzerne in der ambulanten Versorgung mitmischen. Wie diese und andere Gestaltungsformen für die gemeinsame ärztliche Tätigkeit genau funktionieren, beschreibt ein Beitrag in der aktuellen DAZ. Eine noch stärkere Rolle als in einem MVZ bei Humanmedizinern haben externe Kapitalgeber in Tierarztketten. Tierarztpraxen im Eigentum berufsfremder Kapitalgeber sind in einigen Bundesländern zulässig, und dies wird mittlerweile von ausländischen Kettenbetreibern praktisch genutzt. 

Offenbar findet heilberufliche Arbeit in fremdbestimmten Strukturen einige Anhänger. Geregelte Arbeitszeiten, geteilte Verantwortung und Arbeiten im größeren Kollegenkreis haben gewiss Vorteile. Die Nachteile des wirtschaftlichen Drucks und der möglichen inhaltlichen Einschränkungen dürften manchen dagegen erst später deutlich werden. Doch es gibt eine gute Alternative, die bei Apotheken zunehmend in Mode kommt. Eine Apotheke oder einen Filialverbund mit mehreren Apothekern als offene Handelsgesellschaft (oHG) zu betreiben, bietet viele Vorteile: fachlicher Austausch statt Einzelkämpfertum und die Aufteilung der Arbeitszeit und der finanziellen Belastung. Die immer größeren Apotheken oder gar Filialverbünde dürften junge Apotheker bei einer Übernahme einzeln kaum noch finanzieren können, aber gemeinsam durchaus. Die steigenden Apothekengrößen bedeuten daher nicht das Ende der freiberuflichen Idee von der ungeteilten fachlichen und wirtschaftlichen Verantwortung, sondern das freiberufliche Prinzip bietet auch Antworten auf neue Herausforderungen. Gemeinschaftspraxen bei Ärzten verfolgen dieselbe Idee.

Lesen Sie hierzu auch den Beitrag „Zunehmende Abhängigkeiten“ von Thomas Müller-Bohn in der DAZ Nr. 9, 2016, S. 22.

 


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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