- DAZ.online
- News
- Pharmazie
- Weniger Indometacin-...
Wirkstoffforschung
Weniger Indometacin-Nebenwirkungen durch Borcluster
Forschern aus Deutschland und den USA ist es gelungen, unerwünschte Effekte von Indometacin zu reduzieren. Die Wissenschaftler modifizierten dazu das Schmerzmittel mit einem Borcluster.
Indometacin ist ein vor allem bei
rheumatischen Erkrankungen verschriebenes entzündungshemmendes
Schmerzmittel, das allerdings – vor allem wenn es regelmäßig gegeben wird – auch
viele unerwünschte Wirkungen zeigt. Magen-Darm-Störungen, Kopfschmerzen,
Schwindelgefühle, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Magendrücken und sogar psychische
Veränderungen sind bei zehn bis 30 Prozent der mit dem Analgetikum behandelten
Patienten bekannt.
Unspezifische Wirkung verursacht Nebenwirkungen
Indometacin hat eine unspezifische hemmende Wirkung auf die beiden Isoformen des Enzyms Cyclooxygenase, was sowohl seine antiphlogistische (entzündungshemmende) und analgetische (schmerzstillende) Wirkung als auch die zahlreichen unerwünschten Effekte erklärt. Dabei blockiert es die Bindungstasche des Enzyms.
COX I ist ein ubiquitär im Organismus vorkommendes Enzym, das an vielen physiologischen Prozessen beteiligt ist, während COX II vor allem bei Verletzungen und Entzündungen produziert wird. COX II ist vorrangig mit Krankheiten, darunter auch der Entstehung von Krebs, assoziiert.
Selektivität von Indometacin verbessert
Forscher der Universität Leipzig und der Vanderbilt University in Nashville in den Vereinigten Staaten haben jetzt einen Weg gefunden, diese unerwünschten Effekte möglicherweise deutlich zu reduzieren. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher jetzt in der Fachzeitschrift ChemMedChem.
„Diese Verringerung der Nebenwirkungen sollte durch eine gezielte Modifizierung von Indometacin erreicht werden, die den Wirkstoff selektiver für die Isoform II des Enzyms Cyclooxygenase (COX II) macht“, sagt die promovierte Chemikerin Wilma Neumann, die mittlerweile am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge in den USA arbeitet und zuvor gemeinsam mit der Professorin Evamarie Hey-Hawkins die Forschungsgruppe am Institut für Anorganische Chemie der Uni Leipzig leitete.
Ein Borcluster-Derivat von Indometacin
Als Pharmakophor - also den Teil des Moleküls, der für die biologische Aktivität des Moleküls verantwortlich und damit essentiell für die Wirksamkeit eines Medikaments ist - verwendeten die Forscher Borcluster. Dabei handelt es sich um ein kugelförmiges Molekül, das aus Bor-, Wasserstoff- und Kohlenstoff-Atomen aufgebaut ist. Borcluster spielten bislang pharmazeutisch nur eine untergeordnete Rolle.
Dabei habe man das Borcluster-Derivat von Indometacin so designt, dass es aufgrund seiner Molekülgröße nur noch in der Bindungstasche der Isoform II binden könne, sagt Neumann. „Das bewirkt die Selektivität des Inhibitors, die letztlich auch zu den verringerten Nebenwirkungen führen sollte“, erklärt die Forscherin. Die Verringerung der Nebenwirkungen sei allerdings noch nicht nachgewiesen, sondern nur die Selektivität des modifizierten Wirkstoffs. „Für den Nachweis verringerter Nebenwirkungen wären letztlich klinische Tests nötig“, sagt Neumann.
Vielversprechende pharmakologische Eigenschaften
Neben der durch gezieltes Moleküldesign erreichten Selektivität des Wirkstoffes Indometacin habe der Borcluster eine erhöhte Stabilität des Moleküls sowie eine erhöhte Wasserlöslichkeit bewirkt. „Diese Verbesserungen der Moleküleigenschaften können auch bei der Einführung des Borclusters in andere Wirkstoffe erreicht werden“, erklärt Neumann, wie sie die Technik auf weitere Arzneimittel übertragen ließe.
Die Borcluster verfügten damit über vielversprechende pharmakologische Eigenschaften. Noch seien die Herstellungskosten relativ hoch. „Aber basierend auf den bereits vielversprechenden Studien unserer und anderer Forschungsgruppen werden sie möglicherweise bald auch Einzug in die Pharmaentwicklung halten. Einige Pharmaunternehmen haben bereits Interesse an den Borclustern gezeigt“, sagt Neumann.
Indometacin
Der Wirkstoff Indometacin gehört zur Gruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR). Seine Wirkung beruht auf unselektiver Hemmung der Cyclooxygenasen (COX-1 und COX-2). Indometacin wird eingesetzt zur symptomatische Behandlung von Schmerz und Entzündung, zum Beispiel beim Gichtanfall oder anderen akuten Arthritiden, schmerzhaften Schwellungen oder Entzündungen nach Verletzungen oder rheumatischen Erkrankungen. Die Anwendung kann topisch oder systemisch (oral oder Zäpfchen) erfolgen. Handelsnamen: Indomet ratiopharm®, Indo-CT®, Indometacin AL®, Inflam® Topisch: Mobilat®, Indo-Top®
In der Tumortherapie bereits im Einsatz
„Mit unserer Untersuchung konnten wir zeigen, dass der Borcluster als neuartiges Pharmakophor, das bisher in der Pharmaforschung noch nicht verwendet wird, vorteilhaft gegenüber herkömmlichen Pharmakophoren sein kann. Unser Ziel ist es, neue Strukturen für die Pharmaentwicklung bereitzustellen, um die Entwicklung neuer Medikamente zu unterstützen. Neuartige Pharmakophoren spielen gerade auch bei der Überwindung von Resistenzen eine wichtige Rolle“, erklärt Neumann die Ziele ihrer Forschung.
Eine anders geartete medizinische
Anwendung von Borclustern gibt es bereits bei der Therapie von Tumoren. Bei der
Bor-Neutroneneinfangtherapie werden sie gezielt durch einen vermittelten
selektiven Transport in Tumorzellen eingebracht. Beim Beschuss mit thermischen
Neutronen werden diese von den Bor-Atomen aufgefangen, was zur Spaltung des
Bors führt. Die dabei freiwerdende Energie zerstört die Tumorzellen recht selektiv.
1 Kommentar
suche Schmerzmittel
von Horst Müller am 10.02.2019 um 17:54 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.