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Wie viel eigene Meinung darf es sein, strebt man einen Posten in der apothekerlichen Standesvertretung an? Besser gar keine, hat Ann-Kathrin Kossendey-Koch den Eindruck. Aber sie sieht einen Silberstreif am standespolitischen Gewitterhimmel.
Unter standespolitischen Amtsträgern ist man sich einig. Die Pharmazeutische Zeitung gehört zur Pflichtlektüre, die berichten immer so schön positiv über das Engagement der ABDA. Die Deutsche Apotheker Zeitung ist unseriös, heißt es, denn sie ist nicht unabhängig, sondern angeblich von der Industrie gekauft. Apotheke Adhoc liest man, aber man kommentiert dort nichts, vor allem, wenn man sich in diesen gewissen Kreisen bewegt. Und wenn, dann niemals unter seinem Klarnamen, sondern nur unter den absurdesten Pseudonymen, womit sich das Kommentieren hier auf DAZ.online dann ja auch erledigt hat.
Vorsicht Nestbeschmutzer
Will man einen Posten, dann hat man keine eigene Meinung, braucht man ja auch nicht, da die Meinung ja schon fix und fertig übernommen werden kann. Kritik? Unerwünscht – egal ob konstruktiv oder nicht. Ideen können nur wachsen durch kontroverse Diskussionen – meinen vielleicht irgendwelche Späthippies oder Prostest-Apotheker, so ewige Krawallbrüder und -schwestern, die mit ihrem ständigen Nachfragen und ihrem Gemecker unbequem sind und nerven. Die stören die standespolitische Harmonie. Sollen die es doch erst mal besser machen, diese undankbaren Querköpfe von der Basis. Kein Respekt vor dem Ehrenamt und auch keine Ahnung von der großen Politik. Vieles darf halt gar nicht angesprochen werden, das ist top secret. Das können diese kleinen Kittelträger in ihren viel zu kleinen Buden gar nicht nachvollziehen. Von wegen „Klare Ansagen machen“ – man muss politisch taktieren, mit leisen Tönen geheime Erfolge erzielen und sollte unter Seinesgleichen bleiben. So ein Nestbeschmutzer kann die jahrelangen feinfühligen Verhandlungen unserer Standesvertreter mit einem Facebook-Post kaputt machen. Was soll denn ein Politiker denken, wenn er von einem Mitglied der Standesvertretung in einem Online-Kommentar kritisiert wird? Man muss sich schon entscheiden im Leben – brauche ich das Gefühl von Macht, um mein narzisstisches Ego zu streicheln, oder bleibe ich Zeit meines Lebens ein unbequemer Blödbommel?
Der Preis für ein angesehenes Ehrenamt
Da finde ich den dezenten Hinweis eines hochrangigen Standesvertreters einer Kollegin vom Fußvolk gegenüber völlig angemessen, dass sie durchaus einen Posten im Verband bekommen kann, dann aber bitte ihre eigene Meinung nur noch zu Hause in der Familie vertritt. Demokratie ist halt ein dehnbarer Begriff. Man kann ja nicht aufsteigen wollen in der Nahrungskette der pharmazeutischen Pantoffeltierchen und dann noch erwarten, dass man seine eigenen Gedanken und Ansichten weiter so frei in die Welt hinausposaunt, man muss schon Abstriche machen. Im Gegenzug bekommt man ein schönes Ehrenamt, viel Ansehen und es regnet etwas glamouröser Sternenstaub der ABDA auf einen hernieder. Wow – ich kann es einfach nicht verstehen, warum diese undankbare Kollegin nicht mehr im Verband mitmixen will. Da bekommt sie als Frau die Chance, neben den grauen Herren gut auszusehen, und das ist ihr auch wieder nicht recht. Dann eben nicht.
Nicht jeder kann eine Präsidentin wie Frau Linz haben
Doch Moment – es gibt einen zarten Silberstreif am standespolitischen Gewitterhimmel. Ein Kollege aus Hessen schwört Stein und Bein, dass er, obwohl er Mitglied der Kammerversammlung ist, frei weiter seine Meinung vertreten darf. Er postet sogar öffentlich bei Facebook und Adhoc unter seinem vollen Namen. Und ich selber bin auch Mitglied der niedersächsischen Kammerversammlung und von mir will nun wohl keiner behaupten, ich würde nicht zu meiner Meinung stehen. Aber es kann ja auch nicht jeder eine Präsidentin wie Frau Linz haben, die einer kontroversen Diskussion, sachlich und freundlich geführt, nie ablehnend gegenüberstand. Bei uns in Niedersachsen wurde sogar extra eine Arbeitsgruppe mit einigen Kollegen eingerichtet, von denen man wusste, dass sie durchaus eigene Vorstellungen von Standespolitik haben. Neue Ideen? Immer gerne. Und so kann es auch sein, dass Frau Linz nach einer Protestaktion oder einer kontroversen Meinung anruft oder mailt, um sich mit einem auszutauschen. Ich halte es auch für meine persönliche Pflicht, mich nicht vom System ändern oder mir gar einen Maulkorb verpassen zu lassen, wenn ich ein Amt übernehme, denn ich wurde ja gewählt, gerade weil ich so bin, wie ich bin, und weil ich meine Meinung vertrete.
Leider erlebt man es ja nun immer wieder, dass die Standesvertreter, die es sich leisten, ihre eigene Meinung weiter vehement zu vertreten, auf dem Abstellgleis landen. Je angepasster man ist, desto einfacher ist der Weg nach oben. Ob das für unseren Berufsstand glücklich ist, wage ich zu bezweifeln. Eine klar formulierte Meinung kann an vielen Stellen klären, geraderücken, in den Fokus stellen, fordern, rechtfertigen und auch Respekt verschaffen. Ein Maulkorb führt dazu, dass dich keiner ernst nimmt und niemand deine Stärke wahrnimmt. Authentizität, Rückgrat und Ehrenamt – all das widerspricht sich meiner Meinung nach nicht.
22 Kommentare
Meinungsvielfalt?
von Dr. Jochen Pfeifer am 11.03.2016 um 20:03 Uhr
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Ehrenamt
von Bernd Küsgens am 11.03.2016 um 12:12 Uhr
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Meinungsfreiheit
von Dr.Diefenbach am 10.03.2016 um 12:06 Uhr
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AW: Dankeschön...
von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 10.03.2016 um 12:38 Uhr
Diskussionskultur
von Heiko Barz am 10.03.2016 um 11:45 Uhr
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Wie können wir es zeitnah verändern ?
von Ulrich Ströh am 10.03.2016 um 11:26 Uhr
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AW: Erster Schritt...
von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 10.03.2016 um 11:34 Uhr
AW: Hochseriöse Opposition muss her!
von Wolfgang Müller am 10.03.2016 um 14:50 Uhr
Dämlich
von Christian Rotta am 10.03.2016 um 11:08 Uhr
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AW: Vorurteile...
von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 10.03.2016 um 11:29 Uhr
Diskurskultur?
von Reinhard Rodiger am 09.03.2016 um 21:28 Uhr
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AW: Machtverhältnisse
von Dr. Christoph Klotz am 10.03.2016 um 9:49 Uhr
AW: Nix zu sagen!
von Christian Giese am 10.03.2016 um 10:44 Uhr
AW: Beratungskontrolle
von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 10.03.2016 um 11:37 Uhr
Fehlende Ergebnisse sind die Folge
von Wolfgang Müller am 09.03.2016 um 20:43 Uhr
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AW: Finanzielle Verstrickungen...
von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 10.03.2016 um 11:40 Uhr
Danke !
von gabriela aures am 09.03.2016 um 20:36 Uhr
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Wieder ein Volltreffer! ;-)
von Kerstin Kemmritz am 09.03.2016 um 20:15 Uhr
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Die demokratischste..
von Christiane Patzelt am 09.03.2016 um 20:00 Uhr
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AW: Demokratisch, demokratischer, am demokratischsten
von Christian Rotta am 10.03.2016 um 19:23 Uhr
AW: Eulen nach Athen tragen
von Christian Giese am 10.03.2016 um 22:21 Uhr
Freie Meinungsäußerung
von Dr. Christoph Klotz am 09.03.2016 um 19:03 Uhr
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